piwik no script img

Trinkwasserversorgung für ObdachloseKeine Selbstverständlichkeit

In den Innenstädten von Hannover und Hamburg gibt es zu wenig öffentliche Zapfstellen für Obdachlose. Das ist besonders bei Hitze ein Problem.

Zu wenige gibt es davon in norddeutschen Großstädten: Trinkwasserbrunnen Foto: dpa

Bremen taz | Die Versorgung obdachloser Menschen mit Trinkwasser ist ein Problem, vor allem im heißen Sommer – und vor allem in Hannover, sagen Hilfsorganisationen. „Am Schiller-Denkmal gibt es normalerweise den einzigen Trinkbrunnen im Innenstadtbereich“, sagt Mario Cordes von der Obdachlosenhilfe, „der funktioniert aber schon seit letztem Jahr nicht mehr.“

Das stimmt nicht, sagt ein Sprecher des privaten Versorgungsunternehmens Enercity, das in Hannover insgesamt drei Brunnen und auch den am Schiller-Denkmal betreibt. „Seit Mai läuft dieser wieder durchgehend.“

Die Nachfrage bei der Wasserausgabe des Vereins sei jedenfalls stark gestiegen, sagt Cordes. Die Privatleute, die abends zusätzlich zu der nur wenige Stunden am Tag geöffneten Ausgabe herumgehen und Wasser verteilen, seien zwar hilfreich. Aber vorrangig brauche es mehr Brunnen.

Nach Einschätzung der Stadt dagegen sind Obdachlose durch verschiedene Einrichtungen der Wohlfahrtspflege tagsüber genügend versorgt; ebenso durch Essensausgabestellen und Unterkünfte sowie die städtischen Trinkwasserbrunnen. Aktuell leben rund 1.000 Obdachlose in Unterkünften im Stadtgebiet Hannover. Menschen, die nicht in Unterkünften wohnen, sind hier jedoch nicht inbegriffen.

Mir wird immer wieder berichtet, dass Desinteresse doch weh tut

Reinhold Fahlbusch, Verein Stimme der Ungehörten

„Es bestehen im Stadtgebiet zahlreiche Möglichkeiten, kostenlos an Trinkwasser zu gelangen“, sagt eine Sprecherin der Stadt. Auf einer Karte, die einem Bericht der Verwaltung angehängt ist, sind 13 öffentliche Brunnen eingezeichnet. Von diesen liege allerdings keiner in der Innenstadt, kritisiert Cordes, wo sich viele der Obdachlosen aufhielten.

Dem Bericht zufolge sind weitere Brunnen geplant. Als nächstes soll eine Quelle am Maschsee verfügbar gemacht werden. 20.000 Euro kostet die Errichtung einer Zapfstelle; auf 750 Euro belaufen sich die jährlichen Folgekosten. Enercity dagegen plant derzeit keine weiteren Brunnen.

Die Coronapandemie verschlimmere indes die Situation, sagt Ulrich Matthias. Er ist Redakteur der hannöverschen Straßenzeitung Asphalt. Denn Treffpunkte, an denen auch Wasser und zusätzlich ein schattiger Ort angeboten werden, seien eingeschränkt geöffnet. „Wenn man Obdachlosen zurzeit eine Flasche Wasser in die Hand drückt, trinken sie diese oft in einem Zug.“ Matthias fordert die Menschen dazu auf, geschwächt wirkende Obdachlose anzusprechen, mit Wasser zu versorgen und ihnen falls notwendig Hilfe zu rufen – Hauptsache „nicht einfach vorbeigehen“.

Das fordert auch der Gründer und Vorsitzende des Vereins „Stimme der Ungehörten“ Reinhold Fahlbusch. „Mir wird immer wieder berichtet, dass Desinteresse doch weh tut“, sagt er. Auch Fahlbusch kritisiert die prekäre Versorgungslage in Hannover. Mit der Pandemie seien Strukturen zusammengebrochen. „Wie in jeder Stadt gibt es hier Hotspots der Obdachlosen. In deren Nähe müssen Wasserzapfstellen installiert werden“, fordert er.

Auch öffentliche Institutionen wie Freizeitheime und die Organisation Refill, die dafür sorgt, dass einige Geschäfte Wasser an Passant:innen ausgeben, werden von der Stadt als Optionen genannt. In Geschäften nach Wasser zu fragen, stelle für viele Obdachlose jedoch eine hohe Hürde dar, sagen die Helfer:innen. „Sie wissen, dass sie eigentlich nicht gewollt sind“, sagt Fahlbusch. „Und gerade in Hannover hat die Obdachlosenszene einen sehr schlechten Ruf“, sagt Cordes von der Obdachlosenhilfe. „Die haben da drinnen keine Chance.“

Auch in Hamburg ist die Situation prekär. Normalerweise gibt es im Stadtgebiet – Alster, Landungsbrücken, Rathaus, Stadtpark – fünf öffentliche Wasserspender, sagt Janne Rumpelt, Sprecherin des Unternehmens Hamburg Wasser. Coronabedingt sind diese aber derzeit außer Betrieb. „Zum einen ist die kontaktlose Nutzung des Spenders nicht möglich; zum anderen können wir nicht sicher gewährleisten, dass die Abstände an der Säule eingehalten werden“, sagt Rumpelt.

Hamburg Wasser folge damit der Empfehlung der Gesundheitsbehörde. In Hannover und auch in Bremen, wo es nach Auskunft der Gesundheitssenatorin sechs öffentliche Trinkbrunnen gibt, sind die Brunnen trotz der Hygienevorschriften nicht gesperrt.

Wohnungen würden nicht nur Wasserversorgung verbessern

Die Hamburger Versorgungslage zehre an den Nerven der Menschen, sagt Andrea Hniopek, Leiterin des Fachbereichs Existenzsicherung bei der Caritas Hamburg. „Wir nehmen Menschen wahr, die erschöpft rumliegen und vor sich hin dösen.“ Die Versorgung, auch mit Duschmöglichkeiten, habe schon vor Corona nicht gereicht, berichtet Hniopek. Ihre Kolleg:innen, die mit den Projekten der Caritas unterwegs sind, hätten zwar jeweils ein paar Liter Wasser dabei – kompensieren könnten sie den Wegfall der Zapfstellen aber nicht.

Die Lösung für diese und weitere Probleme seien Wohnungen, sagt Hniopek. „Eine geregelte Wohnsituation würde wirklich helfen – nicht so ein aufgeblähtes Hilfesystem, wie wir es momentan anbieten.“ Die Stadt bemühe sich zurzeit sehr, Räume herzurichten; dies sei jedoch zäh. Die Versorgungskrise durch die Pandemie werde sich im Winter weiter verschlimmern, sorgt sich Redakteur Matthias. „Und das Extremwetter ist zurzeit eine zusätzliche Belastung.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • Menschen und deren Bedürfnisse spielen leider in unserer Gesellschaft und in unseren Städten keine Rolle.



    Menschliches wie alles Leben hängt vom Wasser ab. Was defakto nicht öffentlich zugänglich ist.



    Was uns als Mensch charakerisiert ist: Wir müssen Trinken,Pissen,Fressen und Kacken.



    All das müssen wir uns erkaufen.



    Wer kein Geld hat der wird verdursten und verhungern , uriniert in Hauseingänge und Kackt in Treppenhäuser.



    13 Brunnen in einer ganzen Stadt mit ner halben Millionen Einwohnern,



    gehts noch? und wie öffentliche viele Toiletten gibt es?



    Wir Menschen haben uns zum Leben eine lebensfeindliche Umgebung geschaffen.



    Das werden wir solange durchsetzen bis die ganze Welt für uns unbewohnbar wird.

    Warum fällt es uns bloß so schwer ehrlich zu uns selbst zu sein?

  • In Tierparks schafft man das mit der Wasserversorgung - in Innenstädten nicht.

    Das fortgesetzte Problem, Menschen mit Wohnraum zu versorgen, ist hochnotpeinlich für ein Land, das mal eben Milliarden an die Wirtschaft spendet.

    Ich fürchte, es liegt nicht an der Schwierigkeit, ein paar Wohnungen anzumieten oder zu bauen, sondern an mangelndem Willen. Die Obdachlosen sind dem Rest der Gesellschaft, und damit auch den Kommunalverwaltungen, schlichtweg egal.

    Land der Egoisten. Einfach nur peinlich. Abgründig.