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UN-Resolution zu IS-RückkehrernDas US-Veto war richtig

Gastkommentar von Nawras Haki

Das Veto der USA gegen die UN-Resolution zur Rückkehr von IS-Kämpfern war gut. Europa muss sich selbst um seine ungeliebten Bürger kümmern.

28. März 2019, Frauen im Lager Al Hol in Nordsyrien, in dem Familienangehörige von IS-Kämpfern leben Foto: Delil Souleiman/afp

S eit der sogenannte Islamische Staat besiegt ist, wird das Schicksal ausländischer IS-Kämpfer, die in Syrien oder dem Irak gefangen genommen wurden, kontrovers diskutiert. Auch der UN-Sicherheitsrat ist am Montag daran gescheitert, eine Lösung zu finden: Die USA hatten ihr Veto gegen eine Resolution des Sicherheitsrats bezüglich ausländischer IS-Kämpfer eingelegt. Die Abstimmung vertieft die Spaltung zwischen Europa und den USA – doch die USA haben richtig entschieden: Was die Anstrengungen gegen den Terrorismus betrifft, stehen sie auf der richtigen Seite der Geschichte. Zugleich wurden die halbgaren Lösungen und die Scheinheiligkeit der Europäer offenbar.

Denn die Resolution forderte die strafrechtliche Verfolgung, Bestrafung und Wiedereingliederung von Rückkehrern aus Terrorgebieten. Klingt gut? Nein. Europäische Bürger, die für den IS gekämpft haben, kommen in Syrien oder im Irak vor Gericht, nicht in Europa. Beide Länder aber haben keine stabile, faire Justiz, auch wenn im Irak die Situation etwas besser ist als in Syrien. Und: Straftäter werden meistens dort reintegriert, wo sie einmal integriert waren. Nur so funktioniert das Konzept.

Doch ein französischer Radikaler, der sein Leben lang in Frankreich lebte und vom Islam fantasierte, dann während des Kriegs in Syrien dorthin zog, um seine Fantasien auszuleben – wo sollte er reintegriert werden? In Aleppo oder in seinem Heimatland Frankreich? Die USA haben Recht, wenn sie sagen, dass jedes Land seine Bürger zurücknehmen solle. Sie sprachen ihr Veto aus, weil das Wort „Rückführung“ nicht einmal in der Resolution vorkam. Die Europäer wollen ihrer Verantwortung entgehen, sie wollen, dass diese Kämpfer bleiben, wo sie sind.

Die Lust, jene Gefangenen zurückzuholen dürfte überall recht gering sein. Man fürchtet, die Bevölkerung zu verärgern, einen Terroranschlag zu riskieren, irgendetwas könnte ja schief gehen. Außerdem haben europäische Staaten Schwierigkeiten, Beweise zu finden, mit denen sich IS-Kämpfer vor einem europäischen Gericht verurteilen ließen. Jedes Land hofft wohl, dass jene Kämpfer auf irgendeine Weise verschwinden, sei es durch Pseudo-Gerichtsverhandlungen oder durch einen schnellen Tod.

Nawras Haki

35, ist Journalist und Toninge­nieur. Er ist in Damaskus geboren und lebt in Berlin.

Die Abstimmung im Sicherheitsrat zeigt, dass europäische Staaten dafür sogar mit arabischen Diktatoren zusammenstehen. Nur damit die eigenen ungeliebten Bürger im zerstörten Syrien oder im schwachen Irak bleiben. Syrien und der Irak haben in den letzten Jahren sehr gelitten – an Stellvertreterkriegen, einem Maximum an Gewalt, an allen Waffen, die die Welt kennt. Diese Länder haben es nicht verdient, sich auch noch um Probleme anderer kümmern zu müssen. Sie haben selbst genug davon.

Nicht zuletzt gilt es auch an die Kinder und Frauen der ehemaligen IS-Kämpfer zu denken, die wegen der Taten ihres Vaters oder Mannes feststecken in der syrisch-irakischen Wüste.

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18 Kommentare

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  • 9G
    90564 (Profil gelöscht)

    wenn die falschen aus den falschen gründen das richtige tun, dass sich gegen flüchtlinge abgeschottete europa möchte sein klerikalfaschismus-problem gerne in nahost entsorgen, nachdem es schon erfolgreich täter und waffen dorthin exportiert hat und sich selbst als "links" wähnende klatschen beifall bzw empören sich über die fiesen usa, lassen wir die kurd!nnen, die syrer!nnen und die iraker!nnen doch mit "unseren" dschihadisten einfach alleine, die haben ja sonst keine probleme

  • Straftäter sollten vorzugsweise am Ort des Geschehens abgeurteilt und bestraft werden.

    Konsularischer Schutz und eine spätere Reintegration stehen auf einem anderen Blatt Papier. Also sollte doch erste einmal die Strafe in Syrien / Irak abgesessen werden, bevor wir über eine Rückkehr nachdenken.

    Wenn hier ein Syrer irgendeinen Mist begeht, dann strafen wir ihn ja auch erst mal ab und denken dann erst über eine Abschiebung nach.

  • RS
    Ria Sauter

    Was war an der USAentscheidung richtig?



    Manchmal erstaunt mich die Naivität einiger Tazschreiber!



    Das sind nicht die unschuldigen,braven Hausfrauen!



    Lasst sie bloss dort und auch dort verurteilt werden.

    • @Ria Sauter:

      Es sind deutsche Staatsbürger. Sie wurden also überwiegend hier sozialisiert. Nicht andere Staaten sollten sich um unsere (kriminellen) Idioten kümmern müssen, sondern wir. Es geht nicht darum, sie zu schützen, sondern Verantwortung zu übernehmen.

  • Der letzte Satz hat den ansonsten guten Artikel gekillt, indem mal wieder der Mythos der unschuldigen Frauen beschworen wird. Frauen, die zum IS gegangen sind und dort Kämpfer geheiratet haben, sind zumindest Mittäterinnen und genauso Mitglieder der terroristischen Vereinigung.

  • Wie wäre es damit: Jeder sollte in dem Land in dem er ein Verbrechen verübt hat zur Rechenschaft gezogen werden. Wenn ich in Frankreich ein Baguette klaue werde ich auch nicht in D dafür zur Rechenschaft gezogen.

  • Die gängige juristische Praxis in ALLEN Fällen, in denen ein Bürger eines Landes in einem anderen Land ein Verbrechen begeht, ist ganz einfach. Und das Gegenteil dessen, was Autor vertritt: Der Prozess findet an dem Gericht statt, das für den Tatort zuständig ist, und der Täter büßt bei Verurteilung seine Strafe in einem vom Gericht angeordneten Ort ab.



    Was wir also erleben ist, dass die USA für diesen Fall das ablehnen, was in allen Fällen gängige Rechtspraxis ist.



    Besonders pikant ist dieses Verhalten, weil es ohne die USA den IS nie gegeben hätte, und Ableger bzw. Untergruppen des IS von den USA finanziert und ausgerüstet wurden.



    Oder anders gesagt: Das Verhalten der USA in diesem Kontext ist - wie meist in den letzten Jahren - völlig neben der Spur.

  • Die Beweggründe zum Veto waren rein geopolitischer Natur. Die USA als destabilisierende Macht im Nahen Osten und in Europa macht nichts richtig.

  • Dass europäische Staaten sogar mit arabischen Diktatoren zusammenstehen ist nun wirklich Old News. Sie gehören ja zu den Premiumkunden für deutsches Kriegsmaterial. Geld macht alles möglich und ist im Zweifel immer wichtiger als Moral.

    Aber zum Wort "Rückführung" - es bedeutet natürlich im Klartext "Abschiebung".

    Länder, in die eigentlich abgeschoben werden soll, haben viele Möglichkeiten, Abschiebungen zu verzögern oder zu verhindern. Die einfachste Variante ist, zu leugnen, dass es sich wirklich um eigene Staatsbürger handelt. Wenn das zu offensichtlich ist, dann verzögert man eben die Bürokratie, etwa wenn es um die Ausstellung von Reisepässen geht. Das kann schon mal dauern. Und ab und zu geht irgendein Dokument bedauerlicherweise verloren und der bürokratische Prozess geht noch einmal ganz von vorne los.

    Deutschland wäre mit solchen Praktiken in guter Gesellschaft mit vielen anderen Ländern, die straffällig gewordene Bürger nicht so gerne zurückreisen lassen wollen.

  • wer ausgewandert ist, ist ausgewandert. Warum sollten diese Menschen unser Problem sein... Wenn einer nach den USA, England oder Australien auswandert und nach 10 Jahren krank oder arbeitslos wird, den holen wir ja auch nicht zurück.

    • @danny schneider:

      Aber wenn diese Länder die Person abschieben, wegen Mittellosigkeit oder Straftaten, dann muss Deutschland die eben zurücknehmen.

  • Fairness für die IS-Terroristen? Das klingt edel.

    Doch wie schaut es aus mit Fairness den Opfern gegenüber? Fairness den Opfern gegenüber würde bedeuten, erst einmal herauszufinden, wie viele es wo davon gibt. Und das findet man am besten heraus, wenn man sich an den Ort des Geschehens begibt und die Wege der IS-Terroristen, die einen deutschen Pass besitzen, nachzuvollziehen versucht.

    Jahr für Jahr, Monat für Monat, Stunde für Stunde müssen die Wege der Terroristen rekonstruiert werden. IS-Mitglieder sind als Mitglieder einer terroristischen Vereinigung definiert. Terroristen. Also, was haben diese Terroristen getan?

    Dafür müssen dort Opfer und Zeugen gesucht und befragt werden. Zig- oder Hunderttausende.

    Selbst dort schon eine ungeheuer aufwändige Arbeit.

    Hier niemals möglich.

    Und ein dilettantisch geführter Prozess wäre unfair den Opfern gegenüber, vielen Tausend ermordeter Menschen, vielen Tausend vergewaltigter Frauen, getöteter Kinder, ausgeraubter Dörfer und Städte.

    Nein, so funktioniert das nicht.

    Langfristig kann die Zahl der begangenen Verbrechen des IS nicht allein von dezentral ermittelnden Staaten bewältigt werden. Deshalb ist die Einrichtung eines IS-Straftribunals erstrebenswert. So wie hier die Nürnberger Prozesse nach den Nazi-Verbrechen installiert wurden.

    Im übrigen flohen viele Menschen aus den IS-terrorisierten Ländern nach Deutschland. Sollen sie hier den Tätern wieder begegnen?

    Man denke nur an die Jesiden, besonders die Frauen. Systematische Vergewaltigung als Kriegsmittel. Die jesidische Religion und Kultur sollte vernichtet werden.

    Allein die Verbrechen des an den Jesiden werden bereits als Völkermord gewertet. Verbrechen gegen die Menschlichkeit sollten tatsächlich einen adäquaten Prozess erfahren.

    Und das ist nur über einen Internationalen Strafgerichtshof vor Ort möglich.

    • 0G
      02612 (Profil gelöscht)
      @shantivanille:

      ...erstmal Terrorist definieren ...



      In China ist zum Beispiel einaktiver Demokrat ein Terrorist...

  • [...] Beitrag entfernt. Bitte beachten Sie die Netiquette. Vielen Dank! Die Moderation

  • 8G
    83379 (Profil gelöscht)

    Zum einen waren viele Frauen involviert das sind nicht die unschuldigen Hausfrauen als die sie sich geben. Die haben das System mit Spionage, Propaganda und Logistik kräftig unterstützt.



    Darüber hinaus hat der IS die meisten Verbrechen vor Ort begangen die Völker der Region haben deshalb auch Anspruch Gerechtigkeit zu erfahren.



    Mein Vorschlag Europa bezahlt die Prozesse, europäische Richter führen sie aber nach Irakischem Recht im Irak.

  • "Europäische Bürger, die für den IS gekämpft haben, kommen in Syrien oder im Irak vor Gericht, nicht in Europa."

    Also soll ich am besten, wenn ich demnächst in Spanien oder in den USA jemanden umbringe, nicht dort vor Gericht gestellt werden, sondern in meinem Heimatland? Erinnert etwas an das Mittelalter, als Bürger nur in ihrer Heimatstadt vor Gericht gestellt werden durften, aber nicht in anderen Städten.