Türkische Regierung reagiert auf Druck: Erste Signale an die Kurden

Ankara stellt in Aussicht, den Krieg im Osten bis Ende des Monats einzustellen. Die Operationen gehen aber mit unverminderter Härte weiter.

Der türkische Ministerpräsident Ahmet Davutoglu adressiert Mitglieder des Parlaments aus seiner Regierungspartei AKP bei einem Treffen im türkischen Parlament in Ankara.

Seine Berater fürchten, dass die Stimmung kippen könnte: Ahmet Davutoglu. Foto: reuters

ISTANBUL taz | „Wir streben an, die Operationen in den kurdischen Gebieten bis zum Ende des Monats zu beenden.“ Mit dieser Aussage wird Ministerpräsident Ahmet Davutoğlu von Teilnehmern einer Friedensdelegation zitiert, die ihn vergangenen Mittwoch in Ankara getroffen hat.

Unabhängige Intellektuelle, darunter Journalisten, Schriftsteller und Vertreter von Menschenrechtsorganisationen wurden erstmals seit Beginn der massiven Angriffe der türkischen Armee auf sogenannte autonome Gebiete in kurdischen Städten von Davutoğlu empfangen.

Grund für dieses Treffen sind offenbar Befürchtungen von Beratern Davutoğlus, dass die Stimmung im Südosten, aber auch vermehrt im Westen des Landes, sich mehr und mehr gegen die Regierung statt gegen die kurdische PKK-Guerilla wenden könnte. In einer scharfen Erklärung im Internet kritisieren über 1.000 Professoren und andere Akademiker türkischer Universitäten das Vorgehen der Armee in den kurdischen Gebieten.

Selbst innerhalb der AKP gibt es erste leise Kritik. „Die Stimmung droht zu kippen“, sagte im Rundfunk der AKP-Abgeordnete und Vorsitzende der Industrie- und Handelskammer von Diyarbakır, Galip Ensarioğlu. Die Geschäftsleute in Diyarbakır, aber auch in den kleineren Städten im Südosten, in denen gekämpft wird, sind mittlerweile aufs Höchste besorgt.

Unternehmen der Tourismusbranche verdienen seit Monaten praktisch nichts mehr. Aber auch viele andere Geschäfte sind betroffen. Deshalb wächst der Druck auf die Regierung, endlich wieder Schritte zur Normalisierung zu unternehmen. Außer ersten Kontakten zu möglichen unabhängigen Vermittlern gibt es noch ein weiteres Zeichen, dass die Regierung den Gesprächsfaden wiederaufnehmen will.

Politische Wiederbelebungsversuche

Am Freitag lud der AKP-Parlamentspräsident İsmail Kahraman die anderen Fraktionen zu Gesprächen über eine neue Verfassung ein. Ausdrücklich wurde auch die kurdisch-linke HDP aufgefordert, an den Gesprächen teilzunehmen. Bemerkenswert, da noch vor einigen Wochen Davutoğlu den Ko-Chef der HDP, Selahattin Demirtaș, von genau solchen Gesprächen ausgeladen hatte.

Von diesen ersten politischen Wiederbelebungsversuchen ziviler Gespräche zwischen den Kurden und der Regierung ist allerdings vor Ort im Südosten der Türkei noch nichts zu spüren. Wie Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan angekündigt hatte, gehen die Operationen mit unverminderter Härte weiter.

Allein die Bilanz des Wochenendes macht das deutlich. Nach Angaben der Armee wurden am Samstag in Cizre 16 PKK-Kämpfer und in der Altstadt von Diyarbakır zwei weitere Guerilleros getötet. In der Nacht von Samstag auf Sonntag erschossen Armee und Polizeikräfte 12 PKK-Mitglieder in Van. Dabei wurden ein Polizist und ein Soldat getötet, mehrere schwer verwundet.

Seit Beginn der Großoffensive Anfang Dezember hat die Armee nach eigenen Angaben insgesamt 420 PKK-Kämpfer getötet. Andere schockierende Zahlen veröffentlichte gestern die türkische Menschenrechtsstiftung. Danach wurden seit dem Ende des Waffenstillstandes zwischen der PKK und der Regierung im vergangenen August insgesamt 162 unbeteiligte Zivilisten getötet.

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