Über dem Osten der Ukraine: Passagiermaschine abgestürzt
Ein malaysisches Flugzeug mit 295 Menschen an Bord soll von einer Rakete getroffen worden sein. Die Ukraine sagt, Separatisten hätten gefeuert. Diese dementieren.
KIEW/MOSKAU/BERLIN ap/dpa/rtr/afp/taz | Über der Ostukraine ist nach Angaben des Kiewer Innenministeriums am Donnerstag eine Passagiermaschine der Malaysia Airlines mit 295 Menschen an Bord – 280 Passagiere und 15 Besatzungsmitglieder – abgestürzt und in umkämpftem Gebiet zerschellt.
Die Information gab ein Berater des Innenministeriums, Anton Geraschenko, über Facebook weiter. Die russische Nachrichtenagentur Interfax bestätigte den Absturz unter Berufung auf ukrainische und russische Sicherheitsbehörden. Das Flugzeug sei in einer Höhe von 10.000 Metern unterwegs gewesen und von einer Rakete des Systems Buk getroffen worden. Das in den 80er-Jahren von sowjetischen Militärs entwickelte Lenkwaffen-System kann Ziele in Höhen bis zu 25.000 Metern treffen.
Die ukrainische Luftraumüberwachung hat den Kontakt mit der Passagiermaschine von Malaysia Airlines etwa 50 Kilometer vor der Grenze mit Russland verloren. Dies bestätigte die Fluglinie auf ihrer Facebook-Seite. „Malaysia Airlines bestätigt, dass sie von der ukrainischen Luftraumüberwachung informiert wurde, dass der Kontakt mit Flug MH17 um 1415 (GMT) etwa 30 Kilometer vom Tamak-Wegpunkt verloren ging, etwa 50 Kilometer vor der russisch-ukrainischen Grenze.“
Empfohlener externer Inhalt
Der malaysische Ministerpräsident Najib Razak hat eine sofortige Untersuchung von Berichten zum Verlust einer Passagiermaschine über der Ukraine angeordnet. Der malaysische Verteidigungsminister Hishammuddin Hussein twitterte, es gebe noch keine Bestätigung für einen Abschuss der Maschine. Er habe das Militär angewiesen, den Vorfall zu prüfen und gegebenenfalls eine Bestätigung einzuholen.
Die Maschine sei nahe der Stadt Schachtjorsk abgestürzt, hieß es. Sie soll in Amsterdam abgeflogen und unterwegs nach Kuala Lumpur gewesen sein. Auf öffentlich zugänglichen Flugradaranlagen war das Flugzeug nicht mehr zu sehen – die Verbindung verlor sich in der Nähe zu Russland.
Keine Technik, um Maschinen in dieser Höhe abzuschießen
Die Absturzstelle sei das von ukrainischen Regierungstruppen und prorussischen Separatisten umkämpfte Konfliktgebiet Donezk. Die prorussischen Kräfte behaupteten, sie hätten keine Technik, um Maschinen in dieser Höhe abzuschießen. Verantwortlich seien vielmehr die ukrainischen Streitkräfte, sagte der stellvertretende Ministerpräsident der Aufständischen, Andrej Purgin, am Donnerstag der Nachrichtenagentur AP. In der Ostukraine hatten prorussische Kräfte zuletzt wiederholt Militärflugzeuge abgeschossen, die deutlich niedriger fliegen als Passagiermaschinen.
Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko sagte: „Bewaffnete Kräfte der Ukraine haben nichts gegen Ziele in der Luft unternommen.“ Auch er schloss einen Abschuss des Flugzeugs nicht aus und richtete umgehend eine Untersuchungskommission ein, zu der auch internationale Experten, darunter aus den Niederlanden und Malaysia, eingeladen wurden. Ministerpräsident Arseni Jazenjuk sprach von einer Katastrophe.
Der russische Präsident Wladimir Putin und sein US-Kollege Barack Obama haben am Telefon über den Absturz einer Passagiermaschine in der Ostukraine gesprochen. Dies teilte der Kreml am Donnerstag mit. Zuvor hatte bereits das Weiße Haus ein Telefonat der beiden Präsidenten bestätigt.
Für Malaysia Airlines wäre es schon der zweite Verlust einer Passagiermaschine in diesem Jahr. Am 8. März war der Flug MH370 nach dem Start in Kuala Lumpur in Richtung Peking von den Radarschirmen verschwunden. An Bord der Boeing 777 waren 239 Menschen. Über ihr Schicksal und darüber, was an Bord der Maschine passierte, herrscht völlige Ungewissheit. Trotz intensiver Suche wurde bislang keine Spur der Unglücksmaschine entdeckt.
Die deutsche Fluggesellschaft Lufthansa hat indes umgehend ihre Flugrouten geändert. „Die Lufthansa hat sich entschieden, von sofort an den ukrainischen Luftraum weiträumig zu umfliegen“, sagte eine Sprecherin der Fluglinie am Donnerstag. Eine Sperrung des Luftraums der Ukraine habe es nicht gegeben und gebe es auch derzeit nicht. Von der Entscheidung, die Flugrouten zu ändern, seien im Laufe des Donnerstag noch vier Flüge betroffen. Auch Turkish Airlines wird den ukrainischen Luftraum meiden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Nach der Gewalt in Amsterdam
Eine Stadt in Aufruhr
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu
Wanted wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen
+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu und Hamas-Anführer
Die Wahrheit
Der erste Schnee
Jeder fünfte Schüler psychisch belastet
Wo bleibt der Krisengipfel?