Ausschuss beschließt Haushalt 2015: Schäubles „schwarze Null“
Der Haushaltsausschuss des Bundestages hat den vom Bundesfinanzminister geforderten Etat ohne neue Schulden beschlossen. Die Opposition winkt ab.
BERLIN afp/rtr/taz | Einhellige Freude bei den Koalitionspartnern, geballte Kritik von der Opposition. So in etwa kann man die Stimmung beschreiben, nachdem der erste Etat des Bundes ohne neue Schulden seit 1969 beschlossen wurde. Demnach sollen die Ausgaben im kommenden Jahr bei 299,1 Milliarden Euro liegen.
Vierzehn Stunden dauerte die so genannte Bereinigungssitzung des Haushaltsausschusses. Erst gegen drei Uhr am Freitagmorgen stand das Ergebnis fest. Erstmals seit 45 Jahren will die Regierung damit wieder ohne neue Kredite auskommen. Der haushaltspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Norbert Barthle (CDU), sprach von "haushaltspolitischer Geschichte", die die Koalition geschrieben habe. Exakt dieselben Worte fand sein SPD-Kollege Johannes Kahrs.
Belastungen in Höhe von gut zwei Milliarden Euro – etwa wegen höherer Ausgaben beim Elterngeld und wegen der schwächeren Steuerschätzung – seien durch niedrigere Zinsausgaben und weniger Ausgaben beim Betreuungs- und beim Wohngeld aufgefangen worden.
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hatte den Etat im September in den Bundestag eingebracht. Seine Planungen sahen für 2015 Ausgaben von 299,5 Milliarden Euro und erstmals seit 1969 keine Neuverschuldung vor. Die "schwarze Null" soll auch für die Jahre bis 2018 gelten. Im Haushalt des laufenden Jahres ist noch eine Neuverschuldung von 6,5 Milliarden Euro veranschlagt. Die Steuerschätzung hatte in der vergangenen Woche wegen der sich abschwächenden Konjunktur ein Minus von 500 Millionen Euro bei den Steuereinnahmen für das laufende Jahr ergeben.
Schäubles zehn Milliarden
Der haushaltspolitische Sprecher der Grünenfraktion, Sven-Christian Kindler, erklärte, der Haushalt sei keineswegs ausgeglichen. Finanzminister Schäuble verstecke lediglich die Schulden in „Schattenhaushalten“. Die Regierung verschulde sich bei den Krankenkassen und der Rentenversicherung durch fehlende Investitionen. Die Milliardenkosten würden auf die nächste Legislaturperiode verschoben, kritisierte Kindler. Das ebenfalls auf den Weg gebrachte Investitionspaket in Höhe von zehn Milliarden Euro bezeichnete Kindler lediglich als einen „Tropfen auf den heißen Stein“. Roland Claus, haushaltspolitischer Sprecher der Linken, monierte, dieser Haushalt sei von „Zukunftsverweigerung“ geprägt. „Die Bundesregierung, ihre Kanzlerin und Bundesminister Schäuble bewegen sich nur soweit, wie sie von außen bewegt werden.“ Für Ostdeutschland sei das Werk eine herbe Enttäuschung.
Das von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) vergangene Woche angekündigte Investitionspaket des Bundes soll laut Barthle und Kahrs teilweise aus nicht benötigten Mitteln für das Betreuungsgeld finanziert werden. Von den geplanten zehn Milliarden Euro für zusätzliche Investitionen sollen demnach nur sieben Milliarden Euro ab 2016 zusätzlich im Haushalt verankert werden. Die verbleibenden drei Milliarden Euro sollen durch die Auflösung einer bislang für das Betreuungsgeld reservierten globalen Minderausgabe frei werden, die quer über alle Ressorts festgesetzt worden war.
Barthle betonte, dies bedeute keine Kürzung beim Betreuungsgeld, sondern „wir haben einfach einen realistischeren Ansatz der zu hoch angesetzten Schätztitel“ zugrunde gelegt. Das Bundesfinanzministerium habe mitgeteilt, dass ein niedrigerer Bedarf bestehe. Das Geld soll demnach anteilig in den jeweiligen Ressorts verbleiben, müsse von diesen aber „für investive Zwecke eingesetzt“ werden.
Investition in Infrastruktur und Militär
Für die übrigen sieben Milliarden Euro wurden demnach bereits im Etat 2015 Verpflichtungsermächtigungen eingestellt, die aber noch nicht einzelnen Fachressorts zugewiesen wurden. „Die Verteilung wird in den nächsten Wochen ausverhandelt“, sagte Barthle. Die für die Jahre ab 2016 vorgesehenen Mittel seien aber schon eingestellt worden, „damit bestimmte Projekte schon 2015 geplant und begonnen werden können, auch wenn Geld erst 2016 fließt“.
Im Gespräch sind vor allem Investitionen in den Bereichen Infrastruktur, energetische Sanierung und Verteidigung. Eine Finanzierung durch neue Schulden hatte Schäuble ausgeschlossen.
Ebenfalls am Freitag meldete das Statistische Bundesamt ein leichtes Anwachsen des Bruttoinlandsprodukts (BIP) mit. Demnach legten Ausgaben der privaten Haushalte und die Ausfuhren von Juli bis September kräftig zu, so dass die Wirtschaft minimal um 0,1 Prozent wuchs. Auch Europas Wirtschaft wachse zaghaft. Nur Italien und Zypern steckten noch in der Rezession. Befürchtet worden war ein Rückgang der Wirtschaftsleistung in Deutschland zwei Quartale in Folge – und damit die Rezession.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Fall Mouhamed Dramé
Psychische Krisen lassen sich nicht mit der Waffe lösen
Proteste in Georgien
Wir brauchen keine Ratschläge aus dem Westen
Leben ohne Smartphone und Computer
Recht auf analoge Teilhabe