Türkis-grüne Koalition in Österreich: Feindbild Islam

Worin unterscheidet sich die Islam-Politik der neuen Koalition von der ihrer Vorgängerin mit FPÖ-Beteiligung? In nichts.

Minarett und Bergkulisse

Minarett in Tirol Foto: Roland Mühlanger/imago

Die Religionspolitik der neuen Bundesregierung in Österreich beschränkt sich im Wesentlichen auf die Religion des Islam. In dieser Hinsicht unterscheidet sich das neue Regierungsprogramm kaum bis gar nicht von der türkis-blauen Vorgängerregierung. Zwar kommen die Begriffe „Islam/Muslim“ bei 16 Erwähnungen im Regierungsprogramm fünfmal weniger vor als im alten Regierungsprogramm. Hingegen ist der Inhalt dieses Mal sogar umfassender in den Thematiken, die angesprochen werden.

Die erste Pressekonferenz im Neujahr hatte die Richtung bereits vorgegeben. Und die Headlines in der Woche der Regierungsangelobung haben es bestätigt. Der Law-and-Order-Kurs der neuen Volkspartei unter Sebastian Kurz wird insbesondere in der Migrations- und Integrationspolitik nahtlos weitergeführt. So liest sich das auch in einem der acht formulierten Ziele des Regierungsabkommens: „Ein konsequenter Kurs im Bereich Migration und Integration“ werde verfolgt. Mit dabei seien „Gesetzesverschärfungen gegen den politischen Islam, um sicherzustellen, dass es zu keinen Gegengesellschaften kommen wird“, betonte Kurz.

Damit bediente er nicht nur die Superlative des Vokabulars der FPÖ, die in der Parallelgesellschaft die Gegengesellschaft erblickt. Eine gefährliche Wort- und Bedeutungsverschiebung! Er zeigte auch, dass der Kampf gegen den sogenannten politischen Islam ein im Kern Kurz’sches Projekt ist – und keines der FPÖ.

Euphemismus „politischer Islam“

Das Regierungsprogramm ist von einer eingegrenzten und ausschließenden Identitätspolitik geprägt. Österreich wird als „weltoffenes christlich geprägtes Land“ präsentiert. Nichts ist mehr zu lesen von der jüdisch-christlichen Tradition, wie noch unter Türkis-Blau (das aber ohnehin primär der Ausgrenzung der dritten monotheistischen Religion diente). Und zur Abgrenzung dient vor allem der Euphemismus des „politischen Islam“, mit dem der Islam gemeint ist, wie die Verbote von islamischer Religionspraxis (Kopftuchverbot, Moscheeschließung) unter Türkis-Blau gezeigt haben.

Angeblich nach dem Vorbild des Dokumenta­tions­archivs des österreichischen Widerstands soll jetzt eine Forschungs- und Dokumentationsstelle eingerichtet werden, die sich mitunter mit dem politischen Islam auseinandersetzen soll. Die Innenministerin kündigte kurz nach ihrer Vereidigung an, dass sie dieses Projekt innerhalb der ersten 100 Tage umsetzen wolle. Zudem soll das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung einen eigenen Extremismusbericht erstellen, der – wie sollte es anders sein – „u. a. islamistischen Extremismus umfasst“. Ein Aktionsplan gegen den religiös motivierten politischen Extremismus sollte ebenso ausgearbeitet werden.

So plant die Bundesregierung etwa, das Strafrecht an „aktuelle Herausforderungen“ anzupassen, worunter auch eine nicht weiter dargelegte „Präzisierung und Ergänzung von Straftatbeständen zur effektiven Bekämpfung des religiös motivierten politischen Extremismus (politischer Islam)“ gemeint ist.

Interessanterweise findet sich unter dem Thema „Maßnahmen gegen Extremismus und Terrorismus“ nicht nur der Kampf gegen den Islamismus, sondern auch die Stärkung des Kultus­amts, einer Behörde, die sich um das Verhältnis des Staates zu Kirchen und Religionsgesellschaften kümmert. Ihre Umstrukturierung zu einem Sicherheitsapparat schreitet weiter voran, indem das Islamgesetz von 2015 eine vertiefte Institutionalisierung erfahren soll und das Kultusamt polizei­behördliche Aufgaben erhält.

Bildungsraum im Visier

Besonders im Fokus des Regierungsprogramms steht der Bildungsraum. So wird verstärkte Kontrolle insbesondere bei islamischen Einrichtungen von Kindergärten über Privatschulen bis hin zu Schülerheimen angesagt. Der Religionsunterricht sollte sich an „pädagogischer Qualität und staatsbürgerlicher Erziehung orientieren“, heißt es weiter. Ist das der Weg zur Dienstbarmachung von Religion für den Staat? Die Trennung von Staat und Kirche hatte die inhaltliche Einmischung in den bekenntnisorientierten Religionsunterricht bisher verhindert. Und ob die christlichen Kirchen das mit sich machen lassen, sei dahingestellt.

Der Law-and-Order-Kurs der Neuen Volkspartei unter Sebastian Kurz wird nahtlos weitergeführt

Aber vermutlich geht es gar nicht um diese, sondern lediglich um die islamische Glaubensgemeinschaft. So heißt es einen Absatz weiter, dass insbesondere Bücher und Materialien des islamischen Religionsunterrichts erhoben und evaluiert werden sollen. Auch die ReligionslehrerInnenausbildung wird lediglich im Zusammenhang mit dem muslimischen Religionslehrerpersonal angesprochen. Selbst in puncto Bildungssystem wird der politische Islam als verfassungsfeindliche Kategorie in Abgrenzung zur Heranbildung junger Menschen positioniert.

Kopftuchverbot

Das Kopftuchverbot, das unter Türkis-Blau noch nicht im Koalitionsvertrag enthalten war, findet nun Eintritt in das türkis-grüne Koalitionsabkommen. Dass zur Begründung der Ausweitung des Verbots bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres das Erreichen der Religionsmündigkeit herangezogen wird, wie Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) betonte, ändert nichts an dieser diskriminierenden Bestimmung, die wiederum allein auf Musliminnen abzielt und explizit Sikhs und Juden ausnimmt.

In Summe lässt sich sagen, dass das Regierungsprogramm eine einseitige Fokussierung auf die Gruppe muslimischer Religionsangehöriger vornimmt. Restriktive Politiken der Kontrolle ihrer Bildungseinrichtungen reflektieren die Unterstellung der feindlichen Haltung und entsprechende Maßnahmen werden angekündigt. Es ist davon auszugehen, dass der „politische Islam“ im Zuständigkeitsbereich der Türkisen (Inneres und Sicherheit) weiter nicht den politischen Extremismus meint, sondern den Islam. Und damit steht das türkis-grüne Regierungsabkommen in nahtloser Kontinuität zum türkis-blauen.

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