Tunnel-Havarie am Alexanderplatz: Absacker mit langer Wirkung
Für den abgesackten Tunnel der U-Bahn-Linie U2 gibt es jetzt einen Sanierungsplan. Regulär gefahren wird aber frühestens wieder im August.
Immerhin gaben sich Frey und sein Projektleiter für das Hochhausprojekt „D3“, Andreas Tichay, betont interessiert daran, das Ärgernis zu beenden – genauso wie Mobilitäts-Staatssektretärin Meike Niedbal, Ephraim Gothe (SPD), der für Stadtentwicklung zuständige Stadtrat des Bezirks Mitte, und BVG-Vorstand Rolf Erfurt. Sie alle saßen bei einem gemeinsamen Pressetermin in der Senatsverwaltung nebeneinander, die Botschaft sollte lauten: Wir kriegen das wieder hin.
Juristisch betrachtet lässt sich bei der Schuldfrage vielleicht noch das ein oder andere drehen, immerhin geht es um mindestens 10 Millionen Euro, die die Tunnelsanierung kosten wird. Für interessierte Laien gibt es allerdings kaum Zweifel an Ursache und Wirkung: Covivio hat eine Baugrube direkt neben dem U-Bahnhof ausgehoben, und der hat sich in Teilen „gesetzt“ – um mittlerweile 38 Millimeter, hieß es am Montag.
Nach wochenlangem Hin und Her, zuletzt auch Gesprächen mit allen Beteiligten in der Senatsverwaltung, hat das Unternehmen offenbar alle notwendigen Unterlagen für ein „Gesamtinstandsetzungskonzept“ vorgelegt und nun auch gleich der Öffentlichkeit präsentiert. Die Beschreibung des geplanten Verfahrens klingt ein wenig nach Schönheits-OP: Über „Lanzen“, die von der Baugrube aus ins Erdreich unter den Tunnel getrieben werden, injiziere man „gezielt und sensibel“ eine Suspension und schaffe so ein „Zementpolster“, das den Tunnel wieder auf sein vorheriges Niveau heben soll.
Irgendwann im August
Zumindest wissen die BVG-KundInnen jetzt, worauf sie sich mindestens einstellen können: Rund fünf Wochen soll die Prüfung der Sanierungspläne durch den Bezirk in Anspruch nehmen, nach fünfmonatigen Arbeiten dann, sprich: irgendwann im August, könnte die U-Bahn wieder zweigleisig durch den Bahnhof fahren. Abgeschlossen wäre die Sanierung aber noch nicht, und die Injektionsvorrichtung – der „Ausgleichsmechanismus“ – soll laut Covivio bis fast ein Jahr nach Eröffnung des Hochhauses in Betrieb bleiben. Diese verschiebe sich um zehn Monate auf Ende 2026.
Als Ausgleichsmechanismus für die BVG-KundInnen kündigte Rolf Erfurt an, baldmöglichst den Takt auf der Tramlinie M1 zu verstärken. Die Wartezeiten beim Umstieg im Pendelverkehr habe man schon auf maximal zwei Minuten optimiert. Aufgrund fehlender „Leit- und Sicherheitstechnik“ sei es aber nicht möglich, die Pendelstrecke zu verkürzen und die U-Bahn regulär zwischen Pankow und Rosa-Luxemburg-Platz verkehren zu lassen. Stattdessen muss weiterhin im Bahnhof Senefelderplatz umgestiegen werden.
Die BVG habe viel Personal im Einsatz, so Erfurt, außerdem werde man die „Jelbi“-Stationen ausbauen und im Umfeld der U2 noch mehr Leihfahrräder und E-Scooter anbieten. Geprüft und für nicht sinnvoll befunden habe das Verkehrsunternehmen die Einrichtung eines Bus-Ersatzverkehrs: „Der würde dann auch nur im Stau stehen.“
Keine Katastrophe
Für Ephraim Gothe ist die ganze Sache ärgerlich, aber auch keine Katastrophe: „Wir haben nun mal im Urstromtal Schichten aus Sand und Kies und keinen Granitsockel wie Manhattan“, so der Stadtrat in Richtung der kritischen Stimmen, die nun ein Ende des Hochhausbaus am Alexanderplatz oder gleich berlinweit fordern. Wichtig sei aber, sich vertraglich abzusichern – im vorliegenden Fall gebe es glücklicherweise eine sogenannte „nachbarschaftliche Vereinbarung“ zwischen Covivio und BVG. Aufgrund dieser Abmachung gebe es nun auch, so Gothe, keinen Verzug bei der Planung und Durchführung der Schadensbehebung.
Ephraim Gothe, Stadtrat
Für Staatssekretärin Niedbal steht fest, dass man künftig bei allen „Bauprojekten mit Risiken für die öffentliche Infrastruktur im Vorfeld auf einer nachbarschaftlichen Vereinbarung bestehen“ müsse. Obligatorisch ist diese nämlich keineswegs. Sichere man sich aber nicht ab, so Niedbal, berge dies das Risiko, „dass statt einer raschen Schadensbehebung äußerst langwierige Prozesse zur Haftung und Beweisführung entstehen“.
Am Montag strahlten alle Beteiligten große Zuversicht aus, dass das Tunneldrama unterm Alex im August sein Ende finden wird. Allerdings gibt es wenig Erfahrung mit der Technologie, die zum Einsatz kommen soll. An der Jannowitzbrücke sei ein ähnliches Verfahren zur Stützung des S-Bahn-Viadukts angewandt worden, sagte Andreas Tichay, allerdings in deutlich kleinerem Maßstab. Vom Fahrgastverband Igeb kamen denn auch skeptische Signale: „Das Worst-Case-Szenario ist für mich noch nicht vom Tisch“, twitterte Sprecher Jens Wieseke.
Links lesen, Rechts bekämpfen
Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen
meistkommentiert
BSW in Thüringen
Das hat Erpresserpotenzial
Friedenspreis für Anne Applebaum
Für den Frieden, aber nicht bedingungslos
BSW in Sachsen und Thüringen
Wagenknecht grätscht Landesverbänden rein
Rückkehr zur Atomkraft
Italien will erstes AKW seit 40 Jahren bauen
Klimaschädliche Dienstwagen
Andersrum umverteilen
Tech-Investor Peter Thiel
Der Auszug der Milliardäre aus der Verantwortung