Trumps Iran-Sanktionen treten in Kraft: USA verschärfen die Wirtschaftskrise
Die katastrophale wirtschaftliche Lage löst im Iran Unruhen aus. Jetzt wird die Lage durch die US-Sanktionen weiter eskaliert.
Immer wieder war es in den vergangenen Monaten in Iran vermehrt zu Streiks und Protesten gekommen. Die Menschen in Teheran und Städten wie Isfahan, Maschhad und Schiras richten sich nun aber weit vehementer als bei früheren Demonstrationen gegen das gesamte System Irans, insbesondere gegen den herrschenden Klerus. Am Freitagabend etwa hatten rund 500 Demonstranten eine Religionsschule in Karadsch nahe Teheran angegriffen. Sie versuchten, die Türen aufzubrechen und das Gebäude in Brand zu stecken. „Nieder mit der Diktatur!“, skandierten sie, und: „Nieder mit der Islamischen Republik!“.
Während die Ereignisse in den sozialen Netzwerken ausführlich kommentiert werden, erwähnen die iranischen Medien sie kaum. Die Regierung behauptet, die landesweit verbreiteten Videos seien Propaganda von Exiliranern, die von den USA, Israel und Saudi-Arabien finanziert würden. „Sie glauben, wenn sich 50 bis 200 Leute versammeln, gerate das Land außer Kontrolle“, sagte der iranische Innenminister Abdulresa Rahmani Fasli. „Sie irren sich gewaltig.“
Grund für die Unruhen ist die katastrophale wirtschaftliche Lage in Iran. Die Landeswährung befindet sich seit Wochen im freien Fall. Seit April hat der iranische Rial fast 50 Prozent seines Werts eingebüßt. Die Lebensmittelpreise steigen, und besonders unter Jugendlichen ist die Arbeitslosigkeit hoch. Hinzu kommt ein dramatischer Mangel an Brauch- und Trinkwasser in vielen Gegenden des Landes. Für die Bürgerinnen und Bürger wird das Leben immer unerträglicher.
Sommer 2009: "Grüne Bewegung"
Als Präsident Mahmud Ahmadinedschad wiedergewählt wird und Staatsoberhaupt Ali Chamenei sich trotz gefälschter Wahlergebnisse hinter ihn stellt, gehen Millionen IranerInnen auf die Straße. Der Protest wird niedergeschlagen.
Dezember 2017: Kopftuchproteste
Frauen beginnen gegen den Schleierzwang zu protestieren, indem sie ihre Kopftücher als Fahne an einen Stock hängen. Dutzende Frauen sind seitdem im Zuge der Proteste festgenommen worden.
Januar 2018: regimekritische Demonstrationen
Proteste mit 25 Toten und rund 4.000 Festnahmen sorgen international für Schlagzeilen. Seither kommt es immer wieder zu kleineren Demos. Das Ausmaß von 2009 haben sie jedoch bislang nicht erreicht.
Mai 2018: Trucker-Streik
Lkw-Fahrer treten in den Streik, um höhere Löhne zu erkämpfen. Tankstellen geht das Benzin aus.
Juni 2018: "Bazari"-Protest
Händler auf dem politisch einflussreichen Basar in Teheran schließen ihre Geschäfte. Sie protestieren gegen den hohen Wechselkurs und verlangen klarere Zollvorschriften. (hag)
Diese Wirtschaftskrise hat mehrere Ursachen: Misswirtschaft, Mangel an notwendigen Reformen, die himmelschreiende Korruption und nicht zuletzt die neu eingesetzten, seit Monaten diskutierten US-Sanktionen. Die gemäßigte Regierung von Hassan Rohani hatte jahrelang mit den UN-Vetomächten und Deutschland über das Atomabkommen verhandelt, das die Aufhebung der Sanktionen vorsah. 2015 wurde es schließlich unterzeichnet.
Die Regierung in Teheran wollte damit einen wirtschaftlichen Aufschwung herbeiführen. Das ist ihr nicht gelungen: Für notwendige Erneuerungen war Rohanis Regierung zu schwach. Hardliner und Konservative torpedierten ihre Pläne. Inzwischen sind die Millionen Iraner und Iranerinnen, die Rohani gewählt und von ihm grundlegende Veränderungen erwartet haben, bitter enttäuscht.
Kaum noch jemand in Iran hofft auf eine Besserung der Lage. Im Gegenteil: Die neuen US-Sanktionen lassen noch schlimmere Zeiten befürchten. Die USA wollen verhindern, dass Iran US-Dollar erwirbt und mit Gold und anderen Edelmetallen handeln kann. Iran soll keine internationalen Finanztransaktionen mehr tätigen können. Auch der Handel mit bestimmten Metallen, Rohstoffen und Industriewaren soll unterbunden werden. Darunter fallen auch Autos und Flugzeugersatzteile.
Zudem soll der Import iranischer Produkte wie Teppiche, Pistazien und Kaviar verboten werden. Nach dieser ersten Phase sollen am 4. November weitere Sanktionen in Kraft treten. Diese sollen den Export iranischen Öls sowie den internationalen Zahlungsverkehr mit dem Land verhindern. Wichtige Abnehmer wie Indien, China und die Türkei wollen aber auch weiterhin iranisches Öl kaufen.
USA wollen Protest unterstützen
Die US-Regierung unter Trump hatte das internationale Atomabkommen mit Iran im Mai einseitig aufgekündigt. Sie will dadurch den wirtschaftlichen Druck auf Teheran so verstärken, dass das Regime die Bedingungen Washingtons zu einem neuen Abkommen akzeptiert. Die USA seien zwar offen für Fortschritte in den Beziehungen mit Teheran, sagte US-Außenminister Mike Pompeo. Dafür müsse es beim „iranischen Regime“ aber enorme Veränderungen geben. An das iranische Volk gerichtet sagte Pompeo: „Die Führer des Staates […] werden die qualvollen Folgen ihres Handelns zu spüren bekommen.“ Der Druck werde erst dann nachlassen, wenn in der iranischen Politik eine spürbare und dauerhafte Wende vollzogen werde.
Doch die US-Regierung will nicht nur wirtschaftlichen Druck ausüben. Nach eigenen Angaben plant sie, die Unzufriedenen und Protestierenden in Iran zu unterstützen. Geplant sei etwa ein Fernseh- und Radiosender, der auch über das Internet zu empfangen sein soll. Iranerinnen und Iraner sollen zudem Hilfe erhalten, um die Filterung von sozialen Netzwerken zu umgehen.
Laut einem Reuters-Bericht haben die USA bereits eine Propagandaoffensive unter Leitung von Pompeo und Sicherheitsberater John Bolton gestartet, um Unruhe im Land zu stiften, die iranische Staatsführung zu diffamieren und die Probleme des Landes überspitzt darzustellen. „Lassen Sie mich deutlich betonen, dass wir keinen Regimewechsel in Iran anstreben, sondern einen Wechsel der Politik und des Verhaltens des Regimes“, wird ein hochrangiger Angestellter des Außenministeriums zitiert. Letztendlich werde das Regime „sich für einen Wechsel entscheiden oder die Folgen seines zerstörerischen Treibens ertragen“.
Die Chance, dass es den Reformern und Gemäßigten gelingt, die Konflikte mit den USA auf diplomatischem Weg zu lösen, ist allerdings gering. Wahrscheinlicher ist, dass die Regierung Rohani dem Druck nicht standhalten kann – und den Platz für die Hardliner und Erzkonservativen räumen muss. Mit Donald Trump im Weißen Haus und den Hardlinern an der Macht in Teheran könnte die Lage weiter eskalieren. Die Folge könnte ein neuer Krieg im Nahen Osten sein – mit verheerenden Folgen.
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