Twitter gegen Falschmeldungen um Corona: Gangbarer Mittelweg
Ignorieren ist keine Option: Twitter will irreführende Nachrichten über die Coronapandemie mit Warnhinweisen versehen.
Die Kontrolle über Informationsflüsse ist hart umkämpft. Denn Falschmeldungen beispielsweise können ganze Branchen oder gar Volkswirtschaften in den Abgrund stürzen. Die Macht über die Erzählung war dabei schon immer geteilt. Das ungeprüfte Gerücht ist traditionell ein harter Konkurrent für offizielle Verlautbarungen und selbst die unabhängige Presseberichterstattung.
Dass es durchaus einen Widerspruch gibt zwischen der Realität und ihrem öffentlich zugänglichen Abbild, ist dem Publikum zumindest instinktiv bekannt. Das ist einerseits gut so, andererseits aber auch der Nährboden für das Gerücht, die Lüge, die willentliche oder fahrlässige Irreführung. Nicht mehr flüsternd von Mund zu Mund finden sie ihren Weg. Zu ihrer dynamischen Verbreitung tragen soziale Netzwerke erheblich bei. Dafür werden diese zumindest rhetorisch von Politik und Zivilgesellschaft immer wieder in die Verantwortung genommen. Wie Facebook reagiert nun auch Twitter und wird weltweit Tweets mit Coronabezug und zweifelhaften Inhalten mit Warnhinweisen und -labels markieren.
Das ist ein gangbarer Mittelweg für das Netzwerk in einem schwierigen Markt. Twitter vermeidet bis auf krasseste Ausnahmen das Löschen, das leicht als Zensurmaßnahme ohne Rechtsgrundlage ausgelegt werden könnte, demonstriert aber einen verantwortlicheren Umgang mit geteilten Inhalten. Der Spielraum für Eingriffe ist für die Netzwerke ziemlich klein. Schließlich lebt Twitter von der Aufmerksamkeit für bestimmte Inhalte. Die Motivation, im weitesten Sinne kontroverses Material zu entfernen, ist also eher gering. Man will aber auch staatlich regulatorischen Interventionen vorbeugen.
Es wird sich zeigen, ob die neuen Labels helfen, wenigstens die übelsten Einlassungen zur Pandemie etwas einzudämmen. Nicht wenige davon haben ohnehin schon längst ihren wichtigsten Resonanzraum in der halböffentlichen Sphäre von Telegram- und WhatsApp-Gruppen gefunden. Deutschland ist für Twitter mit einem Social-Media-Marktanteil von deutlich weniger als 10 Prozent (Facebook: mehr als 50 Prozent) derweil nur Nebenschauplatz. Hier werden sich die versammelten Journalist*innen einfach weiterhin gegenseitig ihre mustergültigen Faktenchecks vortragen und die Filterblasen der Hassprediger*innen werden sie einfach ignorieren. Eventuell genauso wie die Warnlabels von Twitter.
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