„Trumpcare“ in den USA gescheitert: Gute Laune bei den Demokraten
Wegen einer breiten linken Mobilisierung und der Spaltung der Republikaner ist „Trumpcare“ gescheitert. Die Demokraten schöpfen Mut.

Bloß US-Präsident Donald Trump gab sich trotzig und verkündete, Obamacare werde „explodieren“. Allerdings blieb er die Erklärung schuldig, wie das geschehen wird. „Wir werden dieses desaströse Gesetz abschaffen und ersetzen“, hatte Trump einen Wahlkampf lang geprahlt, „es wird eine echte Veränderung geben, auf die wir stolz sein können“. Schon an seinem ersten Tag im Amt wollte er Obamacare abschaffen. Unmittelbar danach sollte der Kongress ihm ein neues Gesetz vorlegen. Diese Alternative in Form von Trumpcare ist am 64 Tag des Präsidenten im Weißen Haus gescheitert.
Verantwortlich dafür ist die tiefe Spaltung im Inneren der republikanischen Mehrheitsfraktion. Trotz hartnäckiger Verhandlungen bis zum letzten Moment standen nicht genügend RepublikanerInnen hinter dem Gesetz. „Wir haben nicht den nötigen Konsens“, begründete Speaker Ryan, als er Trumpcare zurückzog, bevor es zur Abstimmung kam.
Tatsächlich waren zwischen 28 und 35 Mitglieder der republikanischen Mehrheitsfraktion gegen Trumpcare. Ihre Gründe gingen auseinander. Einigen moderaten RepublikanerInnen gingen die Streichungen in der Gesundheitsversorgung zu weit. Den meisten GegnerInnen hingegen gingen sie nicht weit genug.
Genugtuung für Ex-Präsident Obama
Die Mitglieder des radikal rechten, aus der Tea Party hervorgegangenen „Freedom Caucus“ haben sieben Jahren lang mit wütender Energie gegen Obamacare gekämpft, weil es zu viel öffentliche Gelder in die Gesundheitsversorgung von Armen und Niedriglohnempfängern stecke. In ihren Augen war Trumpcare nicht radikal genug anders. Trumpcare hätte zwar bis Mitte des nächsten Jahrzehnts 24 Millionen Menschen ihrer gerade erst erhaltenen Krankenversicherung beraubt, und hätte die bisherigen Subventionen in Steuervorteile verwandelt, die vor allem Besserverdienenden nutzen würden, doch zugleich wären weiterhin Milliarden aus dem Bundeshaushalt an die Bundesstaaten gegangen.
Seit das Gesetz von Trump und Ryan gescheitert ist, geht ein spürbares Aufatmen durch das Land. Die DemokratInnen im Kongress und in den Bundesstaaten hatten sich in seltener Geschlossenheit gegen Trumpcare positioniert. Die Rettung von Obamacare, exakt sieben Jahre und einen Tag nachdem es geschaffen worden war, erschien ihnen wie eine späte Genugtuung für Ex-Präsident Barack Obama. Zugleich wollen sie es als positives Zeichen für ihre künftigen Wahlchancen verstehen.
Doch auch zahlreiche republikanische PolitikerInnen in der tiefen Provinz zeigten sich am Freitag erleichtert. Trumpcare hätte riesige Löcher in die Gesundheitsversorgung gerissen. Zu den zahlreichen Opfern hätten Drogenabhängige und psychisch Kranke gehört, auch die Einrichtungen zur Familienplanung hätten Mittel und Personal verloren.
Die Linke hat Obamacare in den zurückliegenden Wochen mit einer massiven Mobilisierung verteidigt. Überall im Land haben Menschen, von denen viele nie zuvor politisch aktiv waren, Druck auf Kongressabgeordnete gemacht, damit sie Obamacare behalten. Mancherorts kamen Tausende auf kleinen Straßen vor den privaten Wohnhäusern von – demokratischen und republikanischen – Abgeordneten zusammen. Auf ihren Transparenten war von Leben und Tod die Rede.
Eine öffentliche Krankenversicherung?
Nach der überraschenden Wende in Washington wollen die linken VerteidigerInnen von Obamacare jetzt versuchen, die Unzulänglichkeiten und Lücken von Obamacare zu reparieren. Anstand von privaten Versicherungen wollen sie eine öffentliche Krankenversicherung nach dem kanadischen Modell einführen. Das betrachten sie als bestes Mittel gegen die Kostenexplosion. Sie wollen auch die mehr als 25 Millionen Menschen, die nach der Einführung von Obamacare weiterhin keine Krankenversicherung haben, berücksichtigen.
Der Augenblick ist günstig. Noch vor wenigen Jahren galt eine öffentliche Krankenversicherung für alle in den USA als sozialistischer Unsinn. Im Wahlkampf trat lediglich Bernie Sanders dafür ein. Doch nach Umfrage des Instituts Gallup ist eine öffentliche Krankenversicherung jetzt der Wunsch einer Mehrheit von US-AmerikanerInnen.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Soziologische Wahlforschung
Wie schwarz werden die grünen Milieus?
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt
Nach Absage für Albanese
Die Falsche im Visier
Nach Taten in München und Aschaffenburg
Sicherheit, aber menschlich
Treibhausgasbilanz von Tieren
Möchtegern-Agrarminister der CSU verbreitet Klimalegende
Ägyptens Pläne für Gaza
Ägyptische Firmen bauen – Golfstaaten und EU bezahlen