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USA nach Trump-WiederwahlDas Diversity-Drama

Michaela Dudley
Kommentar von Michaela Dudley

Seit der Wiederwahl Trumps werden Diversity-Programme in den USA gekippt. Was zunächst gruselig klingt, ist tatsächlich eine Chance.

MAGA-Merch bei der New Yorck Stock Exchange am US-Wahltag 2024 Foto: John Angelillo/UPI Photo/imago

O bwohl Donald Trump erst in vier Wochen ins Weiße Haus einzieht, wirft er seinen Schatten voraus. Ein konservativ dominiertes US-Bundesberufungsgericht entschied vergangenen Mittwoch gegen den Plan der Technologiebörse Nasdaq, der Diversität fördern soll: Nasdaq darf nun also nicht verlangen, dass in den Vorständen der 3.300 dort notierten Unternehmen je eine Frau und je eine Person aus einer Minderheit sitzt.

Projekt 2025, das Mega-MAGA-Projekt der Republikaner, scheint bereits zu funktionieren. Auch andere US-Firmen machen bei Projekt 2025 schon von alleine mit, und zwar nicht unbedingt aus vorauseilendem Gehorsam.

Zwischen den Anhängern einer leistungsbezogenen Gesellschaft, der Meritokratie – abgekürzt durch MEI (Merit, Excellence, Individuality) – und den Verfechtern der Inklusion – DEI (Diversity, Equity, Inclusion) – herrscht Krieg. Mit dem Urteil des Gerichts haben die MEI-Anhänger einen Sieg errungen. Und das ist auch gut so.

Diese Kehrtwende, ganz egal, was die wahren Beweggründe sind, stellt keine Krise dar, sondern eine Chance. Denn eine nachhaltige Förderung der Vielfalt kann es nur geben, wenn man die Stützräder ablegt und Leistungssteigerung anstrebt.

Zurück in die 1950er?

Dass sich immer mehr Unternehmen von DEI verabschieden, beweist auch Walmart, mit zwei Millionen Mitarbeitenden der größte Privatarbeitgeber der Welt. Noch vor vier Jahren galt der Einzelhandelskonzern als Hoffnungsträger für Progressive. Nach der Ermordung von George Floyd gründete Walmart mit einem Einsatz von 100 Millionen US-Dollar das Center for Racial Equity, mit der erklärten Absicht, gegen strukturelle Diskriminierung anzukämpfen.

Es hieß damals, man wolle „eine Kultur der Zugehörigkeit schaffen, in der sich alle unsere Mitarbeitenden gesehen, unterstützt und in der Lage fühlen, ihr volles Potenzial auszuschöpfen“. Das einst als zukunftsorientiert gefeierte Programm ist seit Ende November Geschichte. Andere Platzhirsche wie Ford, Boeing und Harley-Davidson leisten Folge. Auch ohne Gerichtsbeschlüsse sehen sie in den Wahlergebnissen einen Wunsch seitens immer mehr Amerikaner:innen, das Experiment DEI zu beenden.

Progressive befürchten, die Ablehnung von DEI-Regelungen sei eine Rückkehr in die 1950er Jahre, ein Jahrzehnt des Booms und der Bigotterie. Patriarchale Strukturen führten dazu, dass weiße Männer systematisch bevorzugt wurden. Ihre auch nur durchschnittlichen Leistungen galten als Erfolgsmaßstab.

White Male Mediocrity

Durch die institutionelle Benachteiligung anderer Gruppen wurde white male mediocrity zur gesellschaftlichen Norm. Das Potenzial für wahre Exzellenz wurde nicht ausgeschöpft, da die Lebenserfahrungen und Talente von ethnischen Minderheiten, Frauen, queeren Menschen und sozial Marginalisierten nicht zur Geltung kamen.

Gerade jene durchhaltestarken Gruppen, die unter widrigen Umständen zweimal so viel leisten und aushalten mussten wie weiße Männer, wurden ausgeklammert. Ähnliche Umstände gibt es auch heute – DEI-Regelungen sollten dem eigentlich entgegenwirken.

Doch die letzten Jahre haben gezeigt, dass die DEI-Bewegung nicht imstande ist, ihre Ziele überzeugend umzusetzen. Viele Ansätze verheddern sich in weltfremden Diskursen über Dekolonialisierung. Bei der Förderung benachteiligter Menschen liegt der Fokus zu stark auf ihrer Opferrolle, während man die Entwicklung marktfähiger Kompetenzen vernachlässigt.

Mehr als nur ein Gütesiegel

Dazu dienen Minderheiten oft als Tokens oder Fensterschmuck. Auf dem Campus schreibt man Inklusion groß, lässt aber zu, dass jüdische Studierende antisemitischen Anfeindungen ausgesetzt werden. DEI kann auch Rückschritt bedeuten.

Die Herausforderung besteht darin, nicht zu verneinen, sondern zu vereinen: Die entscheidende Frage ist also nicht, ob Leistung oder Diversität wichtiger ist, sondern wie beide Aspekte miteinander harmonisieren können.

Eine Gesellschaft muss sich dafür einsetzen, dass alle Menschen gleiche Chancen haben, ihr individuelles Potenzial zu entfalten, ohne leistungsstärkere Mitglieder abzubremsen oder gar zum Feindbild zu degradieren. Es geht schließlich nicht um ein Gütesiegel, sondern um ein gutes Ziel.

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Michaela Dudley
Journalistin/Kabarettistin
Michaela Dudley (Jg. 1961), eine Berliner Queerfeministin mit afroamerikanischen Wurzeln, bezeichnet sich als „Frau ohne Menstruationshintergrund, aber mit Herzblut, in der Regel“. So lautet ihr Signatur-Lied, und so kennt man sie als wortgewandte taz-Kolumnistin. Sie ist Kabarettistin, Filmschauspielerin, Keynote-Rednerin, Journalistin und Juristin (Juris Dr., US). Ihr 2022 veröffentlichtes Buch RACE RELATIONS: ESSAYS ÜBER RASSISMUS (2. Aufl. 2024), das als lyrischer Leitfaden zum Antirassismus reüssiert, erklärt: „Die Entmenschlichung fängt mit dem Word an, die Emanzipierung aber auch“. Ebenfalls 2022 erschien ihr Essay „Weimar 2.0: Reflexionen zwischen Regenbogen und Rosa Winkel“ in dem vom NS-Dokumentationszentrum München und Hirmer-Verlag herausgegebenen Buch TO BE SEEN: QUEER LIVES 1900 – 1950. Die LGBTQ-Aktivistin war auch Kolumnistin bei der „Siegessäule“ und Gastredakteurin beim „Tagesspiegel/Queerspiegel“. Auf der Frankfurter Buchmesse 2023 als eine von 75 erlesenen Story-Teller:innen auf dem Paulsplatz mit einem symbolischen Klappstuhl ausgezeichnet. Neben Deutsch und Englisch spricht sie Italienisch, Latein und Hebräisch. Zudem Sie arbeitet sie mit dem Goethe-Institut zusammen. Gelobt wird sie überdies für ihren Auftritt im Spielfilm GESCHLECHTERKAMPF: DAS ENDE DES PATRIARCHATS (2023). In der neo-dokumentarischen Berliner Satire spielt sie sich selbst, und zwar in einer von ihr geschriebenen Szene. Auf dem 37. Braunschweiger Filmfest diente sie als Jurymitglied der Sektion „Echt“ für queere Filme. Von 2018 bis 2022 war sie eine offizielle Übersetzerin der Internationalen Filmfestspiele Berlin (Berlinale) für das Pressebüro und die Sektion Generation. 2019 agierte sie als Gastmoderatorin bei der Live-Übertragung von Berlin Pride (CSD) im RBB-Fernsehen. Regelmäßig erscheint sie in der „Kulturzeit“ (3Sat/ZDF). Im Aufklärungsvideo HAB’ ICH WAS GEGEN (2023) der Antidiskriminierungsstelle des Bundes (44 Millionen Klicks) und in einem Beitrag für „ttt – titel, thesen, temperamente“ über das Selbstbestimmungsgesetz (110.00 Klicks in 24 Stunden) tritt sie auf. Als Impulsgeberin in puncto Diversity hielt sie Keynote-Reden bei der Deutschen Bahn, der Führungsakademie der Bundesagentur für Arbeit, dem DGB und im geschichtsträchtigen Schöneberger Rathaus. Oktober 2023 in der Arena Berlin moderierte sie für Funke-Medien eine brandaktuelle Diskussion über Antisemitismus und Rechtsextremismus. Ihr Solo-Kabarettprogramm EINE EINGEFLEISCHT VEGANE DOMINA ZIEHT VOM LEDER ist eine „sado-maßlose“ Sozialsatire mit eigenen musikalischen Kompositionen. Ihre diversen Auftrittsorte umfassen die Volksbühne, das SchwuZ, und die BKA (Berliner Kabarett-Anstalt.)
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39 Kommentare

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  • Trump selbst hat meiner Meinung nach überhaupt kein Problem mit Diversity - die entsprechenden Leute müssen ihm gegenüber einfach nur bedingungslos loyal sein. Kashyap Patel, Vivek Ramaswamy, Tulsi Gabbard (Indisch-Amerikaner), Richterin Aileen Cannon (gebürtige Kolumbianerin) und sogar Caitlyn Jenner (Trans) sind nur einige Beispiele dafür. Trump benutzt Rassismus / LBGT-Feindlichkeit / die Frage nach dem Recht auf Abtreibung meiner Meinung nach einfach nur, weil ein großer Teil seiner Wähler rassistisch / LGBT-feindlich / gegen Abtreibung ist.

    Noch interessanter ist in diesem Fall der Blick nach Großbritannien. Die letzten Tory-Regierungen waren allesamt sehr divers. Dabei taten sich dann Leute wie Innenministerin Priti Patel (Tochter indischstämmiger Flüchtlinge aus Uganda) mit besonders krass rechten Positionen hervor. Und momentan ist die Vorsitzende der Tories Kemi Badenoch, geboren als Olukemi Olufunto Adegoke, die sich ebenfalls ständig mit besonders rechtspopulistischen Positionen hervortut.

    Bei oberflächlicher Betrachtung aber scheint es kaum ein so diverses, dekolonialisiertes Land zu geben wie Großbritannien.

  • DEI Ansätze sind grundsätzlich schwierig, weil sie den Beteiligten eine Opferrolle zuweist, die oft nur gefühlt ist. Hier entwickelt sich dann eine regelrechte Opferhierachie.



    Anstatt die vielen real existierenden guten Beispiele für eine Motivation der Anderen zu nutzen, werden die Erfolgreichen als "Token" diffamiert.



    Wer glaubt im Ernst, dass Trump & Co einen dienlichen skrupellosen Anwalt ablehnen würden, weil er schwarz oder asiatisch ist? Oder dass Elon einen vielversprechenden Ingenieur in seinen Teams ablehnt weil er nicht Kaukasianer ist?

    • Michaela Dudley , Autorin des Artikels, Journalistin/Kabarettistin
      @Dromedar:In:

      Die Sache ist in der Tat viel diffiziler



      aber auch viel differenzierter, als sich typische DEI-Verfechter:innen vorstellen.

  • Danke für diesen Kommentar, vollste Zustimmung.



    Qualität statt Quote, Leistung statt Almosen.



    "Eine Gesellschaft muss sich dafür einsetzen, dass alle Menschen gleiche Chancen haben, ihr individuelles Potenzial zu entfalten, ohne leistungsstärkere Mitglieder abzubremsen oder gar zum Feindbild zu degradieren."



    DEI hat die letzten Jahre genau das Gegenteil gemacht und auch in Europa grassiert diese Unart - man erinnere sich als Pistorius im Kabinett der Ampel nachbesetzt wurde und die komplette Diskussion nur darum ging, dass doch eigentlich eine Frau nachrücken müsste wegen der Parität - statt das es darum ging, wer ist die fähigste Person für das Amt.



    Und Pistorius ist seit Monaten der beliebteste Minister, macht augenscheinlich gute Arbeit - nicht auszudenken wenn auch dieses Amt nach Quote und Parteiflügel besetzt worden wäre wie es sonst oft Usus ist, eine Krankheit sondergleichen.



    Weg von dieser Ideologie - die beste Person für egal welches Amt/Beruf/Position - Hautfarbe, Geschlecht, Pass, Alter total egal - DAS wäre eine wirklich vorurteilsfreie Gesellschaft

    • Michaela Dudley , Autorin des Artikels, Journalistin/Kabarettistin
      @Farang:

      Danke vielmals für die Zustimmung.

  • Was manchmal zu sehen ist: Wer es vielleicht auch dank Inklusionsprogrammen oder als Ausnahme geschafft hat, knallt die Türe hinter sich zu, um zur liberalen Irrlehre zu wechseln, man habe sich den "Erfolg" ja "verdient" und zahle sowieso "zu viele Steuern"?

    Die ja auch einen wahren Kern hat, und das ist ein Ja zur Verantwortung. Aber auch die Lebenslüge, es wäre nicht jede Menge Elternhaus, Zufall, Connections, Geld, Mentoring, ... mindestens auch dabei. Gucken wir immer in die Daten.

  • Allen (halbwegs) gleiche Chancen. Das kann heißen, für eine Weile nachzujustieren und zu stützen, damit die alten Netzwerke von Gleich-und-gleich mal durchgeschüttelt werden und ihren exklusiven Charakter verlieren. Also ermuntern und, ja, auch mal "bevorteilen".



    Da müssen weiße reiche Cis-Männer auch mal durch.

    Das universale Ideal bleibt dabei das Ziel, nicht eine Dauerstütze. Und es gibt auch sehr viele andere Themen, die unserer Aufmerksamkeit bedürfen, nicht nur das eine. Wer links nicht mehr als Liberté, Egalité, Fraternité buchstabiert, sondern nur noch mit immer neuen Großbuchstabenketten, hätte es auch nicht verstanden. Und verliert die Mehrheiten auch noch.



    Ich halte universal gleiche Rechte für zentral, ökonomisch, intergenerationell, ...



    Und Diversity ist ein Geschenk der Menschheit an sich selbst. Packen wir es dankbar aus.

    • @Janix:

      "Also ermuntern und, ja, auch mal "bevorteilen".



      Da müssen weiße reiche Cis-Männer auch mal durch."



      Genau da wird aus dem vermeintlich besseren Ideal Unrecht und ein Unrecht durch ein anderes Unrecht zu ersetzen ist weder Fortschritt noch der Gesellschaft dienlich.



      Also ja, bevorteilen im Prozess - heißt mehr Förderung, zinslose Kredite für Studenten, mehr Stipendien, etc - um es wirklich möglichst allen zu ermöglichen, alles erreichen zu können.



      Aber in der Auswahl, da muss Schluss sein. Es kann und darf nur einen Bewertungsschlüssel geben. Eine Leistung minder zu schätzen nur weil der Erbringer weiß und/oder cis ist ist blanker Rassismus.



      Selbiges gilt für Pride und BLM -



      all lives matter und sonst nichts!



      DAS war auch übrigens der Ursprungsgedanke der BLM Bewegung. Ich erinnere mich an ein Schreiben der University of California, die eine wichtige Brutstätte der Bewegung war, da wurde argumentiert das BLM nötig sei um all lives matter zu erreichen.



      Leider hat sich die Bewegung längst von dieser Idee entfernt, es ist ein reiner Verdrängungswettbewerb geworden - man kämpft nicht FÜR die Gleichheit ALLER Menschen sondern REIN für eine Verschiebung der Privilegien zur eigenen Gruppe

      • @Farang:

        Farang, in einer idealen Welt ja. Wenn Sie freilich meinem Gedankengang etwas mehr folgen können, kann es auch heißen, dass sich jemand mit sehr guten Voraussetzungen (weiß, reich, ...) vielleicht auch mal anstrengen darf. Da ein wenig höher springen muss. Das halte ich für ok wie machbar wie sinnvoll, wenn wir die Bildungsreserve auch komplett nutzen wollen.



        M.D. , genau das gilt es zu umschiffen, z.B. indem man die Abschaffung schon bei der Einführung festlegt. Siehe dabei auch meinen Beitrag darüber.

    • Michaela Dudley , Autorin des Artikels, Journalistin/Kabarettistin
      @Janix:

      Die Dauerstütze wird wiederum etabliert, wenn man nicht rechtzeitig eingreift und das Ruder umreißt.

  • Chepeau, Frau Dudley. Gut beobachtet und mutig geschrieben. Wer die Wahrheit spricht braucht ein schnelles Pferd.

    • Michaela Dudley , Autorin des Artikels, Journalistin/Kabarettistin
      @Sybille Bergi:

      Ganz herzlichen Dank für das Kompliment und für den Tipp mit dem Pferd.

      Ich bleibe sattelfest.

      Die Resonanz schätze ich sehr.

  • Trump and his gang of washed-up thugs, crooks, psychopaths and bullies are an example of "meritocracy"? Yeah, sure.

    • Michaela Dudley , Autorin des Artikels, Journalistin/Kabarettistin
      @Ajuga:

      Wo habe ich das behauptet? Ich setze dezidiert auf eine differenzierte Betrachtung.

      Ich plädiere für eine menschliche Meritokratie. Diese Einstellung ist parteiübergreifend.

      • @Michaela Dudley:

        "Menschliche Meritokratie"? Was soll das sein außer einem Gummibegriff.

        Es geht hier darum, dass man Menschen wie sie es sind wieder legal diskriminieren darf. Wie kann man sich da noch irgendwelche Illusionen machen?

        • Michaela Dudley , Autorin des Artikels, Journalistin/Kabarettistin
          @Ajuga:

          Mit „legal diskriminieren“ wird was genau gemeint? Wählerisch zu sein? Wäre das schon bedenklich?

  • Natürlich gibt es in jeder Bewegung Auswüchse und Fehlentwicklungen, gerade die Linke kann sich wunderbar gegenseitig zerfleischen und sich über Nichtigkeiten heillos zerstreiten. So weit, so bekannt.



    Aber ist dann die Schlussfolgerung, dass man das "DEI"-Projekt einfach auf den Müllhaufen schmeißt und die Trumpianer, die ja nicht nur hier zurück in die Vergangenheit wollen, schalten und walten können wie sie wollen? Klar muss Leistung zählen, aber hierzu braucht es Chancengleichheit. Diese herzustellen ist immer noch wichtig und richtig. Die alten (in der Regel weißen) Eliten wollen den Status Quo und weniger, ein Leistungsbegriff der die Chancengleichheit ausspart kann am Ende nicht zur Befriedung des Diskurses und Entfaltung der Potentiale führen, sondern vertieft die Spaltung.

    • Michaela Dudley , Autorin des Artikels, Journalistin/Kabarettistin
      @Bambus05:

      Wer die DEI-Community kennt, müsste eigentlich zugeben, dass die „Dekolonialisierung“ und die Ausbreitung der Transferleistungen leider zu zentralen Ansprüchen geworden sind. Solche Ansichten sind kaum dazu geeignet, marginalisierten Menschen im Markt und in der Bildung nachhaltige Aufstiegschancen zu bescheren.

      • @Michaela Dudley:

        Transferleistungen sind - auch wenn Leistungsanbeter*innen das nicht verstehen (wollen) und lieber Porträts voller sozialer Hängematten zeichnen - die grundlegende Bedingung für Leistung und gesellschaftlichen Aufstieg (auch wenn Einzelne es ohne geschafft haben sollten).

      • @Michaela Dudley:

        Klingt sehr nach Neoliberalismus, Motto „Faule Berufsopfer werden auf Kosten der Allgemeinheit durchgefüttert“. Nicht dass es so ein Phänomen überhaupt nicht gibt, trotzdem sehe ich nicht, dass das ein Massenphänomen ist und damit die gesamte Bewegung diskreditiert, zumal ja der soziale Gürtel anderswo (etwa in den USA) noch deutlich enger geschnallt wird als hierzulande.

        • Michaela Dudley , Autorin des Artikels, Journalistin/Kabarettistin
          @Bambus05:

          Auch und gerade nichtfaule Opfer werden kreiert, wenn DEI-Ansätze die Bedürfnisse talentierter Anwärter:innen vernachlässigen.

      • @Michaela Dudley:

        "die [sic - die eine und einzige, oder was?] DEI-Community", Was habe ich mir darunter vorzustellen?

        So etwas wie die "Genderisten"-Verschwörung, die "Klimalügner", die "Coronadiktatur" oder das "ZOG"?

    • Michaela Dudley , Autorin des Artikels, Journalistin/Kabarettistin
      @Bambus05:

      Danke vielmals für das Feedback.

      Mein Punkt ist: DEI-Ansätze tragen oft dazu bei, die nachhaltige Chancengleichheit zu gefärhden. Die übermäßige Politisierung der von Vielfalt dient schließlich leider dazu, die Vergangenheit de facto fortzusetzen. Denn die pragmatischen Bedürfnisse der zu Beördernden werden vernachlässigt, während linkspopulistische Experimente betrieben werden.

      • @Michaela Dudley:

        Sie führen hier Begriffe ein, die eher abstrakt sind, was verstehen Sie unter „übermäßiger Politisierung“? Grundsätzlich gehört Vielfalt angesprochen und verteidigt, vor allem wenn eine Mehrheit oder Minderheit diese konterkariert oder sogar ihre Normen und Werte für allgemeinverbindlich erklären möchte (Stichwort „Leitkultur“) . Auch der zweite Teil ist erläuterungsbedürftig: die konkreten Bedürfnisse bleiben also außen vor, während linkspopulistische Experimente betrieben werden. Haben Sie da ein ein konkretes Beispiel für?

        • Michaela Dudley , Autorin des Artikels, Journalistin/Kabarettistin
          @Bambus05:

          Der beste Beleg dafür findet sich darin, dass die in meinem Artikel erwähnten Großunternehmen keinen nachweislichen Nettogewinn infolge ihrer teuren DEI-Initiativen wahrgenommen haben. Einige sogar meinen, (Image)verluste erlebt zu haben. Bezüglich ihrer Umentscheidung müssen sie keine Rechenschaft ablegen.

          Zudem werden etliche Firmen sowie auch öffentliche und private Bildungsinstitutionen zivilrechtlich verklagt, weil sie angeblich reverse discrimination betrieben hätten.

          In meinem Artikel sprach ich den Antisemitismus und den Tokenismus an, was die DEI-Verfehlungen betrifft.

          Erläuternde Links:

          aristotlefoundatio...e-and-unnecessary/

          hbr.org/2024/06/re...ndermine-diversity

      • @Michaela Dudley:

        "DEI-Ansätze tragen oft dazu bei, die nachhaltige Chancengleichheit zu gefärhden"

        Gibt es dazu belastbare Daten, oder ist das wieder so eine "gefühlte Wahrheit"?

  • Ich höre in diesem Beitrag vornehmlich Leistung als Ziel heraus. Das ist eine neoliberale Sicht und entspricht nicht den individuellen Fähigkeiten und Möglichkeiten. Wenn sie hier von persönliches Potenzial entfalten sprechen, dann Frage ich mich was sie damit meinen? Ist hier ein marktwirtschaftliches Potential gemeint? Oder das Potential Glücklich zu sein? Ist das ein Potential das irgendeine große Idee wieder "great" machen soll? Sie sehen schon für welches Lager ich mich entscheiden würde. Übrigens haben de facto weniger als die hälfte aller Amerikaner Trump gewählt. Viele Menschen sind ja nicht wahlberechtigt, müssen aber mit den Ergebnissen leben.

    • Michaela Dudley , Autorin des Artikels, Journalistin/Kabarettistin
      @llorenzo:

      In der modernen Gesellschaft, ob im Marktplatz oder in der Bildung, werden Kompetenzen eine wichtige Rolle denn je zuvor spielen. Während der demografische Wandel unaufhörlich stattfindet, werden demagogische Ansätze, ob von links oder rechts kommend, die politische Debatte stets deutlicher prägen.

      Um es klar zu machen: Inklusion und intersektionale (gegen Mehrfachdiskriminierung gerichtete) Maßnahmen sind und bleiben wichtige Ansätze, die unsere Gesellschaft beherzigen soll. Doch das bedeutet auch, dass schon zum nackten Überleben ein effektives Empowerment die Kultivierung von tauglichen Kompetenzen angestrebt werden muss.

      Wer als Leistungsträger:in und als Leistungsempfänger:in herangebildet wird, dürfte besser dastehen, wenn der Sozialstaat wegrationalisiert wird. Das ist nicht zynisch gemeint, wohl bemerkt.

      DEI-Ansätze bereiten kaum auf das kommende Paradigmenwechsel vor.

      • @Michaela Dudley:

        Nun, sie entwerfen ein Bild der Zukunft, die auf einer Form von Mangel beruht. Dagegen stellen sie Menschen, die sich einfach noch mehr abstrampeln müssen um eine Existenzgrundlage zu halten. Das irre ist ja, das dieser vermeintliche Mangel in einer Welt riesiger sozialer Unterschiede gedeiht. Es ist ein Mangel der durch Polarisierung entsteht. Das Geld, das die Leistungserbringer schaffen sollen geht wo hin? Es ist eine Ausbeuterische Erzählung und wird dem individuellen Menschen nicht mehr gerecht. Was sie Vorhersagen wird vielleicht teilweise eintreten. Aber es müsste nicht.

  • Heißt das, die kapitalistische Wachstumslogik ist dann okay, wenn jeweils die nächste Minderheit davon profitiert? Oder müsste man diese Logik abschaffen, um eine neue Diskussionsgrundlage zu schaffen?

    Mit Gruseln erinnere ich mich an die Erlösungsaufschreie, als plötzlich alle irgendwie alle anderen Heiraten durften. Sich der Mehrheit zugehörig fühlen zu wollen, die einen bisher immer ausgegrenzt oder gar unterdrückt hat, ist wahrscheinlich einfach im schlechtesten Sinne menschlich.

    • Michaela Dudley , Autorin des Artikels, Journalistin/Kabarettistin
      @Christian Clauser:

      Als Verfechterin der freien und auch fairen – das eine schließt das andere nicht aus – Marktwirtschaft, möchte ich lieber mehr Chancengleichheit bei der Teilhabe sehen. Mehr Teilhabe statt Transferleistungen.

      Ich bin grundsätzlich nicht gegen Quoten, und schon gar nicht gegen freiwillige Quoten. Aber solche Eingriffe müssen von Maßnahmen begleitet werden, die darauf zielen, die Entwicklung von markttauglichen Kompetenzen nachhaltig anzukurbeln.

      • @Michaela Dudley:

        Auf jeden Fall Respekt für den Dialog im eigenen Artikel.

        Ich sehe selbst Quoten teilweise kritisch. Aus ähnlichen Gründen allerdings: sie beheben nicht die Problem-Ursache, sondern können das Bestehende zementieren. Beispiel Frauenquote: Werden Unternehmen dadurch diverser oder werden einfach die Frauen selektiert, die das System stützen, während diejenigen, die patriarchale Strukturen infrage stellen, aussortiert werden?

        Geht denn freie Marktwirtschaft ohne Wachstumsideologie?

    • @Christian Clauser:

      Was genau fanden Sie daran zum "Gruseln"?

      Bei der hier vorliegenden Plänen der MAGA-GOP geht es übrigens ziemlich offensichtlich (und sie machen auf ihren Kanälen auch gar keinen Hehl daraus) um ein Rollback - um die Relegalisierung von Jim Crow clauses. Und nicht um "Meritokratie" oder "kapitalistische Wachstumslogik", die Frau Dudley und Sie aus welchen Gründen auch immer da reinlesen.

      Aber die "Wiederherstellung des Berufsbeamtentums" haben auch viele Menschen beklatscht bzw aus sachfremden Gründen kritisiert, die dann richtig doof aus der Wäsche schauten, als sie am Ende doch noch merkten, *worum* es da ging.



      Verblendete Selbsttäuschung ist nämlich definitiv "im schlechtesten Sinne menschlich".

      • Michaela Dudley , Autorin des Artikels, Journalistin/Kabarettistin
        @Ajuga:

        „ ... um die Relegalisierung von Jim Crow clauses [sic].“

        In den USA der 1960er Jahre wuchs ich während der Jim-Crow-Ära auf. Die rassifizierte Trennung von Weißen und Schwarzen war im wahrsten Sinne des Wortes Apartheid. Das ist ein Wort, das heute allerdings sehr inflationär verwendet wird.

        Mein Punkt ist immerhin, dass Diversity-Initiativen manchmal ihre ursprünglichen Ziele aus dem Auge verlieren und stattdessen zu einer Art ideologischen Reinheitsstreben werden können, welches Empowerment und Integration blockiert.

        Die Notwendigkeit der Antidiskriminierungsmaßnahmen stelle ich nicht infrage, sondern weise vielmehr darauf hin, dass diese sorgfältig gestaltet und umgesetzt werden müssen, um ihre positiven Auswirkungen zu maximieren und gleichzeitig die Gefahr von ideologischen Verengungen zu minimieren.

      • @Ajuga:

        Ja, es scheint in der Tat - zumindest teilweise - selbsttäuschend zu sein, anzunehmen, dass Menschen, die diskriminiert werden, dadurch automatisch zu besseren Menschen werden.

        Wenn wir aber bereits bei den Grundannahmen des Artikels nicht übereinkommen, bezweifle ich, dass Du es grundsätzlich für eine Chance hältst, Außenseiter zu sein.

        • @Christian Clauser:

          "Wenn wir aber bereits bei den Grundannahmen des Artikels nicht übereinkommen, bezweifle ich, dass Du es grundsätzlich für eine Chance hältst, Außenseiter zu sein."

          Es ist maximal eine situative Chance. Styliten haben aus ihrem Außenseiterdasein eine Lebenseinstellung gemacht. Aber wo gibt es heutzutage noch Styliten?

          Auch: Außenseiter SEIN aus zwangloser Eigenentscheidung ist eine Sache. Von der Ingroup zur Outgroup DEFINIERT werden, eine andere.

          Stigmatisierung als Randgruppe hat immer mehr Nachteile als Vorteile.



          Fragen sie mal die Roma, oder die Dalit, oder die Juden. Diese haben vermutlich die langjährigste Erfahrung, Außenseiter zu sein.

          Ich war zu dem Thema mal Zeuge einer interessanten Unterhaltung, auf der Chain of Craters Road, in dieser Nadelöhrkurve zwischen dem Makaopuhi und dem Pazifik. Da ging es um unterschiedliche Grade von Außenseitertum, es war etwas anstrengend obwohl ich nur zugehört hatte (weil ich nichts dazu beitragen konnte, denn obwohl ich technisch *der* Außenseiter in der Gruppe war, war ich mainstreamigste als alle anderen).



          Aber in Mitteleuropa kann man das alles leider nicht nachvollziehen, und noch nicht mal einfach und verständlich wiedergeben.

          • @Ajuga:

            Wie gesagt, meine Selbsttäuschung - also Hoffnung - wäre, dass man in der Rolle des Außenseiters erstens ein wenig Demut und Rücksicht lernt und zweitens eine Abneigung gegen den Mainstream entwickelt - so dass man selbst, wenn man einmal die Macht zur Diskriminierung bekommt, etwas resistenter gegenüber der Versuchung ist.



            Aber ausgebeutete Arbeiter hetzen gegen Flüchtlinge und Arbeitslose, Israelis wählen rechte Regierungen, Queere wünschen sich Steuervorteile und ich kann auch mal unreflektiert ein Arschloch sein. Nach unten treten verspricht den größten Erfolg. Letztlich alles nicht überraschend, aber kritisieren kann ich es trotzdem.

  • Ich bin begeistert von den Artikeln von Michaela Dudley, wie sie die Themen auf den Punkt bringt.

    • Michaela Dudley , Autorin des Artikels, Journalistin/Kabarettistin
      @Berliner_Kaepsele:

      Das freut mich sehr. Danke vielmals für die solidarische Resonanz. Medien sollen taz-sächlich als Plätze zum Gedankenaustausch dienen.