US-Wahl 2024: Vom Trump-Kritiker zum Running Mate
Donald Trump zieht mit seinem einstigen Gegner J. D. Vance in die US-Wahl im November. Der 39-Jährige ist sein Kandidat für die Vizepräsidentschaft.
„Nach langen Überlegungen und unter Berücksichtigung der enormen Talente vieler anderer bin ich zu dem Schluss gekommen, dass die Person, die am besten für die Position des Vizepräsidenten der Vereinigten Staaten geeignet ist, Senator J. D. Vance aus dem großartigen Staat Ohio ist“, schrieb Trump am Montag in einem Post auf seinem hauseigenen sozialen Netzwerk Truth Social.
Vance hat in den vergangenen Jahren eine persönliche und politische Transformation vollzogen. Aus dem ehemaligen Trump-Gegner wurde einer seiner größten Unterstützer. Er gehört zu seinen loyalsten Anhängern im US-Senat und hat auch Trumps Lüge über eine gestohlene Wahl im Jahr 2020 während der vergangenen Jahre mitgetragen und weiterverbreitet.
Laut einer E-Mail von Trumps Wahlkampfteam soll Vance die Kandidatur als Vizepräsident mit den folgenden Worten angenommen haben: „Herr Präsident, es wäre mir eine Ehre, Ihr Vizepräsident zu sein. Während Ihrer Amtszeit war Amerika am stärksten. Unsere Wirtschaft brummte, unsere Grenze war unter Kontrolle, unsere Städte waren sicher und wir wurden im Ausland respektiert. Als Ihr Vizepräsident werde ich Ihnen treu zur Seite stehen“.
Im Interview mit dem rechten Nachrichtensender Fox News erklärte er am späteren Abend, dass Trump ihn erst kurz vor der offiziellen Bekanntgabe angerufen habe, um ihm formell die Position als Vizepräsident anzubieten. Trump habe auch mit seinem siebenjährigen Sohn gesprochen. „Es war ein Moment, den ich niemals vergessen werde.“ Am Mittwoch will Vance auf dem Parteitag der Republikaner eine Rede halten.
Biden: „Ein Klon von Trump“
US-Präsident Joe Biden hielt sich in seinen Aussagen bedeckt und erklärte gegenüber Journalisten nur, dass Vance in seinen politischen Ansichten „ein Klon von Trump“ sei. Er sehe keinen Unterschied.
Mit der Wahl des Vizepräsidenten versuchen Kandidaten oftmals, eigene Schwächen zu kaschieren oder bestimmte Wählergruppen zu erreichen. Die Ernennung von Mike Pence zum Vizepräsidentschaftskandidaten vor seinem ersten Wahlsieg 2016 diente dazu, die christlich-konservativen Wähler im Land anzusprechen.
Mit J. D. Vance hat Trump dagegen jemanden ausgewählt, der dieselben Wähler anzieht wie er selbst. Mit seiner Klon-Aussage hat Biden daher nicht unrecht. Vance ist Teil der neuen Rechten, gemeint sind damit populistische Politiker mit konservativen Werten. Er ist für breit angelegte Einfuhrzölle, gegen militärische Interventionen der USA, vor allem in der Ukraine, und gegen Kürzungen des amerikanischen Sozialversicherungssystems.
Beim Thema Abtreibung hat Vance, der selbst Abtreibungen nicht befürwortet, seine Ansichten etwas gelockert. Nachdem mehrere US-Bundesstaaten, darunter auch Ohio, in den vergangenen Jahren für ein gesetzliches Recht auf Abtreibung gestimmt haben, erklärte er gegenüber CNN, dass Republikaner akzeptieren müssten, dass die Menschen kein „landesweites Abtreibungsverbot wollen“.
Vance, der zusammen mit seiner Frau drei Kinder hat, schreckt auch nicht davor zurück, in „Kulturkampf“-Fragen seinen konservativen rechten Standpunkt zu vertreten. Er hat unter anderem einen Gesetzentwurf zum Verbot von Geschlechtsumwandlungen für Jugendliche erlassen sowie einen Entwurf zur Abschaffung von Vielfältigkeitsprogrammen in der Bundesregierung.
Es sind Ansichten, die auch Trump und andere zur MAGA-Bewegung (Make America Great Again) gehörende Politiker vertreten. Im Gegensatz zu Trump hat Vance allerdings im US-Militär gedient. Von 2003 bis 2007 war er Soldat im amerikanischen Marine Corps, inklusive Auslandseinsatz im Irak.
Vance sprach von „Amerikas Hitler“
Vance, der nach seiner Zeit im Militär an der Yale University Jura studiert hatte, machte sich zunächst als Buchautor einen Namen. Mit Hillbilly Elegy schrieb Vance im Jahr 2016 einen Bestseller. Im Buch geht es um seine Familie und die Kultur der Appalachen, einer Region im Osten der USA, die in den vergangenen Jahrzehnten schwere wirtschaftliche Zeiten durchlaufen hat.
Zur selben Zeit gab Vance auch mehrere kritische Aussagen bezüglich Trump von sich. „Ich bin ein Trump-Gegner, ich habe ihn noch nie gemocht“, sagte Vance 2016 in einem Interview mit Charlie Rose. Er fügte hinzu, dass Trump ein „fürchterlicher Kandidat“ sei. Und als ob das nicht genug wäre, wurden auch SMS-Nachrichten veröffentlicht, in denen Vance einen ehemaligen Mitbewohner fragt, ob Trump ein „zynisches Arschloch“ wie der in Ungnade gefallene Ex-US-Präsident Richard Nixon sei oder sogar noch schlimmer, nämlich „Amerikas Hitler“.
Vance erklärte in mehreren Interviews während der vergangenen Jahre, dass er seine früheren Aussagen über Trump bereue. Seine Beziehung zu Trump verbesserte sich erst 2022, als Vance für den US-Senat kandidierte. Er verstand, dass viele Menschen in Ohio den Ex-Präsidenten unterstützen. In dem Bundesstaat hatte Trump sowohl 2016 als auch 2020 gewonnen. Die Senatswahl gewann Vance schließlich auch dank Trumps Unterstützung.
Kritik von den Demokraten
Demokraten haben derweil die Wahl von Vance als Trumps Vizepräsidentschaftskandidat kritisiert. „Lassen Sie uns eins klarstellen: Ein Trump-Vance-Ticket würde unsere Demokratie, unsere Freiheiten und unsere Zukunft untergraben“, sagte der Vorsitzende des demokratischen Nationalkomitees Jamie Harrison.
Die Vorsitzende von Bidens Wahlkampfteam, Jen O’Malley Dillon, fügte hinzu: „Donald Trump hat J. D. Vance als seinen Vizekandidaten ausgewählt, weil Vance das tun wird, was Mike Pence am 6. Januar nicht getan hat: sich verbiegen, um Trump und seine extreme MAGA-Agenda zu unterstützen, selbst wenn dies bedeutet, das Gesetz zu brechen.“
Nach dem Attentat auf Trump am Samstag schrieb Vance in einem Post, dass Demokraten und Präsident Biden aufgrund ihrer Äußerungen über Trump eine direkte Schuld an dem Anschlag trügen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Verkauf von E-Autos
Die Antriebswende braucht mehr Schwung
Zuschuss zum Führerschein?
Wenn Freiheit vier Räder braucht
Warnstreiks bei VW
Der Vorstand ist schuld
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP
Die HTS in Syrien
Vom Islamismus zur führenden Rebellengruppe