Türkische Justiz gegen Journalisten: Can Dündar droht hohe Haftstrafe
Angeklagt wegen Geheimnisverrat: Can Dündar, Exchefredakteur von „Cumhuriyet“, erwartet ein hartes Urteil. Es soll Mitte Juni verkündet werden.
Cumhuriyet hatte Anfang Juni 2015 Fotos veröffentlicht, auf denen Waffen zu sehen waren, die der türkische Geheimdienst MIT an islamistische Gruppen in Syrien liefern wollte.
Der Staatsanwalt fordert für Can Dündar und Erdem Gül jeweils zwischen siebeneinhalb und 15 Jahren Haft. Enis Berberoglu soll als vermeintlicher Informant gar lebenslänglich ins Gefängnis. Can Dündar lebt seit Herbst vergangenen Jahres in Deutschland, nachdem im Anschluss an eine damalige Gerichtsverhandlung auf ihn geschossen worden war.
Erdem Gül arbeitet nach wie vor als Hauptstadtkorrespondent für Cumhuriyet in Ankara. Enis Berberoglu, ebenfalls ein früherer Journalist, sitzt jetzt für die sozialdemokratisch-kemalistische CHP im Parlament. Allerdings wurde seine Immunität aufgehoben.
Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan hat mehrmals öffentlich gefordert, dass „der Verräter“ Can Dündar hart bestraft werden solle. Schon deshalb ist für die Angeklagten nicht mit Milde zu rechnen. Da Dündar sich der türkischen Justiz entzogen hat, müssen Erdem Gül und Enis Berberoglu wohl auch stellvertretend mit hohen Strafen wegen Geheimnisverrats und Unterstützung einer terroristischen Vereinigung (Gülen Bewegung) rechnen.
Französischer Fotojournalist im Hungerstreik
Von Cumhuriyet sitzen noch weitere 13 Journalisten und Mitarbeiter der Cumhuriyet-Stiftung seit mittlerweile mehr als 200 Tagen in Untersuchungshaft. Auch für sie fordert die Staatsanwaltschaft hohe Haftstrafen, ihr Prozess hat allerdings noch nicht begonnen.
Auch ein ausländischer Fotojournalist, der Franzose Mathias Depardon, sitzt seit mittlerweile 16 Tagen in der Türkei in Haft. Depardon hatte bei Protesten gegen das Staudammprojekt Hasankeyf am Tigris fotografiert und war dort Anfang Mai festgenommen worden.
Depardon lebt und arbeitet seit fünf Jahren in der Türkei, erhielt allerdings für 2017 keinen Presseausweis mehr. Er wurde deshalb wegen illegalen Aufenthalts im Land in Gaziantep in Abschiebehaft genommen. Weil er aber bislang nicht abgeschoben wird und der französischen Botschaft auch der Zugang zu ihm verweigert wird, hat er vor vier Tagen einen Hungerstreik begonnen.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach Taten in München und Aschaffenburg
Sicherheit, aber menschlich
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt
Soziologische Wahlforschung
Wie schwarz werden die grünen Milieus?
Comeback der Linkspartei
„Bist du Jan van Aken?“
Krieg in der Ukraine
Keine Angst vor Trump und Putin
Polarisierung im Wahlkampf
„Gut“ und „böse“ sind frei erfunden