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„Trumpcare“ in den USA gescheitertGute Laune bei den Demokraten

Wegen einer breiten linken Mobilisierung und der Spaltung der Republikaner ist „Trumpcare“ gescheitert. Die Demokraten schöpfen Mut.

Haben endlich was zu feiern: Demokraten-Fraktionschefin Nancy Pelosi und weitere Abgeordnete Foto: reuters

New York taz | Verkehrte Welt in Trumpland: Die DemokratInnen feiern einen Sieg. „Heute ist ein großer Tag für unser Land“, sagte ihre Fraktionschefin im Repräsentantenhaus, Nancy Pelosi, am Freitag mit strahlendem Lächeln. Linke AktivistInnen jubilierten darüber, dass ihre Telefonkampagnen, ihre öffentlichen Debatten und ihre Demonstrationen Obamacare gerettet haben. Und der republikanische Speaker Paul Ryan gab beim Rückzug seines Gesetzentwurfs niedergeschlagen zu: „in absehbarer Zukunft werden wir mit Obamacare leben müssen“.

Bloß US-Präsident Donald Trump gab sich trotzig und verkündete, Obamacare werde „explodieren“. Allerdings blieb er die Erklärung schuldig, wie das geschehen wird. „Wir werden dieses desaströse Gesetz abschaffen und ersetzen“, hatte Trump einen Wahlkampf lang geprahlt, „es wird eine echte Veränderung geben, auf die wir stolz sein können“. Schon an seinem ersten Tag im Amt wollte er Obamacare abschaffen. Unmittelbar danach sollte der Kongress ihm ein neues Gesetz vorlegen. Diese Alternative in Form von Trumpcare ist am 64 Tag des Präsidenten im Weißen Haus gescheitert.

Verantwortlich dafür ist die tiefe Spaltung im Inneren der republikanischen Mehrheitsfraktion. Trotz hartnäckiger Verhandlungen bis zum letzten Moment standen nicht genügend RepublikanerInnen hinter dem Gesetz. „Wir haben nicht den nötigen Konsens“, begründete Speaker Ryan, als er Trumpcare zurückzog, bevor es zur Abstimmung kam.

Tatsächlich waren zwischen 28 und 35 Mitglieder der republikanischen Mehrheitsfraktion gegen Trumpcare. Ihre Gründe gingen auseinander. Einigen moderaten RepublikanerInnen gingen die Streichungen in der Gesundheitsversorgung zu weit. Den meisten GegnerInnen hingegen gingen sie nicht weit genug.

Genugtuung für Ex-Präsident Obama

Die Mitglieder des radikal rechten, aus der Tea Party hervorgegangenen „Freedom Caucus“ haben sieben Jahren lang mit wütender Energie gegen Obamacare gekämpft, weil es zu viel öffentliche Gelder in die Gesundheitsversorgung von Armen und Niedriglohnempfängern stecke. In ihren Augen war Trumpcare nicht radikal genug anders. Trumpcare hätte zwar bis Mitte des nächsten Jahrzehnts 24 Millionen Menschen ihrer gerade erst erhaltenen Krankenversicherung beraubt, und hätte die bisherigen Subventionen in Steuervorteile verwandelt, die vor allem Besserverdienenden nutzen würden, doch zugleich wären weiterhin Milliarden aus dem Bundeshaushalt an die Bundesstaaten gegangen.

Seit das Gesetz von Trump und Ryan gescheitert ist, geht ein spürbares Aufatmen durch das Land. Die DemokratInnen im Kongress und in den Bundesstaaten hatten sich in seltener Geschlossenheit gegen Trumpcare positioniert. Die Rettung von Obamacare, exakt sieben Jahre und einen Tag nachdem es geschaffen worden war, erschien ihnen wie eine späte Genugtuung für Ex-Präsident Barack Obama. Zugleich wollen sie es als positives Zeichen für ihre künftigen Wahlchancen verstehen.

Doch auch zahlreiche republikanische PolitikerInnen in der tiefen Provinz zeigten sich am Freitag erleichtert. Trumpcare hätte riesige Löcher in die Gesundheitsversorgung gerissen. Zu den zahlreichen Opfern hätten Drogenabhängige und psychisch Kranke gehört, auch die Einrichtungen zur Familienplanung hätten Mittel und Personal verloren.

Die Linke hat Obamacare in den zurückliegenden Wochen mit einer massiven Mobilisierung verteidigt. Überall im Land haben Menschen, von denen viele nie zuvor politisch aktiv waren, Druck auf Kongressabgeordnete gemacht, damit sie Obamacare behalten. Mancherorts kamen Tausende auf kleinen Straßen vor den privaten Wohnhäusern von – demokratischen und republikanischen – Abgeordneten zusammen. Auf ihren Transparenten war von Leben und Tod die Rede.

Eine öffentliche Krankenversicherung?

Nach der überraschenden Wende in Washington wollen die linken VerteidigerInnen von Obamacare jetzt versuchen, die Unzulänglichkeiten und Lücken von Obamacare zu reparieren. Anstand von privaten Versicherungen wollen sie eine öffentliche Krankenversicherung nach dem kanadischen Modell einführen. Das betrachten sie als bestes Mittel gegen die Kostenexplosion. Sie wollen auch die mehr als 25 Millionen Menschen, die nach der Einführung von Obamacare weiterhin keine Krankenversicherung haben, berücksichtigen.

Der Augenblick ist günstig. Noch vor wenigen Jahren galt eine öffentliche Krankenversicherung für alle in den USA als sozialistischer Unsinn. Im Wahlkampf trat lediglich Bernie Sanders dafür ein. Doch nach Umfrage des Instituts Gallup ist eine öffentliche Krankenversicherung jetzt der Wunsch einer Mehrheit von US-AmerikanerInnen.

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10 Kommentare

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  • Das freut mich zu lesen, dass in den USA jetzt eine öffentliche Krankenversicherung besser Aussichten auf eine Einführung hat - und dass die von Obamacare noch nicht erfassten Menschen jetzt auch gesehen werden und versucht wird, sie in den Schutz und das Grundrecht auf eine Krankenversicherung einzubeziehen - das sind doch schöne Informationen - im Gegensatz zu dem Horror, den Trumpcare angerichtet hätte. In Deutschland eiern wir zu dem Thema Rente ähnlich herum und weigern uns auch ein bereits erfolgreiches Vorbild aus Österreich einzuführen - so weit sind wir also gar nicht von den Unsinnigkeiten in den USA entfernt.

  • 5G
    571 (Profil gelöscht)

    "Trumpcare", krassester Widerspruch in einem Wort...

    • 6G
      61321 (Profil gelöscht)
      @571 (Profil gelöscht):

      Oxymoron

      • 5G
        571 (Profil gelöscht)
        @61321 (Profil gelöscht):

        genau

  • Warum feiern die Demokraten einen Sieg? Mit ihnen hat das Scheitern Trumps fast nichts zu tun. Es ist die Uneinigkeit bei den Republikanern, die das Gesetzt gestoppt hat.

     

    "Den meisten GegnerInnen hingegen gingen sie nicht weit genug."

     

    Genau. Diejenigen, die eine staatlich geförderte Gesundheitsvorsorge komplett abschaffen wollen, haben einen Sieg errungen. Ich glaube nicht, dass das ein Grund zum feiern ist. Eher ein schlechtes Zeichen für die Zukunft.

    • @warum_denkt_keiner_nach?:

      Das stimmt, die Motivation von vielen republikanischen Abgeordneten Trumpcare scheitern zu lassen ist gruselig. Trotzdem ist die Kuh erst mal vom Eis, und das Obamacare zu mobilisieren vermag und die Demokraten es offensiv vertreten und sogar ausbauen wollen ist ein gutes Zeichen.

      • @Waage69:

        "Trotzdem ist die Kuh erst mal vom Eis..."

         

        Eben nicht. Die Webfehler von Obamacare bleiben ja bestehen. Besonders das Problem mit den ständig steigenden Beiträgen. Auch wenn T. jetzt eine Niederlage einstecken musste, so könnte er sich in 1-2 Jahren in der komfortablen Lage befinden, dass gehandelt werden muss und er die Schuld für die entstandene Lage seinen Gegnern zuschieben kann. Dann wird es schwer, ihn noch einmal zu stoppen.

        • @warum_denkt_keiner_nach?:

          Wie haben sich denn die Beiträge in den letzten Jahren entwickelt?

           

          Meines Wissens lag die Steigerungsrate zuletzt bei etwa zwei Prozent pro Jahr. Und die Arbeitgeber zahlen da ja mit.

           

          Außerdem befinden sich "Vergleichsportale" in einzelnen Bundesstaaten noch im Aufbau, ebenso wie Versicherungsunternehmen. Der sich entwickelnde Wettbewerb und die Möglichkeiten zum schnellen und einfachen Vergleich der Angebote wirkt der zu Beginn von den Republikanern befürchteten Preisspirale entgegen.

  • "Tatsächlich waren zwischen 28 und 35 Mitglieder der republikanischen Mehrheitsfraktion gegen Trumpcare. Ihre Gründe gingen auseinander."

     

    Woher kommt dieser Schätzwert?

    • @lions:

      @ ANAMOLIE

      Die meisten anderen Medien nennen wenigstens die Quelle und kommen auch zu etwas anderen Zahlen als die TAZ, z. B.: http://www.mdr.de/nachrichten/politik/ausland/usa-abstimmung-gesundheitsreform-100.html

      „Einer Zählung der "Washington Post" zufolge widersetzten sich am Donnerstagmittag noch 36 überwiegend konservative Republikaner dem Plan. ... Öffentlich hatten immerhin 25 republikanische Abgeordnete ihr "Nein" angekündigt.“