Trumps USA und die Gefahr von Big Tech : United Technate of America
Donald Trump spielt den erratischen Clown, aber dahinter sind seine und Elon Musks USA auf dem Weg in eine gnadenlose Technokratie, die sich durch Expansion weltweit Rohstoffe sichern will.

taz FUTURZWEI | Es gibt eine Karte aus dem Jahre 1940, die ein Land zeigt, das von Panama bis zum Nordpol reicht, Kanada und Grönland eingeschlossen: das amerikanische Technat.
Mit Ausnahme einiger südamerikanischer Gebiete nimmt diese fast hundert Jahre alte Karte von Technocracy Inc. Donald Trumps Erweiterungsfantasien von heute vorweg. Kann das ein Zufall sein?
Es fehlt an Mut, das, was sich in den Vereinigten Staaten abspielt, offiziell als eine neue Technokratie zu bezeichnen. Dabei trifft gerade dieser Begriff die aktuelle Ideologie des Landes präzise.
Eine neue, expansionswillige Technokratie?
Viel wurde bereits über die US-Ressourcenpolitik und die Expansionspläne gesagt – doch ein entscheidender Aspekt bleibt weitgehend unbeachtet: die historischen Wurzeln aktueller Entwicklungen.
Weder die Karte noch die Organisation, die sie herausgab und in den 1930er-Jahren das Technat propagierte, haben bisher genügend Beachtung gefunden. Dabei reicht die technokratische Bewegung tief in die US-Geschichte zurück und prägt mittlerweile aktiv die Politik des Landes.
Inna Skliarska (1998 in der Ukraine geboren) ist Kunsthistorikerin und promoviert an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg im Bereich der ökokritischen Kunstgeschichte zu Kunst im Anthropozän, Gegenkultur und den westlichen Industriegesellschaften. In ihrer Nebentätigkeit als Autorin arbeitet sie im Spannungsfeld zwischen wissenschaftlicher Analyse und essayistischem Schreiben.
Das zeigt sich ideologisch wie biografisch und beides durch Elon Musk, der nicht nur ein zentraler Akteur der heutigen Technokratie ist, sondern auch familiäre Wurzeln in der Bewegung hat. Sein Großvater, Joshua N. Haldeman, leitete zwischen 1936 und 1941 die kanadische Abteilung der obskuren Bewegung Technocracy Inc.
Nach unzähligen „Yeahs“ und „Exactlys“ während seines Gesprächs mit Trump auf X am 13. August 2024 erwähnte Musk „absichtlich unabsichtlich“ die Idee einer „Government Efficiency Commission“. Er sei „happy to help out“.
Trumps Reaktion ganz im Stil von McDonald’s: „Ich liebe es.“ Ein halbes Jahr später ist Trump Präsident – und Musk steht an der Spitze seines eigenen Departments of Government Efficiency (DOGE).
Kurz nach Trumps Amtsantritt geben die beiden FOX News ein exklusives Interview – neben dem Präsidenten sitzt Musk im Sakko über seinem anscheinend neuen Lieblingsshirt: „Tech Support“. Auf die Frage nach der eigenen Rolle in der Regierung sagt er: „Ich bin ein Technologist. Mein Shirt sagt ›Tech Support‹, weil ich hier bin, um den Präsidenten technisch zu unterstützen.“
Die lange Geschichte der Technokratie
So brillant sich Musk auch inszeniert, die Idee für ein solches Department stammt nicht von ihm – sie scheint ein „Familienerbstück“ zu sein.
Bereits in den 1930er-Jahren entwickelte Technocracy Inc. mit Continental Control eine Instanz, die den gesamten nordamerikanischen Kontinent effizient verwalten sollte – jenseits der als „überholt“ und von außen „importiert“ empfundenen demokratischen Strukturen. Ist das der wahre Gedanke hinter Musks nerdigem Shirt?
Unter dem Schreckbegriff „Technokratie“ werden häufig Orwell’sche Szenarien des Social Engineering herbeifantasiert. Doch Technokratie ist mehr als ein problematisches Modell sozialer Gestaltung – sie ist auch eine Vision der Ressourcenverwaltung, die auf Kontrolle und maximale Effizienz setzt. Und genau das ist der entscheidende Punkt: Wer die technologischen Zukunftsbranchen dominieren will, braucht vor allem eines – Rohstoffe. Und während die Ansprüche so mancher Akteure grenzenlos erscheinen, sind es die Ressourcen keineswegs.
taz FUTURZWEI, das Magazin für Zukunft – Ausgabe N°33: Wer bin ich?
Der Epochenbruch ist nicht mehr auszublenden. Mit ihm stehen die Aufrüstung Deutschlands und Europas im Raum, Kriege, Wohlstandverluste, ausbleibender Klimaschutz. Muss ich jetzt für Dinge sein, gegen die ich immer war?
Mit Aladin El-Mafaalani, Maja Göpel, Wolf Lotter, Natalya Nepomnyashcha, Jette Nietzard, Richard David Precht, Inna Skliarska, Peter Unfried, Daniel-Pascal Zorn und Harald Welzer.
Immer noch wird Trump eine Klimaproblem-Ungläubigkeit nachgesagt – und diese Annahme ist ebenso naiv wie gefährlich. Die fossile Ökonomie, die Trumps Vision vom „goldenen Zeitalter“ Amerikas stützt, steht vielmehr in einer langen Tradition geopolitischer Kalkulationen, die sich der klimatischen Realität durchaus bewusst sind – aber daraus andere Schlüsse ziehen.
Der Soziologe Bruno Latour wies bereits während Trumps erster Amtszeit darauf hin, dass die „Eliten“ den Klimawandel sehr wohl ernst nehmen – jedoch nicht im Sinne einer globalen Verantwortung. Eher haben sie sich von der Last der Solidarität befreit.
Goldene Festung
Die „goldene Festung“ für eine exklusive Minderheit – symbolisiert nun auch durch Trumps „Gold Card“ – verlangt die öffentliche Leugnung des Klimawandels, ein zentrales Leitmotiv der „America First“-Politik.
Schon 1934 warnten die Technokraten im Technocracy Study Course vor der Endlichkeit fossiler Brennstoffe: Sollte der Kohleverbrauch weiterhin um sieben Prozent jährlich steigen, wären die US-Vorkommen bis 2033 erschöpft.
Die ungleiche Verteilung industrieller Mineralien auf der Erde war das zentrale Anliegen der Technocracy Inc. Solange hochenergetische Zivilisationen wie die USA fossile Brennstoffe nutzten, hieß es damals, würden sie die Welt dominieren: „Der Traum von weltweiter Gleichheit ignoriert diese physische Realität völlig.“
Nach der Analyse der Rohstoffverfügbarkeit kam Technocracy Inc. 1937 zum Schluss, dass der nordamerikanische Kontinent eine „natürliche wirtschaftliche Einheit“ sei. Das vorgeschlagene Technat wäre autark – eine sich selbst versorgende Wirtschaftszone, die jedoch eine neue, effektivere Verwaltungsform benötigte.
Demokratische Prinzipien seien als „importierte politische Philosophie“ für diese Ordnung ungeeignet, da sie nicht mit den wirtschaftlichen Notwendigkeiten vereinbar sind.
Big Tech und das Ende der Demokratie
Die Argumente, die Parag Khanna 2017 in seinem Buch über direkte Technokratie anführt, die er als Alternative zur versagenden US-Demokratie sieht, ähneln erstaunlich denen der Technokraten der 1930er-Jahre. „Amerika ist ein Imperium“, erklärte Khanna in einem seiner jüngsten Interviews, und solle sich nicht an den Maßstäben einer klassischen Nationalstaat-Demokratie messen lassen.
Seit 2022 ist Khanna auch im KI-Sektor aktiv, mit AlphaGeo – einer KI-Plattform für prädiktive Geoanalysen, die „zukunftssichere“ globale Investitionen auch im Zeitalter des Klimawandels erlauben würden.
Nur selten denken wir neue Technologien wie die KI als physisches Gebilde – und das ist fatal. Denn dahinter stehen reale Geräte – eine Anatomie an Material, für die der Planet ohne Rücksicht ausgenommen wird und wir Menschen zusammen mit ihm. Heute richtet sich der Blick auf neue Schlüsselressourcen wie seltene Erden und Lithium-Rohstoffe, die unter anderem für KI, Hochleistungsrechenzentren und Weltraumtechnologien unverzichtbar sind. Auf einmal reicht das „Technat“ nicht mehr aus – es werden andere Gebiete relevant.
Plötzlich erscheinen Trumps Handelskriege und geopolitische Spannungen in einem neuen Licht. Seine Wirtschaftspolitik mag auf den ersten Blick erratisch wirken, doch sie könnte in Wahrheit einer bewussten Strategie der Ressourcensicherung folgen.
Seine wiederholten Beleidigungen gegenüber Justin Trudeau als „Gouverneur Kanadas“ und der Versuch, Grönland „so oder so“ zu erwerben, sind keine Launen – sie fügen sich zu einem Muster.
In der Ukraine setzt Washington auf wirtschaftlichen und militärischen Druck, um Zugang zu kritischen Rohstoffen wie Lithium und Germanium zu erhalten. Und mit Ken Howery, US-Botschafter in Dänemark und ein enger Vertrauter Musks und Mitbegründer von PayPal, hat die Trump-Administration einen direkten Draht zu den Ressourcen unter Grönlands schmelzendem Eis.
Dezentrierung der amerikanischen Politik
Die Fußnoten zur gegenwärtigen Politik Washingtons sind von nun an an anderen Orten zu suchen – in Silicon Valley zum einen – oder vielmehr in Mar-a-Lago. Dort hat der intellektuelle Kopf neuer Technokapitalisten, Marc Andreessen, wie er selbst zugab, Trump während der Wahlkampagne zu Technologie- und Wirtschaftspolitik beraten, oder eher bearbeitet.
Zum anderen finden sich die Fußnoten in den historischen Dokumenten der Technocracy Inc. Als „unbezahlter Praktikant“ engagiert sich der Silicon-Valley- und SpaceX-Großinvestor Andreessen nun in Musks DOGE.
Im Oktober 2023 veröffentlichte er sein Tech-Optimist-Manifesto, in dem er einen neuen Tech-Messianismus propagiert. „Es gibt kein Problem, das nicht mit mehr Technologie gelöst werden kann“, heißt es im Manifest. Der Klimaschutz als Ziel wird dabei dem technologischen Fortschritt fatal untergeordnet. Erster Unterzeichner: Guillaume Verdon – Ex-Google-Ingenieur, KI-Forscher und Vertreter des effektiven Akzelerationismus, welcher technologischen Fortschritt als nahezu uneingeschränkt positiv ansieht.
Auf X sprach Verdon im Zusammenhang mit seiner KI-Forschung und in Anspielung auf ein US-amerikanisches Atombomben-Projekt der 1940er von „AI-Manhattan Project“ und warnte zynisch: „If you knew what I was building, you’d try to ban it.“ Den KI-Wettlauf betrachten die USA als eine neue Frontlinie.
Wie einst bei Atomwaffen wird alles darangesetzt, die Vorherrschaft in diesem Bereich zu sichern. Musk will KI im Staatsapparat einsetzten und sieht darin, ähnlich wie Andreessen, das ultimative Heilmittel für aktuelle Missstände.
Technokratie und Anarchokapitalismus
Den heutigen Anarchokapitalisten beschreibt der Kognitionspsychologe Christian Stöckner als jemanden, der das Ende des staatlichen Gewaltmonopols bereits privat vorwegnimmt: „Das sind hochintelligente, aber halbgebildete Nerds, angetrieben von Narzissmus und intellektuellem Größenwahn.“
Seine Beschreibung trifft haargenau auf die „Experten“ des von Elon Musk gegründeten DOGE zu – junge, überambitionierte Tech-Berufseinsteiger und Studienabbrecher mit Verbindungen zu SpaceX, Palantir, Meta und Neuralink, wie Akash Bobba, Edward Coristine und der offen rassistische Marko Elez.
Die Funktionen des DOGE werfen juristische Fragen auf. Was feststeht, ist, dass das Department wie bereits das Continental Control der Technocracy Inc. auf der Idee einer übergeordneten Institution basiert, die die Effizienz anderer Behörden überwachen und verbessern soll. Es scheint, als habe der stolze Enkel seines Großvaters mit dem DOGE die Vision eines technokratischen Eingriffs in die Politik endlich in die Tat umgesetzt.
Die Maske des Narren ist nicht nur bequem, wenn es um Flucht vor der Verantwortung geht – sie ist auch ein Ablenkungsmanöver. So kann sich Trumps „Irrationalität“ am Ende als eine fatale Strategie der „Political Fiction“ entpuppen. Während Musk, der sich hinter Trump in der Rolle des Possenreißers versteckt, vielleicht eine weitaus strategischere Rolle spielt, als zunächst angenommen werden konnte.
Ob Trump seine Expansionsdrohungen umsetzt, bleibt abzuwarten. Doch dass er, gestützt von den Tech-Milliardären wie Musk, bereits andere Mittel einsetzt, um Kontrolle über fremde Länder und deren Mineralien zu gewinnen, ist kaum zu übersehen.
Die USA befinden sich in einer Metamorphose – doch es wird wohl kein Schmetterling. Eine Technokratie viel eher, und um die Dinge beim Namen zu nennen, wäre der erste Schritt, das Problem zu erkennen. Wer von der „Begrenztheit“ der Erde spricht und diese mit einer durch KI unterstützte Weltraumkolonisation überwinden will, sollte einen Sci-Fi-Film drehen, doch keineswegs ein Department leiten.
Die neue amerikanische Technokratie ist gefährlich, weil sie all in geht, ohne den Rest der Welt gefragt zu haben. Es ist ein Plan, der auf einem enormen Ressourcenverbrauch basiert, den sich die Welt in der Klimakrise kaum leisten kann.
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