Die neuen Kreationen aus dem Genlabor: Aufrüstung auf dem Acker

Die neuen Gentech-Pflanzen haben gleich einen ganzen Mix an neuen Eigenschaften. Die Risikoabschätzung wird damit noch schwieriger.

Maisernte auf einem Feld in Illinois, USA Bild: imago/UPI Photo

BERLIN taz | Das Zukunftsszenario, das Gentechnikkritiker Christoph Then beschreibt, klingt nicht gut. Zwar habe sich die Gentech-Industrie mit ihren im Labor kreierten Pflanzen in der Europäischen Union (EU) bisher nicht durchsetzen können – bis auf wenige Ausnahmen werden die Gentech-Pflanzen hierzulande nicht angebaut. Als Futter- oder Lebensmittel dürfen aber schon 49 verschiedene Gentech-Pflanzen in die EU eingeführt werden. Dabei wird es nicht bleiben.

Und das, was derzeit an neuen Pflanzen von der Gentech-Industrie entwickelt wird, hat eine ganz neue Qualität, vor allem hinsichtlich des Risikos für Mensch und Umwelt, berichtet Then am Donnerstag in Berlin bei der Vorstellung einer Bestandsaufnahme über Gentech-Pflanzen.

Bei den in der EU als Futter- und Lebensmittel zugelassenen Pflanzen handelt es sich hauptsächlich um Soja, Mais, Raps und Baumwollsamen, die zumeist mit einer Herbizidresistenz ausgestattet sind oder Insektengifte produzieren. „Etwa die Hälfte der Pflanzen ist mehrfach gentechnisch verändert und kombiniert Insektengifte mit Herbizidresistenz“, heißt es in der von Christoph Then verfassten Studie „Cyberkrieg auf dem Acker – Was blüht uns da?“

Schon bei den einfach manipulierten Pflanzen ist nicht vorhersagbar, wie die zusätzlichen Gensequenzen sich auf die Regulation des Genoms auswirken. Mit jeder zusätzlichen Veränderung steigt auch die Wahrscheinlichkeit, dass unerwünschte Ereignisse auftreten. Zukünftig wird es vermehrt Zulassungsanträge für Gentech-Pflanzen mit mehreren neuen Eigenschaften geben, meint auch der Europaabgeordnete der Grünen Martin Häusling, in dessen Auftrag Christoph Then die Bestandsaufnahme gemacht hat. Einige dieser Pflanzen wachsen schon in den USA auf den Feldern.

Mit der von Monsanto und Dow AgroSciences gemeinsam entwickelten Maissorte „SmartStax“ ist seit Kurzem auch schon eine erste Pflanze dieser neuen Produktklasse in der EU zugelassen – zur Nutzung als Lebens- und Futtermittel.

SmartStax enthält die bakteriellen Gene für sechs Insektengifte und zudem zwei verschiedene Herbizidresistenz-Gene, gegen das Pflanzengift Glyphosat und gegen Glufosinat. Die Saatgutkonzerne rüsten ihre Pflanzen zunehmend so auf, dass verschiedene Totalherbizide auf dem Acker eingesetzt werden können, ohne dass die angebaute Pflanze darunter leidet.

Resistenzen gegen Glyphosat

Der Grund: Der in Gentech-Kulturen vor allem eingesetzte Wirkstoff Glyphosat verliert seine Wirkung. Immer mehr Beikräuter haben in den letzten Jahren eine Resistenz gegen Glyphosat entwickelt. Auch in Europa sind schon Resistenzen festgestellt worden. Deshalb müssen neben Glyphosat noch andere Pflanzengifte auf den Gentech-Äckern ausgebracht werden.

Aber auch mit SmartStax ist noch nicht die Grenze erreicht. Getestet wird schon „SmartStax plus“mit sechs verschiedenen Insektengiften und vier Herbizidresistenzen. Für eine vergleichbare Pflanze hat der Agrokonzern Syngenta auch schon ein Zulassungsantrag in der EU gestellt. Die Syngenta-Pflanze hat noch eine Besonderheit, eines der hinzugefügten Gene kommt in der Natur überhaupt nicht vor. Es ist synthetisch hergestellt worden, berichtet Then.

Über diese Gene und ihr Risikopotenzial gibt es fast keine Daten. „Aber nicht nur das“, so Häusling, „auch bei Bäumen und Insekten gibt es inzwischen gentechnische Konstruktionen, die in naher Zukunft genutzt werden sollen“. Eine Ausbreitung wird bei diesen Arten nicht zu verhindern sein. Häuslings Lösung: Finger davon lassen.

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