piwik no script img

Tweets über „U-Boot“ Tom RadtkeGrünes Foulspiel gegen Linke

Grüne haben am Tag der Wahl Stimmung gegen Die Linke gemacht – mit der Behauptung, wer sie wähle, hieve einen Rechtsextremen in Hamburgs Bürgerschaft.

Schwer zu sagen, ob Tom Radtke als U-Boot gestartet ist – oder erst allmählich abgetaucht Foto: dpa

Hamburg taz | Mehrere Grüne haben am Wahlsonntag in Hamburg versucht, Linke-Wähler*innen zu beeinflussen, indem sie Falschinformationen über die Chancen des Linken-Kandidaten Tom Radtke verbreitet haben.

Den Anfang hatte Jörn Pohl gemacht, Berliner Büroleiter des Grünen-Bundestagsabgeordneten Konstantin von Notz aus Mölln. Von seinem privaten Konto @JoernPL hatte er getwittert: „der #Identitäten ist es also gelungen, einen Kandidaten auf eine Liste der #Linken für HH-Bürgerschaftswahl zu hieven. Wahrscheinlich haben sie, wenn Linke nicht an 5%-Hürde scheitert, damit heute Abend einen Abgeordneten in einem Parlament“.

Mit „#Identitäten“ meint Pohl die rechtsradikale Identitäre Bewegung (IB). Eingebettet hatte er einen Tweet von Tom Radtke, in dem dieser auf einem Foto mit einer Flagge mit dem Zeichen der IB in der Hamburger Ernst-Thälmann-Gedenkstätte posiert und dazu schreibt, er habe sich „mit einigen Genossen der IB Hamburg“ über „unseren großen Hamburger Arbeiterführer“ informiert.

Der 18-jährige Radtke war vor einigen Wochen damit aufgefallen, dass er über sein gerade erst eingerichtetes Twitterkonto den Klimawandel mit dem Holocaust verglichen hatte. Die Linke hatte daraufhin das Gespräch mit Radtke gesucht und, als er sich dem verweigerte, umgehend ein Parteiausschlussverfahren eingeleitet. Die Fraktionsspitze hatte erklärt, dass Radtke in dem unwahrscheinlichen Fall, dass er in die Bürgerschaft einzöge, nicht Teil der Linken-Fraktion würde.

Empfohlener externer Inhalt

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen:

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung

Kaum reale Chancen für Radtke

Radtkes Aussichten waren in der Tat bescheiden: Auf Listenplatz 20 wäre er erst bei rund 17 Prozent der Stimmen für die Linke über die Liste in die Bürgerschaft gekommen. Geholt hat Die Linke schließlich 9,1 Prozent. Um auf der Liste so weit nach vorn zu rutschen, dass es für ihn dennoch reicht, hätte Radtke massiv Personenstimmen auf sich vereinigen müssen. Pohl erweckt in weiteren Tweets dennoch den Eindruck, das sei wahrscheinlich.

Noch einen Schritt weiter geht der nordrhein-westfälische Grünen-Landesvorsitzende Felix Banaszak, der twittert: „Liebe Hamburger*innen, vielleicht gibt es bei euch manche, die überlegen, heute DIE LINKE zu wählen. Bitte tut das nicht! Auf Platz 20 der Landesliste steht Tom Radtke, der ein U-Boot der rechtsextremen Identitären Bewegung ist“. Und der Grünen-Bundestagsabgeordnete Sven-Christian Kindler sekundiert: „Krass, ist das übel, dass die Linke #Hamburg ein rechtsextremes U-Boot der Identitären auf ihrer Liste hat.“

Empfohlener externer Inhalt

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen:

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung

Als gezielte Falschinformation muss man den Tweet von Charlotte Obermeier werten: „Es ist bitter, dass wer heute in Hamburg die Linke wählen will, einen Rechtsextremen ins Parlament wählen würde. Tragisch für die Linke, die sich durch diesen Kandidaten unwählbar macht.“ Obermeier ist Social-Media-Koordinatorin der Grünen-Bundestagsfraktion, weiß also, was sie tut. Als sie dafür kritisiert wird, schließt sie ihre letzte Antwort mit: „Ich bin jetzt auf dem Weg nach Yad Vashem & kann euch nicht allen antworten.“

Empfohlener externer Inhalt

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen:

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung

Schaden schwer einzuschätzen

Die Linken-Spitzenkandidatin Cansu Özdemir nannte das grüne Manöver am Wahlabend „total unfair“, ob es der Linken tatsächlich geschadet habe, sei aber schwer einzuschätzen.

Die Hamburger Grünen hatten sich in der Debatte vornehm zurückgehalten. Aber aus anderen Landesverbänden gab es – zum Teil prominente – Unterstützung für die Last-Minute-Kampagne. Den Tweet von Jörn Pohl haben etwa die schleswig-holsteinische Landtags-Vizepräsidentin Aminata Touré und die Fraktionschefin im Berliner Abgeordnetenhaus Silke Gebel retweetet. Banaszak sprangen auf Twitter Mitarbeiter von Bundespartei und Europa-Fraktion sowie Kommunalpolitiker und der Kreisverband Braunschweig bei. Obermeiers Falschbehauptung verbreitete die frühere schleswig-holsteinische Landesvorsitzende Ruth Kastner weiter.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

13 Kommentare

 / 
  • Liebe Grüne -- bei aller Sympathie: das war billig.

    Manchmal bin ich der Meinung, mensch sollte PolitikerInnen Twitter aus der Hand schlagen. Scheint mehr Schaden als Nutzen zu bringen.

    Oder eine (von der Follower-Zahl abhängigen) Verzögerung einbauen. Das würde vielleicht die Überschwingneigung etwas dämpfen.

  • Naja, zumindest in Hamburg neigen AFD-Wähler eher zu den Grünen als zu den Linken. Da sind dann doch mehr Schnittmengen.

  • Laut Wählerwanderung hat die AFD 1000 Wähler an die Grünen verloren und 0 an die Linke. ; )

    www.welt.de/politi....free.welt.desktop

  • Das ist mir ein bisschen viel Mimimi. Niemand hat die Linkspartei gezwungen, diesen Kanaben aufzustellen. Und ich bin mir sicher, dass der auch seine Fans hat, die gezielt ihn gewählt haben, wegen seiner Äußerungen. Davon hat dann ja die Linkspartei auch profitiert. Da sollte man auch ein bisschen einstecken können. Es heißt Wahlkampf, nicht Wahlkuscheln.

  • Billige Kampagne aus dem grünen Glashaus.



    Wer über Tom Radtke spricht, sollte über August Haußleiter, Baldur Springmann, Werner Vogel, Alfred Mechtersheimer oder Rolf Stolz nicht schweigen...

    • @Linksman:

      schlimmer Fall von "Whatsaboutism" - wann waren die genannten bei den Grünen aktiv, wie jung und unerfahren war die Partei zu diesem Zeitpunkt (immerhin die erste bedeutende Parteineugründung der Bundesrepublik nach 195x), wie schnell hat man sich nach dem Bekanntwerden der ideologischen Differenzen von den genannten Herren getrennt, wie sehr hat ihre Vorgeschichte nach 30 Jahren noch eine Rolle gespielt?

  • Ich darf da übrigens zB an Baldur Springmann erinnern, der bei den Grünen eine weitaus wichtigere Rolle spielte als ein Tom Radtke bei den Linken

  • Grüne Trolle!

  • Sicher mag der Umgang einiger Grüner mit der Situation nicht besonders stil- oder rücksichtsvoll gewesen sein. Die eigentliche Frage sollte dann aber doch die sein, wie so ein spinnerter Querfrontler auf die Liste der Linken geraten konnte, vor Allem wenn doch offenbar schon Gespräche und Ausschlussverfahren im Gange waren.

    • @Ingo Bernable:

      Das hat viel mit der Kultur in der Hamburger Linkspartei zu tun.



      Jeder weiß sie ist ein Karrieresprungbrett für viele Leute.



      Wer arbeitet der hat die Arschkarte und wer das nicht tut der bekommt nen Listenplatz

  • "Radtkes Aussichten waren in der Tat bescheiden: Auf Listenplatz 20 wäre er erst bei rund 17 Prozent der Stimmen für die Linke über die Liste in die Bürgerschaft gekommen." Das ist schlicht falsch. In Hamburg werden einzelne Abgeordnete gewählt. Listenplatz spielt da nur bedingt eine Rolle. Es ist gut möglich, dass Radtke Stimmen aus dem rechten Lager bekommen hat, die dann auch der Linkspartei insgesamt genutzt haben. Es ist völlig legitim und richig, darauf aufmerksam zu machen. Die Linke hat diesen Kandidaten aufgestellt, dafür sollte sie auch abgestraft werden.

    • Jan Kahlcke , Autor des Artikels, Redaktionsleiter
      @Ruediger:

      Im Text geht es ja weiter: "Um auf der Liste so weit nach vorn zu rutschen, dass es für ihn dennoch reicht, hätte Radtke massiv Personenstimmen auf sich vereinigen müssen." Das ist ihm erwartungsgemäß nicht gelungen. Der letzte Linke, der es über Personenstimmen in die Bürgerschaft geschafft hat, hat zweieinhalb mal so viele Personenstimmen wie Radtke. Dazwischen liegen noch sechs weitere Linke-Kandidat*innen, die mehr Stimmen hatten als Radtke. Und nur vier Linke-Kandidat*innen haben weniger Stimmen bekommen als er. Klar kann es sein, dass die Linke die eine oder andere "rechte" Stimme Radtke verdankt. Aber die Grünen-Tweets haben ja andersherum suggeriert, dass, wer die Linke wählt, den (mittlerweile) "Rechten" Radtke ins Parlament hieven würde.

  • Na ja, bischen Schadenfreude darüber, dass die Linken nicht bemerkten, welchen falschen Vogel sie da aufgestellt haben, sei den Grünen ja gegönnt.



    (Wobei sowas den Grünen zweifelsohne auch so hätte "passieren" können)



    Die dargestellten Aktionen waren aber, so oder so (also sei der Radtke nu' einfach nur wirr oder eben ein U-Boot) voll daneben.



    Danke an die TAZ für die Aufklärung!