Trübe Konjunkturaussichten: Unionspolitiker wollen bremsen
Weil die Wirtschaft schwächelt, fordern Unionspolitiker, Vorhaben wie Mindestlohn und die Rente mit 63 auszusetzen. Die SPD reagiert zurückhaltend.
BERLIN rtr | In der Union nehmen angesichts der trüben Wachstumsaussichten die Forderungen zu, zentrale Projekte der großen Koalition zu verschieben. „Wenn man beispielsweise die Rente mit 63 aussetzen würde, könnten wir stattdessen um mindestens einen halben Prozentpunkt die Rentenversicherungsbeiträge senken“, sagte der Vorsitzende des Wirtschaftsausschusses im Bundestag, Peter Ramsauer, am Mittwoch im Deutschlandfunk. Er forderte zudem, die Einführung des Mindestlohns zu verschieben.
Der Chef der Unions-Mittelstandsvereinigung, Carsten Linnemann, sagte mit Blick auf die Konjunkturaussichten, der Koalitionsvertrag müsse „in Gänze auf seine Mittelstandstauglichkeit“ überprüft werden. Alles, was zusätzliche Belastungen und neue Planungsunsicherheiten schaffe, müsse vertagt werden.
Die Bundesregierung hatte am Dienstag ihre Wachstumsprognose drastisch nach unten korrigiert. Danach wird in diesem Jahr nur noch ein Wachstum von 1,2 Prozent erwartet und nicht mehr wie zuvor 1,8 Prozent, für 2015 kürzte Bundeswirtschaftsminister Simgar Gabriel die Prognose auf 1,3 von zuvor 2,0 Prozent.
Die SPD reagierte zurückhaltend auf die Forderungen aus der Union. „Wir gehen nicht davon aus, dass Herr Ramsauer die Meinung der Unions-Fraktion wiedergegeben hat“, sagte ein Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion. Bereits am Dienstag hatten die zurückgeschraubten wirtschaftlichen Erwartungen in der Koalition eine Debatte über mögliche Konsequenzen entfacht.
CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt forderte eine Verschiebung von Projekten wie der Frauenquote für Unternehmen und die gesetzliche Regelung der Werk- und Zeitverträge. Die Frauenquote schränke den Handlungsspielraum von Unternehmen ein. Offenbar ist dies aber auch in der CSU umstritten.
Ramsauer forderte eine konkrete Entlastung der Wirtschaft. Neben Rente und Mindestlohn könnte die Bundesregierung eine Reihe von Exportverboten lockern. „Wir bräuchten nur die Wirtschaftssanktionen etwa gegenüber Iran oder Russland aufheben.“ Der frühere Verkehrsminister regte zudem die Abschaffung der Luftverkehrssteuer an. „Das sind alles Dinge, die die Wirtschaft richtig anschieben würden, ohne dass wir große Investitionsprogramme auflegen.“
Auch Unions-Fraktionsvize Michael Fuchs sagte, vereinbarte Vorhaben müssten zumindest auf der zeitlichen Schiene auf den Prüfstand. Im Handelsblatt betonte Fuchs aber, die Regierung müsse am Ziel eines ausgeglichenen Haushalts 2015 festhalten. „Auf gar keinen Fall darf die schwarze Null infrage gestellt werden.“ In Bild forderte er zudem ein Sparpaket. Um mehr zu investieren, müssten die Etats der Ministerien auf den Prüfstand.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Nach der Gewalt in Amsterdam
Eine Stadt in Aufruhr
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu und Hamas-Anführer
Die Wahrheit
Der erste Schnee
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja