Mehr Geld für Stadtgrün: „Das sind soziale Fragen“
Eine „Generationenaufgabe“ ist die Klimakrise für die grüne Fraktionschefin Silke Gebel. Deshalb enthalte der Haushalt auch eine „Grünbauoffensive“.
taz: Frau Gebel, trägt der am vergangenen Montag zwischen den Fraktionen der Koalition ausgehandelte Haushalt eine grüne Handschrift?
Silke Gebel: Er trägt eine rot-rot-grüne Handschrift. Alle haben noch einmal Schwerpunkte gesetzt, aber als Gesamtkunstwerk steht für eine soziale und ökologische Stadt, da sollten wir jetzt nicht lange darüber diskutieren, wer was vorgeschlagen hat. Für die BerlinerInnen ist das nicht vorrangig, die wollen wissen, ob ihre Stadt funktioniert. Ob ihre Arbeit gut bezahlt wird, ob die Parks in einem guten Zustand sind, ob sie einen Kitaplatz haben oder schnell und sicher von A nach B kommen. Dieser Haushalt stellt die Weichen für das kommende Jahrzehnt. Wir bieten Lösungen an, die das Leben der Menschen in Berlin verbessern werden.
Trotzdem war schon die Rede von einer „Grün-Offensive“, die ja in erster Linie mit Ihrer Partei in Verbindung gebracht wird.
Wir Grünen ackern auf allen Ebenen, um die Klimakrise in den Griff zu kriegen. Das ist unsere Generationenaufgabe, und deswegen brauchen wir nach den verschiedenen Bauoffensiven, die es schon gibt – Schulbau, Wohnungsbau, Verkehrsbau – auch eine Grünbauoffensive. Die haben wir jetzt finanziell unterfüttert. Wir machen das Stadtgrün fit für die Klimakrise, Berlin wird dadurch lebenswerter. Das ist die größte Investition ins Berliner Grün, die es jemals gab, und es ist das erste Mal, dass das Land dafür so viel Geld in die Hand nimmt.
Silke Gebel
36, leitet zusammen mit Antje Kapek die Grünen-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus. Seit 2013 sitzt sie im Parlament, bis sie Ende 2016 an die Fraktionsspitze gewählt wurde, war sie umweltpolitische Sprecherin der Fraktion.
Von welchen Maßnahmen und Beträgen reden wir?
Die Bezirke hatten zu wenig Geld für den Unterhalt der Straßenbäume. Wir haben das Budget pro Baum, das bislang bei rund 40 Euro lag, quasi verdoppelt. Da kommen wir auf eine zusätzliche Summe von insgesamt rund 30 Millionen Euro für die Jahre 2020 und 2021. Auch für die Pflege der Parkanlagen, die ja oft aus dem letzten Grashalm pfeifen, gibt es mehr Geld für die Bezirke, rund 20 Millionen. In diesem Kontext haben wir den Bezirken auch die 3 Millionen zurückgegeben, die ihnen der Finanzsenator genommen hatte, mit dem Argument, dass die BSR ja auch einige Parks reinigt. Das ist aber nicht schlüssig. Schon bisher hat das Geld in den Bezirken nicht gereicht und deshalb sollten sie durch die punktuelle Parkreinigung der BSR entlastet werden, ohne dafür zur Kasse gebeten zu werden. Geld können die Grünflächenämter jetzt endlich investieren, um die Parks durch bessere Pflege ökologisch aufzuwerten und attraktiver zu machen.
Die Berliner Stadtreinigung bleibt weiterhin für die Parkreinigung zuständig?
Im Grundsatz bleibt die Aufgabe weiter bei den Bezirken. Deshalb war es uns so wichtig, die Bezirke stark für ihre Aufgaben zu machen. Die BSR kann da einspringen, wo die Bezirke sagen, wir brauchen Unterstützung, also da, wo der Nutzungsdruck besonders hoch ist. Es gibt ja bereits das entsprechende Pilotprojekt, wo etwa im Weinbergspark oder im Görli durch die BSR sauber gemacht wird. Das haben wir in der Koalition auch positiv evaluiert. Verlängern ließ es sich nicht, weil die Reinigung von Parks laut Gesetz nicht Aufgabe der BSR ist. Hier brauchen wir in der nächsten Zeit eine Änderung, wir werden das ins Parlament einbringen.
Noch mal zu den Bäumen auf den Straßen Berlins: Manche würden jetzt sagen, das ist doch in erster Linie Ästhetik.
Das sehe ich völlig anders. Die Stadt wird immer heißer, es gab schon mehrere Hitzetote. Betroffen davon sind vor allem Menschen mit gesundheitlichen Risiken. Wir brauchen das Stadtgrün, um für Kühlung zu sorgen, für ein erträgliches Stadtklima. Viele haben keinen Garten, auch sie haben Grün zur Erholung verdient. Das ist kein Luxus, sondern wichtig für den Zusammenhalt der Gesellschaft. Also alles elementare soziale Fragen.
Woran hapert es denn bislang? Anders gefragt, warum reichten die 40 Euro pro Baum nicht aus?
Ich habe mich schon zu Beginn der Legislatur mit der Frage beschäftigt, wie wir eine positive Baumbilanz hinbekommen, dass also mehr neu gepflanzt wird, als gefällt werden muss. Fällungen sind zu oft unvermeidlich, weil Autoabgase, Trockenheit und auch Stürme die Bäume strapazieren. Schnell war klar, dass nicht die Mittel für Neupflanzungen fehlen, sondern für eine vernünftige Pflege in den Folgejahren. Es muss ausreichend gewässert werden, der Baumschnitt muss fachfrauisch durchgeführt werden. Weil das nicht finanziert wurde, konnten die Bezirksämter oft keine Bäume pflanzen. Das ändern wir jetzt. Unser Ziel ist es, die Zahl der Straßenbäume von derzeit 430.000 auf 500.000 zu erhöhen. Wir reden hier von einer Strukturveränderung, die für den Bestand an Straßenbäumen revolutionär ist.
Wenn das zusätzliche Geld für die regelmäßige Baumpflege gebraucht wird, heißt das aber, dass auch künftige Haushalte solche Summen beinhalten müssen.
Das ist richtig. Unser Anspruch war ein Zukunftshaushalt. Deshalb darf man die Fehler der Vergangenheit ja nicht fortschreiben. Bislang wurde beim Stadtgrün an die Substanz gegangen. Die Folgen sehen wir heute. Das korrigieren wir jetzt. Gleiches haben wir beim Berliner Wald im Sinn: Zu den erwähnten 50 Millionen Euro kommen noch 10 Millionen extra, die die Berliner Forsten für Personal und neue Bäume erhalten. Wir haben ja gerade wieder durch den Waldzustandsbericht 2019 erfahren, dass sich der Wald in einem katastrophalen Zustand befindet. Wir brauchen ihn aber, um Klimaschutz auf hohem Niveau zu betreiben.
Am Ende sind die ganzen Millionen für Stadtgrün sehr überschaubar. Für die Umwelt wurden in Relation zum Gesamthaushalt sehr überschaubare Gelder eingestellt. Was sagen Sie da der Generation Fridays for Future?
In diesem Haushalt werden Weichen für Klimaschutz gestellt, da stehen wir klar an der Seite von Fridays for Future. Die Grünbauoffensive ist nur ein Teil davon. Aber sie verändert die Denklogik, nach der das Stadtgrün zum Sparschwein wurde. Und es zeigt unseren Willen, Berlin zur Klimahauptstadt zu machen. Elementar dafür ist zum Beispiel die Verkehrswende, die sehr viel CO2 einsparen wird und für die wir Milliardenbeträge für mehr S-Bahnen, Tramlinien oder Taktverdichtung eingestellt haben. Wir sind bereit, das Klima zu retten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Eine Chauffeurin erzählt
„Du überholst mich nicht“
Kompromiss oder Konfrontation?
Flexible Mehrheiten werden nötiger, das ist vielleicht gut
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Absage von Comic-Vorstellung in Berlin
Keine Debatte ohne Volker Beck