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UN-Verhandlungen in New YorkNeue Ära globaler Steuerpolitik

Bisher haben die Industrieländer den Ton bei den globalen Steuern angegeben. Nun wollen die Vereinten Nationen Regeln für Multis verhandeln.

Google-Verwaltungsgebäude im Zentrum von Dublin Foto: Artur Widak/picture alliance

Berlin taz | Zum ersten Mal verhandeln noch bis Ende der Woche alle Mitglieder der Vereinten Nationen in New York gemeinsam ein globales Steuerregime unter dem Dach der UN. Bislang lag die Gestaltung bei der OECD, der Organisation der Industriestaaten.

In nur zwei Jahren sollen drei rechtlich bindende Abkommen fertig ausgehandelt sein: die UN-Rahmenkonvention und zwei Zusatzprotokolle – zur Besteuerung von Digitalkonzernen und zur Beilegung von Steuerstreitigkeiten. Die internationalen Regeln sollen Staaten eine progressive Besteuerung ermöglichen, mehr Transparenz schaffen und die Kooperation von Steuerbehörden verbessern, um Steuervermeidung und illegale Finanztransfers zu minimieren.

Eine zentrale Forderung von Entwicklungsländern – die den Prozess angestoßen haben – ist, dass Unternehmen dort Steuern zahlen, wo sie Gewinne erwirtschaften. Nicht, wo ihre Zentralen sind. Auch die Besteuerung von Überreichen und klimaschädlichen Industrien steht auf der Agenda.

Während viele Länder des Globalen Südens neue Regeln schaffen wollen, bemüht sich der Globale Norden, die OECD-Regeln zu erhalten. Etwa die globale Mindeststeuer, die 2021 ins Leben gerufen wurde. 140 Länder schlossen sich an, die EU hat die Umsetzung in nationales Gesetz bis 2023 vorgeschrieben, Deutschland hat das auch getan. Ende Juni kündigten die G7-Staaten jedoch einen Deal mit den USA an, wonach diese von den OECD-Regeln ausgenommen werden sollen. Das sollte die Initiative retten, hat aber eher ihr Scheitern besiegelt.

Reichen 15 Prozent?

Viele Entwicklungsländer sehen gerade darin das Problem. Denn in der OECD sitzen sie nicht mit am Tisch. Außerdem halten sie den vorgesehenen Steuersatz von 15 Prozent bei der globalen Mindeststeuer für zu niedrig. Das größte Problem ist jedoch die Reihenfolge, wo multinationale Konzerne besteuert werden dürfen: erst in den Steueroasen, wo die Firmen registriert sind, dann in ihren Heimatländern und zuletzt dort, wo sie wirtschaftlich tätig sind – und das sind eher die Entwicklungsländer.

Die globale Mindeststeuer wirke, weil sie Steueroasen zwingt, ihren Steuersatz zu erhöhen, sagt Christoph Trautvetter von der Zivilorganisation Netzwerk Steuergerechtigkeit. Irland verlange jetzt beispielsweise 15 Prozent statt wie früher 12,5 oder faktisch oft eher 0 Prozent. Und auch die Bermudas und die Vereinigten Arabischen Emirate führen diesen Steuersatz ein. „Aber es reicht nicht, wenn Microsoft in Irland 15 Prozent Steuern zahlt, sie sollen diese Steuern hier in Deutschland zahlen – da, wo die Gewinne auch herkommen“, sagt Trautvetter. Besonders Entwicklungsländer gingen im aktuellen System leer aus. Die Reihenfolge, wer wann Zugriff hat, könne ohne Weiteres geändert werden. „Für die jetzige Lösung spricht der politische Anreiz: Sie zwingt die Steueroasen mitzumachen. Für den Heimatstaat des Unternehmens spricht, dass es am leichtesten zu verwalten ist. Dem Quellenstaat, also dort, wo Unternehmen wirtschaftlich tätig sind, Vorrang einzuräumen, ist kompliziert und politisch heikel, aber das gerechteste.“ Trautvetter findet darüber hinaus auch, dass der Mindeststeuersatz wenigstens 25 Prozent betragen müsse und dass es bei den jetzigen Regeln zu viele Ausnahmen gibt.

Sündenfall Digitalsteuer

„Ideal wäre es, das aktuelle System der OECD zu ersetzen und mit einer einfachen formelhaften Aufteilung der Gewinne und Übergewinne zusätzlich höher zu besteuern“, so der Steuerexperte. Überall, wo Konzerne Gewinne machen, weil etwa Menschen ihre Dienste im Internet nutzen, würden sie dann Abgaben zahlen – berechnet am jeweiligen Anteil der Nutzenden.

Bis dahin sei es aber sinnvoll, schrittweise vorzugehen und auf den OECD-Regeln aufzubauen, meint Trautvetter. Dazu gehört auch die Digitalsteuer, die ebenso Teil der OECD-Initiative war. Allerdings sollten die Regeln erst angewandt werden, wenn Länder mit insgesamt 60 Prozent der betroffenen Unternehmen mitmachten. Die meisten Digitalkonzerne sitzen aber in den USA, die also blockieren können – und das auch schon unter Ex-Präsident Joe Biden getan haben. Die USA haben auch die UN-Steuerkonvention bereits verlassen.

Die EU und auch Deutschland haben sich nach anfänglicher Blockade auf den Prozess eingelassen. Ein Sprecher des Finanzministeriums sagte der taz, die Bundesregierung wolle sich „konstruktiv“ einbringen: „Sie unterstützt das Ziel, eine inklusivere Beteiligung aller Staaten an globalen Steuerprozessen zu ermöglichen.“ Zugleich heißt es, es solle „keine parallelen Strukturen zu bestehenden Foren“ wie der OECD geben.

Trautvetter sieht den Prozess als Chance, die OECD-Initiative zu verbessern. Hier könne der notwendige Druck gegen die USA aufgebaut werden. „Das Bewusstsein ist da in der Politik, dass es aktuell unfair ist. Aber die Europäische Union und andere fürchten Repressionen von den USA, wenn sie die Mindeststeuer oder Digitalsteuer gegen sie durchsetzen.“ Deshalb brauche es eine breite Allianz, „die hoffentlich in der UN in New York entsteht“, sagt Trautvetter.

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