piwik no script img

Trödelbeschluss des BVerfGKarlsruhe verurteilt sich selbst

Das Bundesverfassungsgericht spricht einer Klägerin Schadensersatz zu – wegen überlanger Verfahrensdauer am eigenen Gericht.

Robe an, Robe aus, Mütze auf, Mütze ab, auch das kostet Zeit: Richter des 2. Senats im Bundesverfassungsgericht. Foto: dpa

Karlsruhe taz | Silke K. erhält 3.000 Euro Entschädigung von der Bundesrepublik Deutschland, weil das Bundesverfassungsgericht ihre Verfassungsklage zu trödelig behandelt hatte. Das stellte jetzt das Bundesverfassunsgericht in eigener Sache fest. Damit hat die zuständige Beschwerdekammer des Gerichts erstmals einem Bürger Entschädigung zugesprochen.

Die Betriebswirtin Silke K. arbeitete in der Personalverwaltung der Musik-Verwertungsgesellschaft GEMA. Als sie sich auf die Stelle derPersonalleitung bewarb, wurde ihr 2006 ein männlicher Kollege vorgezogen. Sie stellte fest, dass in der Führungsebene der GEMA fastnur Männer arbeiteten und fühlte sich diskriminiert.

Außerdem bemerkte sie, dass sie von 2000 bis 2006 schlechter bezahlt wurde als ein gleichwertig beschäftigter Kollege. Sie klagte deshalb unter Berufung auf das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz.

Mit Blick auf den Gehaltsunterschied lehnten die Arbeitsgerichte ihre Klage ab, das Verfahren um die Beförderung zog sich dagegen hin. Wegen des vermeintlich diskriminierenden Gehaltsunterschieds erhob K. dann 2009 Verfassungsbeschwerde. Als sie aber nach einigen Jahren merkte, dass das Verfahren in Karlsruhe verschleppt wird, gab sie entnervt auf und schloss 2013 einen Vergleich, in dem sie eine Abfindung erhielt.

Ende 2014 beschied dann endlich auch Karlsruhe ihre Verfassungsbeschwerde. Diese wurde nicht zur Entscheidung angenommen, da K. nun ja einen Vergleich geschlossen habe.

3.000 Euro Entschädigung

K. hatte mehrfach in Karlsruhe nachgefragt und das lange Verfahren auch förmlich gerügt. Nach Abschluss der Sache klagte sie auf Schadensersatz. Mit Erfolg.

Das Bundesverfassungsgericht räumte selbst ein, dass immerhin zweieinhalb der fünfeinhalb Jahre Prozessdauer unnötig waren. Für jeden der 30 Monate bekommt sie nun hundert Euro, zusammen 3.000 Euro als Entschädigung.

Dass Verfahren am Bundesverfassungsgericht oft jahrlang dauern, ist nichts Neues. Schon mehrfach war Karlsruhe deshalb vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte verurteilt worden. Nach Aufforderung des Straßburger Gerichtshofs schuf der deutsche Gesetzgeber 2011 jedoch einen besonderen Rechtsbehelf für Fälle mit überlanger Verfahrensdauer.

Die Neuerung gilt nicht nur für die normale Justiz, sondern auch für das Bundesverfassungsgericht. Dort befasst sich eine mit vier Richtern besetzte Beschwerdekammer mit derartigen Fragen.

Wie diese Kammer jetzt feststellte, kann von einem Verfassungsgericht zwar nicht verlangt werden, dass es die Fälle in der Reihenfolge des Eingangs abarbeite, vielmehr komme es auch auf deren politische und soziale Bedeutung an. Im konkreten Fall habe es allerdings viel zu lange gedauert, bis überhaupt die federführende Richterin feststand.

Zuständigkeitsstreit zwischen 1. und 2. Senat

Als die Klage 2009 einging, gab es erstmals einen Zuständigkeitsstreit. Im Ersten Senat wolle sich Richter Brun-Otto Bryde, der für das Arbeitsrecht zuständig ist, mit der Sache beschäftigen. Im Zweiten Senat sah sich aber auch der für das Europarecht zuständige Richter Udo di Fabio berufen. Erst nach eineinhalb Jahren entschied ein Ausschuss des Gerichts, dass di Fabio zuständig sei. Nach einem weiteren Jahr änderte das Gericht allerdings die Geschäftsverteilung zwischen den Senaten, sodass nun der Erste Senat den Fall hätte übernehmen müssen.

Doch K.s Klage blieb bei Di Fabio und seinem Nachfolger Peter M. Huber im Zweiten Senat liegen, weil diese stark mit den europapolitischen Prozessen des Gerichts belastet waren. Erst im Oktober 2013 landete die Sache dann bei Brydes Nachfolgerin Susanne Baer, die die Klage mit einer Kammer aus drei Richtern alsbald abschmetterte.

Zerknirscht räumte die Karlsruher Beschwerdekammer nun ein, dass auch überlastete Verfassungsrichter schnell dafür sorgen müssen, dass der Fall zumindest beim zuständigen Richter landet.

Az.: Vz 11/14

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • Je mehr Menschen berechtigt klagen, desto mehr führt dies zu Überlastungen, wenn nicht gleichzeitg das Personal aufgestockt wird.

     

    Es werden aber umso mehr Menschen klagen, je häufiger Gesetze und Grundsatzurteile mißachtet werden, und sei es nur dadurch, daß zwecks Erledigungsverschleppung Gerichte mißbräuchlich angerufen werden, nur um ein paar Stunden vor Beginn der irgendwann einmal anstehenden Hauptverhandlung anzuerkennen und so das Verfahren für erledigt zu erklären. Das Ergebnis ist dann, daß zunehmend trotz deutlicher Fallähnlichkeiten jede Sache als "Einzelfall" neu verhandelt werden muß.

     

    Was vorrangig fehlt, ist eine spürbare strafrechtliche Regelung für genau solche Fälle, und eine Richterschaft, die eine solche Regelung dann auch konsequent umsetzt.

  • ;))

     

    Nur mal am Rande -

    "Liegengebliebene Akten" -

    Ein gern beschwiegenes Phänomen - Gericht!

    Frage daher - wer waren die jeweiligen

    Herren/Damen Senatsversitzend(e)n?

    Deren Job ist es nämlich - derartiges im

    Spruchkörper im Auge zu behalten - &

    Zu Übewachen a Anhangslisten.

     

    Nunja - es gab ja auch mal einen Senatsvorsitzenden,

    der so überlastet war - daß aus seinem

    Dezernat nie ein Verfahren zu Entscheidung

    in den Senat gelangte - & daher

    Zu seiner Entlastung umverteilt werden mußte;)