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Türkische Angriffspläne auf RojavaErdoğan plus deutsche Waffen

Wenn türkische Truppen in Rojava einmarschieren, wäre das ein „zweites Afrîn“. Waffenlieferungen an Ankara führen zu mehr, nicht weniger Flüchtlingen.

Noch vereint: Rückkehr amerikanischer und türkischer Soldaten nach einer gemeinsamen Patrouille Foto: Murad Sezer/reuters

E s ist nun mehr als eineinhalb Jahre her, dass das türkische Militär und seine islamistischen Verbündeten im kurdischen Afrîn in Syrien einmarschierten. Zur Erinnerung: Operation Olivenzweig. Erdoğan sagte damals im Fernsehen: „Zuerst werden wir die Terroristen ausrotten, dann werden wir es dort lebenswert machen.“

Die staatliche Religionsbehörde Diyanet forderte ihre Moscheen, unter anderem die Ditib-Moscheen in Deutschland, dazu auf, die Fetih-Sure, die sogenannte Sieges-Sure zu rezitieren. Also noch einmal: Auch in deutschen Moscheen wurde für den Sieg gegen die Kurden in Afrîn gebetet.

Dann rollten Leopard-2-Panzer (deutsche Produktion). Zivilisten starben, mehr als hunderttausend Menschen wurden vertrieben, Turkmenen und Araber aus anderen Teilen Syriens angesiedelt. Seit Afrîn unter türkischer Besatzung ist, kontrollieren islamistische Einheiten die Region und setzen ihre Auslegung der Scharia mit Gewalt durch.

Jetzt droht Erdoğan in Rojava einzumarschieren, was ein „zweites Afrîn“ bedeuten würde. Es wäre der dritte Einmarsch der Türkei in Syrien in den letzten drei Jahren.

Deutschland verrechnet sich

Die YPG hat an der Seite der USA gegen den IS gekämpft. Jetzt wollen die USA die YPG aber nicht länger unterstützen. Sie ziehen ihre Truppen ab. Auch Deutschland will den IS nicht haben. Wenn Erdoğan aber mit seinen islamistischen Söldnern in Rojava einmarschiert und gegen die YPG Krieg führt, kann das dazu führen, dass auch der IS wieder erstarkt und Gebiete zurückgewinnt.

Die Türkei ist Nato-Partner und sperrt immer wieder deutsche Staatsbürger*innen ein. Der Vorwurf lautet meist: Terrorismus. Grundlage dafür sind etwa Journalismus, Facebook-Posts oder kurdische Eltern.

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Wer auf Erdoğan setzt, setzt auf Islamist*innen, Terror, Menschenrechtsverletzungen und Destabilisierung. Deutschland setzt immer noch auf Erdoğan. Deutschland rechnet: Erdoğan plus deutsche Waffen ist gleich weniger Flüchtlinge für Deutschland. Deutschland verrechnet sich. Denn Erdoğan plus deutsche Waffen plus Einmarsch in Rojava ist gleich mehr Islamismus. Und mehr Islamismus ist gleich mehr Flüchtlinge.

Islamistenkader in Ditib-Moscheen

Parameter wie Völkerrechtsverletzung und Menschenrechtsverletzung müssen in Deutschlands Rechnungen miteinbezogen werden. Die UN-Menschenrechtscharta sollte das kleine Einmaleins deutscher Außenpolitik sein. Das Völkerrecht und die Menschenrechte würden durch den Einmarsch der Türkei in Rojava mit Füßen getreten und ziemlich sicher verletzt.

Wer genehmigt im Land der Behörden eigentlich diese DİTİB -Moscheen, in denen Islamistenkader herangezüchtet werden?

Auch die Innenpolitik sollte auf den Menschenrechten basieren. Wie kann es sein, dass Ditib-Moscheen als Geheimdienstzentralen für die Beamten der AKP gelten? Dass in diesen Moscheen Islamistenkader herangezüchtet werden? Dass dort für den Sieg über die Kurden gebetet wird? Wer genehmigt im Land der Behörden eigentlich diese Ditib-Moscheen?

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Ronya Othmann
Kolumnistin
Kolumnistin, Autorin, Lyrikerin und Journalistin. Schreibt zusammen mit Cemile Sahin die Kolumne OrientExpress
Cemile Sahin
Künstlerin
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4 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Hatte man die kurdischen Milizen nicht kürzlich noch mit hochmodernen Milan-Anti-Panzerraketen - ebenfalls aus deutscher Produktion - ausgerüstet. Die sollten doch gegen Erdogans deutsche Panzer ähnlich gut funktionieren wie gegen Assads.



    Dieser Logik folgend darf man gespannt abwarten ob die nächste größere Waffenlieferung deutscher Provenienz wohl an die Huthis gehen wird.

  • Der "Flüchtlingsdeal" mit der Türkei hätte auch aus anderen Gründen längst aufgekündigt gehört. Die Türkei schießt seit Bestehen des Deals scharf auf unbewaffnete Flüchtlinge und baute eine Mauer um syrische Flüchtlinge gänzlich an der Flucht zu hindern. Das widerspricht klar den Genfer Konventionen und allen daraus folgenden verbindlichen internationalen Rechtsnormen und somit auch dem Flüchtlingsdeal der die Einhaltung dieses internationalen Rechts ausdrücklich vorsieht. Auch illegale Pushbacks sind ein justiziabler Rechtsverstoß und gehörten von Anfang an mit zur türkischen "Grenzpolitik". Da wurden und werden Tausende die es trotz des Mauerbaus und Schießbefehls geschafft hatten auf türkischen Boden zu gelangen gesammelt und solange festgehalten und misshandelt bis sie Papiere zur "freiwilligen Rückkehr" unterschreiben und sofort wieder abgeschoben in die Region Idlib - also genau in die Region aus der sie gerade eben aus täglicher Lebensgefahr geflohen sind, vor bewaffneten Islamisten, vor den Flächenbombardements syrischer und russischer Luftwaffe und vor der drohenden Gefahr allein aufgrund ihres Wohnorts vom syrischen Regime als "Terroristen" diffamiert, verhaftet und in einem der Massengefängnisse zu Tode gefoltert zu werden sobald das syrische Regime Idlib "befreit" hat. Deutschland hat dazu NICHTS zu sagen und NICHTS unternommen und diskret so als Spezialist in Sachen Mauerbau und Grenzsicherung beratend und finanziell unterstützt. (www.spiegel.de/pol...en-a-1199535.html).

  • „Deutschland rechnet: Erdoğan plus deutsche Waffen ist gleich weniger Flüchtlinge für Deutschland. Deutschland verrechnet sich. Denn Erdoğan plus deutsche Waffen plus Einmarsch in Rojava ist gleich mehr Islamismus. Und mehr Islamismus ist gleich mehr Flüchtlinge.“



    Tolle Rechnung! Aber: „Zeit online“ meldete unter dem Titel „Türkei erhält deutsche Kriegswaffen im Wert von 180 Millionen Euro“: www.zeit.de/politi...xporte-deutschland



    „Bei den Waffen für die Türkei handelt es sich den Angaben zufolge ausschließlich um "Ware für den maritimen Bereich". Es ist wahrscheinlich, dass es um Material für sechs U-Boote der Klasse 214 geht, die in der Türkei unter maßgeblicher Beteiligung des deutschen Konzerns ThyssenKrupp Marine Systems (TKMS) gebaut werden.



    Beim Blick auf die Landkarte grüble ich: Wie können die U-Boote im vorgesehenen Gebiet eingesetzt werden? . . .

  • Nur zur Info, der Spiegel hats schon gebracht: türkisches Militär ist nach Nord-Syrien eingedrungen, die Offensive hat begonnen. Und unser lieber Herr "Nichtsnutz" Seehofer hofiert Erdogan mit neuen Angeboten... Es muss dringend was passieren, unsere Politker*innen machen sich an einem kommenden Genozid mit schuldig. Keine Geschäft mehr mit Waffen, keine Kooperation mit größenwahnsinnigen Diktatoren wie Erdogan! Und es muss SOFORT etwas passieren, nicht erst in drei Wochen, wenn wieder zig tausend Menschen gestorben sind!