Türkische Offensive auf syrischem Gebiet: Dscharablus eingenommen

Türkische Truppen und syrische Milizen haben die Stadt Dscharablus vom IS eingenommen. Kritik kommt aus Damaskus, Russland und von den syrischen Kurden.

Ein Panzer fährt über staubiges Feld

Offensive: Türkischer Panzer an der syrischen Grenze Foto: dpa

KARKAMIS afp | Mit Unterstützung der internationalen Anti-IS-Koalition hat die Türkei am Mittwoch ihre bislang größte Offensive gegen die Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) auf syrischem Territorium gestartet. Die türkischen Streitkräfte setzten bei der Operation „Schutzschild Euphrat“ in der Umgebung des Grenzortes Dscharablus Kampfjets, Panzer und Artillerie ein. Die an der Seite der Türkei kämpfenden syrischen Rebellen nahmen die Stadt Dscharablus am Westufer des Euphrats nach eigenen Angaben am späten Nachmittag ein.

An dem türkischen Militäreinsatz waren laut einem Bericht der amtlichen türkischen Nachrichtenagentur Anadolu rund 1500 syrische Aufständische beteiligt. Demnach handelte es sich um Kämpfer der Freien Syrischen Armee. Sie hätten auch das Dorf Keklidscha erobert, fünf Kilometer von Dscharablus und drei Kilometer hinter der Grenze. Ziel des Einsatzes sei es, „den Bezirk Dscharablus von der Terrororganisation IS zu befreien“, erklärte die türkische Regierung.

Die Türkei wolle die Probleme im syrisch-türkischen Grenzgebiet beenden, sagte Präsident Recep Tayyip Erdogan. Der in den frühen Morgenstunden angelaufene Einsatz richte sich sowohl gegen den IS als auch gegen die syrisch-kurdische Partei der Demokratischen Union (PYD). Von beiden „Terrorgruppen“ gehe eine Gefahr für die Türkei aus. Ankara will unbedingt die Ausweitung der kurdischen Gebiete in Syrien und somit die Entstehung eines eigenständigen, kurdischen Autonomiegebietes verhindern.

Sowohl die US-Regierung als auch die Bundesregierung unterstützten das türkische Vorgehen in Dscharablus. Ein Mitglied der US-Delegation, die sich mit Vizepräsident Joe Biden am Mittwoch in Ankara aufhielt, sagte, es würden Geheimdiensterkenntnisse weitergegeben, auch seien US-Militärberater beteiligt. Ankara handele im Einklang mit den Zielen und Absichten der internationalen Koalition gegen den IS, sagte auch der Sprecher des Auswärtigen Amtes in Berlin, Martin Schäfer.

USA verlangen Zurückhaltung von kurdischen Milizen

Die US-Regierung erlegte den mit Washington verbündeten kurdischen Kämpfern in Syrien Zurückhaltung auf. Die kurdischen Einheiten dürften den Euphrat nicht Richtung Westen überschreiten, sagte Biden in Ankara. Ansonsten verlören sie die Unterstützung der USA. Dagegen erklärte die halb-autonome kurdische Verwaltung, die weite Gebiete im Nordosten Syriens kontrolliert, der türkische Militäreinsatz sei eine „Kriegserklärung“.

Die russische Regierung zeigte sich „tief beunruhigt“. Der türkische Einsatz könne zu einer Verschärfung der Spannungen zwischen Ankara und den kurdischen Milizen führen, erklärte das Außenministerium in Moskau. Die Regierung in Damaskus erklärte, die türkische Militärintervention sei eine „unverhohlene Verletzung der syrischen Souveränität“. Wer den „Terrorismus“ in Syrien bekämpfen wolle, müsse dies in Absprache mit der syrischen Regierung und Armee tun.

Ankara hatte am Dienstagabend die Evakuierung der türkischen Stadt Karkamis angeordnet, die gegenüber von Dscharablus auf der anderen Grenzseite liegt. Karkamis war zuvor von IS-Gebiet in Syrien aus mit Mörsergranaten beschossen worden. Der Nachrichtensender NTV berichtete unter Berufung auf Sicherheitskreise, vor Beginn der türkischen Invasion sei eine kleine Zahl von türkischen Spezialeinheiten auf syrisches Gebiet vorgedrungen, um den Einsatz abzusichern.

Offenbar sollte die Offensive vom Mittwoch kurdischen Einheiten zuvorkommen, die ihrerseits nach der Eroberung der nahegelegenen Stadt Manbidsch auf Dscharablus vorrückten. Der türkische Vizeministerpräsident Numan Kurtulmus bezeichnete die Rückeroberung des Grenzorts als „nationale Sicherheitsangelegenheit“.

Die IS-Miliz verübte in den vergangenen Monaten eine Reihe von Anschlägen in der Türkei. Auch für das Attentat auf eine Hochzeitsfeier mit 54 Toten am Wochenende in Gaziantep werden die Dschihadisten verantwortlich gemacht.

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