Tschüs Amflora: Gericht verbietet Gentech-Kartoffel
Das Gericht der Europäischen Union bemängelt Fehler beim Zulassungsverfahren. Allerdings: Die Kartoffel wächst in der EU sowieso nicht mehr.
BERLIN taz | Die Gentechnik-Kartoffel Amflora darf in der EU nicht mehr angebaut werden. Das Gericht der Europäischen Union erklärte gestern das Zulassungsverfahren für nichtig. Die EU-Kommission habe ihre „Verfahrenspflichten in erheblichem Maße verletzt“ urteilten die Richter. Konkrete Auswirkungen hat die Entscheidung erst einmal nicht: Amflora wird in der EU bereits seit 2012 nicht mehr angebaut.
Die von BASF entwickelte Kartoffel sollte nur eine bestimmte Stärkeart produzieren und ihren Markt in der Industrie finden, etwa bei der Papierherstellung. Die Zulassung in der EU im Jahr 2010 rief jedoch Widerstand hervor: Ungarn reichte Klage ein, mehrere andere EU-Länder traten ihr bei. Ungarn bemängelte, dass die Kartoffelsorte eine Gefahr für die Gesundheit von Mensch und Tier darstelle.
Die Entscheidung des EU-Gerichts ist nur eine formale: Die EU-Kommission habe sich bei der endgültigen Zulassung auf andere wissenschaftliche Stellungnahmen gestützt als den zuständigen Ausschüssen oder dem Rat vorlagen. Wäre die Kommission korrekt vorgegangen hätte „das Ergebnis des Verfahrens oder der Inhalt der angefochtenen Beschlüsse wesentlich anders ausfallen können“, schlussfolgert das Gericht.
Die EU-Kommission hat die Möglichkeit, gegen das Urteil Rechtsmittel einzulegen, allerdings beschränkt auf Rechtsfragen. Dann würde der Europäische Gerichtshof entscheiden.
Großer Widerstand
BASF gab am Freitag an, keinen neuen Zulassunsantrag zu stellen, wenn das Urteil rechtskräftig wird. Der Konzern hatte bereits 2012 angekündigt, seine Sparte für Pflanzengentechnik aus Deutschland in die USA zu verlegen. Die Begründung: mangelnde Akzeptanz für Gentechnik in der Bevölkerung.
Tatsächlich ist der Widerstand gegen gentechnisch veränderte Pflanzen groß – so zerstörten etwa Aktivisten immer wieder sowohl Versuchsfelder als auch Felder mit zu kommerziellen Zwecken angebauten Gentech-Pflanzen. Die Zahl der Freisetzungsvorhaben in Deutschland nahm seit einem Höhepunkt im Jahr 2007 von Jahr zu Jahr ab.
Aktuell wird hierzulande keine gentechnisch veränderte Pflanze angebaut. Anders sieht das allerdings in anderen EU-Ländern aus – und die nächste Zulassung steht bevor. Die EU-Kommission wird voraussichtlich in den kommenden Wochen einen gentechnisch veränderten Mais der US-Saatgutfirma Pioneer zulassen. Der soll ein Gift enthalten, das bestimmte Insekten wie den Maiszünsler tötet. Christoph Then vom gentechnikkritischen Verein Testbiotech bezeichnet das Zulassungverfahren bereits jetzt als „chaotisch“.
(Az: T-240/10)
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Kochen für die Familie
Gegessen wird, was auf den Tisch kommt
Angriffe auf Neonazis in Budapest
Ungarn liefert weiteres Mitglied um Lina E. aus
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands