US-Präsidentschaftswahl 2024: Alle gegen die Bidens
US-Präsidenten-Sohn Hunter Biden muss wegen Waffenbesitzes vor Gericht. Die Republikaner wollen ein Amtsenthebungsverfahren gegen Joe Biden.
Die Anklage gegen Hunter Biden
Noch am Dienstag musste der 53-jährige Sohn des US-Präsidenten Joe Biden zur Anklageverlesung vor dem vom US-Justizministerium eingesetzten Sonderermittler David C. Weiss in Wilmington in Delaware erscheinen, dem Heimatstaat der Bidens. Anklagepunkt 1: Hunter Biden habe im Oktober 2018 eine Schusswaffe erworben, obwohl er das als zu diesem Zeitpunkt aktiver Drogennutzer nicht durfte.
Anklagepunkt 2: Er habe den Waffenhändler über diesen Umstand belogen. Anklagepunkt 3: Er habe die Waffe, einen Revolver der Marke Colt, daraufhin unrechtmäßig besessen. Rein theoretisch könnte ein Schuldspruch in allen drei Punkten eine Freiheitsstrafe von bis zu 25 Jahren Gefängnis und eine Geldstrafe von bis zu 750.000 US-Dollar nach sich ziehen.
Allerdings besaß Hunter Biden, der damals süchtiger Crack-Raucher war und zudem heftig Alkohol trank, die Waffe nicht einmal zwei Wochen lang – dann fand Hallie Biden, Witwe von Hunters verstorbenem Bruder Beau, den Revolver und warf ihn in den Müll, weil sie Angst hatte, er würde sich etwas antun wollen. Hunter Biden hat die Waffe nicht ein einziges Mal benutzt.
Eigentlich hatte David C. Weiss, damals noch einfach ermittelnder Staatsanwalt in Delaware, bereits im Juni einen Deal mit Hunter Biden vereinbart: Zwei weitere Anklagen wegen Steuervergehen würden fallengelassen, Hunter Biden würde sich des illegalen Waffenkaufs und -besitzes schuldig bekennen, seinen damaligen Drogenkonsum eingestehen und nie wieder eine Schusswaffe erwerben. Dafür würde das Verfahren eingestellt. Auf republikanischer Seite führte der Plan zu einem großen Aufschrei – hier werde offensichtlich mit zweierlei Maß gemessen, um den Präsidenten zu schonen.
Im Juli erklärte die zuständige Bundesrichterin sich nicht einverstanden mit dieser Vereinbarung – sie werde einen solchen Blankoscheck nicht ausstellen.
Im August schließlich sieht sich auch US-Justizminister Merrick Garland unter Druck und befördert David C. Weiss zum US-Sonderermittler in der Sache Hunter Biden. Weiss erklärt wenig später, Hunter Biden in der Schusswaffensache anzuklagen. Die Forderung von Bidens Anwälten, der Anklageverlesung per Videoschalte beiwohnen zu dürfen, wird abgelehnt. Hunter Biden ist seit 2019 clean.
Das Amtsenthebungsverfahren gegen Joe Biden
Ein ganz anderes Thema, aber dennoch untrennbar damit verwoben, sind die Bemühungen der Republikaner*innen im US-Repräsentantenhaus, vergangenes Fehlverhalten Hunter Bidens auch zum Gegenstand eines Amtsenthebungsverfahrens, „Impeachment“, gegen den Präsidenten Joe Biden zu machen. Im Kern steht der – bislang durch nichts belegte – Vorwurf, Joe Biden habe als Vizepräsident unter Barack Obama (2009–2017) die internationalen Geschäfte seines Sohnes Hunter insbesondere in der Ukraine und in China gefördert und auch persönlich davon profitiert.
Im gleichen Zusammenhang stand auch jenes Telefongespräch, das später US-Präsident Donald Trump mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenski führte, in dem er ihn dazu aufforderte, ihm Informationen über mögliche illegale Geschäfte Hunter Bidens zu beschaffen, die ihm im Wahlkampf 2020 gegen seinen Herausforderer Joe Biden behilflich sein könnten. Der Anruf führte zum ersten Amtsenthebungsverfahren gegen Donald Trump, das schließlich im Senat scheiterte.
Bislang hat der republikanische Sprecher des Repräsentantenhauses, Kevin McCarthy, lediglich drei Ausschüsse aufgefordert, im Hinblick auf ein mögliches Impeachmentverfahren mit entsprechenden Untersuchungen zu beginnen. Es gehe nur darum, Informationen zu bekommen, sagte McCarthy. Dazu könnten auch Informationen über jenen Laptop gehören, den ein Mann, der sich als Hunter Biden identifizierte, 2019 bei einem Computerreparaturgeschäft in Wilmington abgegeben haben soll – mit der Bitte, Daten des defekten Gerätes zu retten – um sie dann aber nie abzuholen.
Der Inhaber, ein Trump-Anhänger, sichtete schließlich die Daten, befand sie für höchstsensibel und informierte das FBI. Als sich da nichts tat, schickte er eine Kopie an Trumps damaligen Anwalt Rudy Giuliani, der sie schließlich dem konservativen Murdoch-Blatt New York Post zuspielte, was daraus eine Skandalveröffentlichung machte. Über die Authentizität des Laptops und den genauen Inhalt der Daten herrscht jedoch bis heute Unsicherheit.
Am Donnerstag dieser Woche wollen die Repulikaner*innen weitere Erklärungen zum geplanten Impeachmentverfahren bekanntgeben.Rein rechtlich betrachtet, ist das Verfahren eigentlich unzulässig, weil die in der Verfassung verankerte Möglichkeit einer Amtsenthebung des Präsidenten sich auf Fälle von „Verrat, Bestechung, Schwerstkriminalität und andere Vergehen“ während der Amtsausübung bezieht. Alle Vorwürfe gegen Joe Biden beziehen sich auf mutmaßliche Vergehen Jahre vor seinem Amtsantritt im Januar 2021. Politisch ist das Verfahren ohnehin angesichts einer demokratischen Mehrheit im Senat zum Scheitern verurteilt.
Und so ist es wahrscheinlich richtig, zwei Motive hinter dem Schritt zu vermuten: Angesichts von vier laufenden Strafverfahren gegen den Ex-Präsidenten und fast sicheren Erneut-Kandidaten Donald Trump eine Art False Balance aufzumachen: „Seht her, der andere ist auch nicht besser.“ Das ist zwar, zumindest derzeit, nicht durch die Fakten gedeckt, kann aber im öffentlichen Diskurs funktionieren. Und zweitens versucht McCarthy auch, den ultrarechten Flügel seiner eigenen Fraktion einzufangen.
Denn gerade in dieser Woche muss im Haushaltsstreit eine Lösung her, um eine Schließung der Bundesbehörden aufgrund von Zahlungsunfähigkeit aufzuhalten. Und die republikanischen Hardliner zeigen sich bislang nicht gewillt, auch nur einer Übergangslösung zuzustimmen. McCarthys Hoffnung, dass seine eigene Zustimmung zum Biden-Impeachment ihnen Zugeständnisse abnötigen könnte, scheint sich bisher nicht zu bewahrheiten.
Unklar ist allerdings, ob es im Repräsentantenhaus überhaupt jemals zu einer Abstimmung über das Impeachment kommen wird. Wenn McCarthy sich womöglich aufgrund der allzu dünnen Faktenlage nicht einmal der geschlossenen Stimmen seiner eigenen Fraktion sicher sein kann, könnte das Verfahren schnell wieder vorbei sein.
Joe Biden, der alte, ungeliebte Präsident
Aber Präsident Joe Biden, 80, hat auch jenseits der rechtlichen Schwierigkeiten seines Sohnes massive Probleme. Bei liberalen Kolumnist*innen und in Umfragen werden die Forderungen immer lauter, Biden möge darauf verzichten, im November kommenden Jahres zur Wiederwahl anzutreten und den Platz für Jüngere freimachen. Laut einer am Wochenende veröffentlichten repräsentativen Umfrage, die von ABC News und der Washington Post in Auftrag gegeben worden war, sagen nur ganze 33 Prozent der möglichen demokratischen Wähler*innen, sie wünschten sich Biden als Kandidaten, 62 Prozent hingegen würden jemand anderes bevorzugen. Das ist bitter angesichts eines Herausforderers, der mit fast völliger Sicherheit Donald Trump heißen wird und den immerhin 54 Prozent der republikanischen Wähler*innenschaft für den Richtigen halten.
Dabei ist es nicht nur die Angst, dass Biden die Strapazen des Wahlkampfes gesundheitlich nicht gut überstehen würde, geschweige denn vier weitere Jahre im Amt. Falls Biden ausfallen würde, müsste nämlich Vizepräsidentin Kamala Harris übernehmen, die in der bisherigen Amtszeit durch vollkommene Profillosigkeit auffiel. Nein, auch in den wichtigsten abgefragten Politikfeldern stellen die Wähler*innen Joe Biden schlechte Noten aus: 56 Prozent der Befragten sind insgesamt mit seiner Amtsführung unzufrieden, 64 Prozent lehnen seine Wirtschaftspolitik ab, 62 Prozent halten seine Migrationspolitik für falsch.
Nur 15 Prozent der Wähler*innen geben an, ihnen gehe es heute finanziell besser als zu Bidens Amtsantritt, 44 Prozent sagen, es gehe ihnen schlechter. Gleichzeitig gehen im Nachhinein die Zustimmungsraten zu Trumps Amtsführung langsam in die Höhe, und im nationalen Vergleich der Wahlpräferenz schafft es Trump in der ABC/Washington Post-Umfrage auf einen nie gesehenen Vorsprung gegenüber Biden von 51 zu 42 Prozent.
Die Chance allerdings, wenige Monate vor Beginn der Vorwahlen im Januar noch den Hauptkandidaten auszutauschen, scheint denkbar gering. Unter normalen Umständen ist der Amtsinhaberbonus ein unschätzbarer Vorteil gegenüber jedem Herausforderer: Nur viermal in den letzten 100 Jahren wurde ein amtierender Präsident nicht zu einer zweiten Amtszeit gewählt, und davon war nur einer, Jimmy Carter 1980, Demokrat.
Kein Wunder also, dass sich trotz allen Grummelns kein einziger aussichtsreicher Herausforderer fand, um innerparteilich gegen Biden anzutreten. Auch Kaliforniens demokratischer Gouverneur Gavin Newsom, dem eigentlich alle Beobachter*innen Ambitionen auf das Weiße Haus unterstellen, die er selbst auch in einem jüngsten Interview mit 60Minutes nicht wirklich dementierte, hebt sich seine Kandidatur aus gutem Grund für 2028 auf. Da könnten weder Biden noch Trump zur Wiederwahl antreten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Schwedens Energiepolitik
Blind für die Gefahren