UN-Organisation IMO über Schifffahrt: Klimaneutral bis etwa 2050
Schifffahrtsverbände haben sich verpflichtet: Keine CO2-Emissionen mehr bis 2050. Nun folgt die UN-Organisation IMO mit einem Beschluss.
Außerdem sieht der neue Klimaschutz-Fahrplan der IMO einen Preis für den Ausstoß von Treibhausgasen wie CO2 ab 2027 und globale Standards für klimafreundliche Treibstoffe vor.
Die IMO ist eine Sonderorganisation der Vereinten Nationen und setzt weltweit verbindliche Regeln für die Schifffahrt. Die bisherige Klimastrategie der IMO sah bis 2050 nur ein 50-Prozent-Ziel vor. Klimaneutralität des Sektors wurde erst zum Ende des Jahrhunderts angestrebt.
Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) sprach von einem „großen Tag für das Klima und die Seeschifffahrt“. Der Londoner IMO-Beschluss sei „insbesondere mit Blick auf die diversen nationalen Interessen ein Riesenerfolg, der auch auf den Einsatz Deutschlands und der EU zurückzuführen ist“.
Unmögliches möglich machen
Der Hauptgeschäftsführer des Verbandes Deutscher Reeder (VDR), Martin Kröger, sagte in Hamburg: „Es ist ein historischer Tag für die Schifffahrt.“ Mit Blick auf viele verschiedene Länder und Weltregionen mit unterschiedlichen Interessen sei „das Unmögliche möglich gemacht“ worden. „Alle haben anerkannt, dass es keine Alternative zur Klimaneutralität gibt.“
Konkret heißt es der neuen IMO-Klimastrategie: „Die Treibhausgas-Emissionen des internationalen Seeverkehrs sollen so bald wie möglich ihren Höchststand erreichen und bis zum oder um das Jahr 2050 herum, das heißt in der Nähe des Jahres 2050, unter Berücksichtigung der unterschiedlichen nationalen Gegebenheiten auf Null reduziert werden.“
Bis 2030 beziehungsweise 2040 gibt die IMO eine Verringerung der jährlichen Emissionen um mindestens 20 Prozent beziehungsweise mindestens 70 Prozent vor, wobei 30 Prozent beziehungsweise 80 Prozent angestrebt würden – jeweils im Vergleich zu 2008.
Der Verzicht auf ein fixes Ziel für 2050 gilt als Formelkompromiss, der eine Einigung überhaupt erst möglich gemacht hat. „In den langen IMO-Verhandlungen in den vergangenen Tagen wurde schnell klar, dass einige Länder aufgrund ihrer geografischen Lage oder schwierigeren wirtschaftlichen Bedingungen nicht das gleiche Tempo einschlagen wollen und können wie etwa die Mitgliedstaaten der Europäischen Union und die USA“, heißt es beim VDR.
Große Chance verpasst
„Um Bedenken der Entwicklungsländer zu adressieren, sollen deshalb nun beim Zeitpunkt des Erreichens der Klimaneutralität kleinere Abweichungen möglich sein.“
Der Umweltverband Nabu kritisierte derweil, die IMO habe eine große Chance verpasst. „Die beschlossenen Minderungsziele entsprechen weiterhin nicht dem 1,5-Grad-Ziel des Pariser Klimaschutzabkommens“, sagte Nabu-Bundesgeschäftsführer Leif Miller in einer Mitteilung. „Jetzt ist es umso wichtiger, dass ein internationaler CO2-Preis für die Schifffahrt schnell angegangen und umgesetzt wird.“
Eine solche Bepreisung unterstützt auch die IMO, wobei zunächst offen bleibt, welches Instrument dabei zum Einsatz kommen soll. Denkbar wäre eine direkte Klimasteuer auf CO2-Emissionen oder alternativ ein System, bei dem Emittenten Rechte zum Ausstoß klimaschädlicher Gase nachweisen müssen und damit handeln können.
Ein solches System sieht etwa die EU künftig auch für den Schifffahrtssektor vor. Laut IMO soll der „Preismechanismus für maritime Treibhausgasemissionen“ 2025 beschlossen werden und 2027 in Kraft treten.
„Noch vor einem Jahr hätte man die bloße Idee, bis 2027 einen globalen Emissionspreis-Mechanismus und einen globalen Standard für umweltfreundliche Kraftstoffe einzuführen, für eine Phantasie gehalten“, hieß es bei der dänischen Containerreederei Maersk.
Ein Flickenteppich regionaler Systeme
„Zusammen mit dem ehrgeizigen Ziel, bis 2050 Netto-Null-Emissionen zu erreichen, ist diese Einigung von London ein deutliches Signal an die Schifffahrtsbranche und die Hersteller von Kraftstoffen: Die Zeit für Investitionen ist jetzt, und damit verbundene Risiken sind beseitigt.“
Der Reederverband pocht dabei auf schnelle Planungssicherheit. „Deswegen brauchen wir schnell Klarheit, wie eine Emissions-Bepreisung der IMO im Detail aussehen wird und wie bereits existierende Bepreisungsmodelle wie etwa das EU-Emissionshandelssystem in eine solche internationale Maßnahme integriert werden“, sagte Kröger.
„Wir können uns in der weltweit fahrenden Schifffahrt und für einen wirkungsvollen Klimaschutz keinen Flickenteppich regionaler Sonderwege leisten. Und wir wollen auch nicht doppelt für die gleichen Emissionen zahlen.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Stockender Absatz von E-Autos
Woran liegt es?
Energiewende in Deutschland
Erneuerbare erreichen Rekord-Anteil
Erfolg gegen Eigenbedarfskündigungen
Gericht ebnet neue Wege für Mieter, sich zu wehren
Migration auf dem Ärmelkanal
Effizienz mit Todesfolge
Grüne über das Gezerre um Paragraf 218
„Absolut unüblich und respektlos“
Kürzungen im Berliner Haushalt
Kultur vor dem Aus