piwik no script img

Tuareg-Rebellen gegen RegierungMalis Norden versinkt im Krieg

Kämpfe zwischen Malis Regierungstruppen und Tuareg-Rebellen um die Kontrolle von Militärbasen eskalieren. Zunehmend sind Islamisten involviert.

Malis Militärmachthaber Assimi Goita beim Russland-Afrika-Gipfel in St. Petersburg im Juli 2023 Foto: Alexander Ryumin/Tass/Reuters

Berlin taz | Der Krieg zwischen Malis Armee und aufständischen Tuareg im Norden des Landes ist wieder voll entbrannt, und die Regierung gerät zunehmend in Bedrängnis. Am Sonntag tobten schwere Kämpfe um den Ort Bamba, der am Niger-Fluss etwa in der Mitte zwischen den beiden Provinzhauptstädten Timbuktu und Gao liegt. Die politische Plattform der Tuareg-Rebellenallianz CMA (Koordination der Azawad-Bewegungen) reklamierte die Einnahme von Bamba und die Übernahme seiner Militärbasis für sich. Die Armee sprach von andauernden heftigen Kämpfen.

Erst am Samstag hatten die Tuareg-Rebellen zunächst 98 und dann 81 tote Regierungssoldaten bei Angriffen auf die Armeebasis Dioura in Zentralmali zwei Tage vorher gemeldet. Die Armee hatte wiederum Angriffe auf drei ihrer Basen in den Tagen zuvor gemeldet, in unterschiedlichen Landesteilen.

Die Kämpfe in Mali folgen auf den Zusammenbruch des Friedensabkommens von 2015, in dem die zuvor aufständischen Tuareg Autonomierechte in den drei malischen Nordprovinzen Gao, Kidal und Timbuktu zugesprochen bekamen. Vollständig umgesetzt wurde das nie, und die seit 2020 in Mali regierenden Generäle lehnen es ab. Die im Juni dieses Jahres per Referendum angenommene neue Verfassung für Mali stellt aus Rebellensicht eine Aufkündigung des Abkommens dar.

Am 11. September erklärte die CMA, sie befinde sich „im Krieg“ gegen die malische Regierung, und „alle Bewohner Azawads“ sollten ihren Beitrag zur „Rückgewinnung der Kontrolle über das gesamte azawadische Territorium“ leisten. Azawad ist der Name des Staates, den Tuareg-Rebellen 2012/13 kurzzeitig in Nordmali ausgerufen hatten.

Konkurrenz islamistischer Gruppen in der Sahara

Am 22. September verkündete Malis Präsident, Oberst Assimi Goita, seinerseits seine Absicht, Malis „Souveränität über das gesamte Staatsgebiet zurückzugewinnen“. Aus Regierungssicht sind die Angreifer sämtlich „Terroristen“, und es wird dabei nicht zwischen Tuareg-Rebellen und islamistischen Terrorgruppen unterschieden. Immer wieder wird die islamistische JNIM (Gruppe für die Unterstützung des Islams und der Muslime) für Angriffe verantwortlich gemacht.

Islamistische Kämpfer beschossen am 7. September ein Passagierschiff, das auf dem Niger-Fluss zwischen Timbuktu und Gao unterwegs war, und töteten dutzende, wenn nicht hunderte Menschen. Die Stadt Timbuktu ist faktisch von der Außenwelt abgeschnitten.

Aus Sicht der Regierung sind die Angreifer sämtlich Terroristen

Die JNIM kämpft nicht nur gegen die malische Regierung, sondern auch gegen den konkurrierenden „Islamischen Staat in der Großen Sahara“ (ISGS), der vor allem um Menaka im Nordosten Malis an der Grenze zu Niger aktiv ist. Die Tuareg-Rebellen der CMA vertreten ihrerseits auch nicht alle Tuareg-Gruppen. Diese Konstellation macht es schwer, die Dynamik des neuen Krieges zu beurteilen.

Für Aufsehen sorgte vor einer Woche die Explosion einer überladenen Militärtransportmaschine bei der Landung am Flughafen von Gao, bei der Berichten zufolge 140 Menschen umkamen – malische Soldaten und russische Wagner-Kämpfer.

Zusammenhang mit Abzug der UN-Mission in Mali

Der Aufschwung der Gewalt fällt zusammen mit dem Abzug der UN-Mission in Mali (Minusma), deren Blauhelme das Friedensabkommen von 2015 mit den Tuareg absichern sollten. Auf Wunsch der malischen Militärregierung hatte der UN-Sicherheitsrat im Juni das Ende der Mission, an der auch Deutschland teilnimmt, zum Jahresende 2023 beschlossen.

Kämpfe haben sich mehrfach am Streit darüber entzündet, wer die UN-Militäreinrichtungen in den Tuareg-Autonomiegebieten übernehmen darf. Inzwischen geht es aber ganz einfach um die Macht.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Leider gibt der Artikel nicht die tiefer dahinter liegenden Konflikte wieder:



    - den historischen Konflikt zwische Tuaregs und den sesshaften afrikanischen Völkern, wobei vor der Unabhängigkeit die Tuaregs und nach der Unabhängig die sesshaften Stämme die Überhand hatten,



    - der dahinter stehende Konflikt zwischen Weide- und Ackerwirtschaft, der sich durch den Klimawandel und folgend der Wüstenausbreitung verstärkt, durch den die Hirten mit ihren Herden neues Land suchen müssen,



    - die willkürliche Grenzziehungen bei der Aufgabe von Französich-Westafrika ohne Rücksicht auf kulturelle und ethnische Realitäten



    - dielangjährige Kumpanei der Franzosen mit den jeweiligen Machteliten, die allein der Rohstoffsicherung (Uran) galt



    - die ebenso nunmehr vollzogegne Kumpanei der neuen Machthaben mit Moskau / Wagnertruppen, die wiederum allein der Machterhaltung dient



    - der auf die Krisen und Konflikte sich drauf setzende Islamismus, der jedoch eigentlich in der eher sufigeprägten Islamrichtung des Malis keine eigenständige Wurzeln hat und von außen kommt.



    - die kulturelle Erneuerung des Mali seit den 90ern (man mag nur nur z.B. nach Tinariwen oder Fatoumata Diowara googeln).



    Man kann z.B. sich auch den Film "Timbuktu" ansehen, der einige dieser Punkte künstlerisch aufgreift.