Verunreinigtes Trinkwasser: Duschen auf Termin

In Langenhagen haben 2000 Haushalte seit einer Woche kein sauberes Wasser. Schuld ist vermutlich ein Betrieb, aus dem Reinigungsmittel ins Netz floß.

Wasser fließt aus einem Hahn in ein Glas

Enercity und THW haben Wasserwagen aufgestellt, um die Leute mit Trinkwasser zu versorgen Foto: Lukas Schulze

HANNOVER taz | In 2.000 Haushalten im niedersächsischen Langenhagen taugt das Wasser, das aus den Leitungen kommt, nur noch für die Toiletten­spülung. Am Mittwoch vergangener Woche kam bei vielen plötzlich schäumendes, chemisch riechendes Wasser aus dem Hahn. Den Betroffenen beschert das einen beschwerlichen Alltag: Wasser zum Trinken, Kochen, Waschen und Abwaschen muss vom Wasserwagen geholt werden. Wer duschen möchte, kann über das „Duschtelefon“ der Stadt einen Termin machen und dann die Dusche in der Turnhalle des Schulzentrums nutzen.

Der zuständige Versorger Enercity fahndet derweil fieberhaft nach dem Verursacher. Im Verdacht steht ein Gewerbebetrieb, der – vermutlich aufgrund von fehlerhaften oder veralteten Rücklaufventilen – größere Mengen eines Reinigungsmittels in das Trinkwassernetz zurückgepumpt haben soll.

Der Kreis der Verdächtigen ist schon deshalb nicht sehr groß, weil in dessen System ein höherer Druck herrschen muss als im Trinkwassernetz, um einen solchen Eintrag von außen überhaupt möglich zu machen. Konkreter will es Enercity aber lieber nicht sagen – immerhin geht es hier auch um mögliche Haftungsfragen – und man will keine Vorverurteilungen in Umlauf bringen.

Zuallererst war Enercity ohnehin damit beschäftigt, den Schaden zu begrenzen: Die Techniker stellten fest, in welchem Teil des Netzes der unerwünschte Stoff unterwegs war und riegelten es vom Rest ab, um eine weitere Ausbreitung zu verhindern. Betroffen sind trotzdem etliche Straßenzüge in der Stadt nahe des Hannoverschen Flughafens.

Wasser zum Trinken, Kochen, Waschen und Abwaschen muss in Kanistern herbeigeschafft werden

Einige der Anwohner kritisierten, dass die Warnungen vor dem verunreinigten Wasser vor allem bei älteren Nachbarn erst spät ankamen. Enercity hatte die Meldung zuerst über die sozialen Medien verbreitet, dann aber auch einen Lautsprecherwagen herumgeschickt und Flugblätter drucken lassen, die an die betroffenen Haushalte verteilt wurden.

Noch in der Nacht zum Donnerstag begann man außerdem, die Rohre durchzuspülen, in den Tagen darauf folgten die Hausleitungen der Mehrfamilienhäuser, Hausbesitzer wurden aufgerufen, ihre Leitungen ebenfalls durchzuspülen. Und obwohl das in fast allen Haushalten mittlerweile passiert ist, Schaum und Geruch verschwunden sind, kann das Wasser noch nicht wieder freigegeben werden.

„Ich weiß, das ist schwer nachzuvollziehen, aber wir müssen erst absolut sicher sein, dass das Wasser wieder Trinkwasserqualität hat“, sagt Enercity-Sprecher Dirk Haushalter. „Vorher wird das Gesundheitsamt uns auch kein grünes Licht geben.“

Dazu müssen über mehrere Tage an unterschiedlichen Stellen Proben entnommen und an verschiedene Labore im ganzen Land verschickt werden. Die Auswertung auf verschiedene Schadstoffe dauert zum Teil mehrere Tage, weil die Proben erst angesetzt und „bebrütet“ werden müssen. Möglicherweise werden damit noch einmal zwei Wochen ins Land gehen.

In der Zwischenzeit bemüht sich ein Krisenstab mit Vertretern von Enercity, der Stadt Langenhagen, dem Gesundheitsamt der Region, der Feuerwehr, dem Technische Hilfswerk und den Johannitern, die Versorgung der Menschen ­sicherzustellen.

Sechs Wasserwagen stehen an verschiedenen Stellen bereit, an denen die Menschen kostenlos Trinkwasser holen können.

Die Stadt hat eine Telefonhotline geschaltet und eine Infoseite ins Netz gestellt. Bei ihr können sich auch diejenigen melden, die selbst nicht in der Lage sind, das Wasser kanisterweise nach Hause zu schleppen – das übernehmen dann die Ehrenamtlichen von den Johannitern, die nach Feierabend und am Wochenende im Einsatz sind.

Außerdem gibt es extra ein Duschtelefon – dort kann man anrufen, wenn man zwischen 15.30 Uhr und 21 Uhr die Wasch- und Umkleideräume in der Turnhalle des Schul­zentrums nutzen möchte. Von 14 bis 15 Uhr sind die Duschen denjenigen vorbehalten, die eigentlich in Quarantäne sind – danach werden sie gründlich gereinigt. Ein Sicherheitsdienst weist Leute ohne Termin ab.

Enercity bemüht sich derweil, die Betriebe im betroffenen Gebiet zu versorgen – Arztpraxen, Friseure und Bäcker werden mit Kanistern beliefert, dem örtlichen Edeka-Markt hat man einen 1.000-Liter-Tank auf den Hof gestellt – damit der seine Gänge wischen kann. Nur die Wurstproduktion in der hauseigenen Fleischerei habe man ­vorübergehend eingestellt, hat der Kaufmann der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung erzählt – das dazu benötigte Wasser in Eimern ranschleppen zu müssen, erschien ihm nicht sehr praktikabel.

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