Trennung von Staat und Kirche: Religion gehört nicht in die Kita
In Neumünster eröffnet die erste muslimische Kita Schleswig-Holsteins. Das ist eine verständliche Entscheidung, aber es bleibt ein fahler Beigeschmack.

W er weiß, wie vielen Vorurteilen muslimische Eltern ausgesetzt sind, der ahnt, warum das Angebot einer muslimischen Kita, wie sie im schleswig-holsteinischen Neumünster geplant ist, anziehend ist. Endlich ein Ort, wo nicht mal wieder „vergessen“ wird, dass in dieser Süßigkeit oder jenem Gericht Gelatine ist, die aus Schweinefleisch gewonnen wird.
Ein Ort, an dem Mütter nicht gleich als Dummerchen behandelt werden, nur weil sie ein Kopftuch tragen. Wo niemand gleich „kleiner Pascha“ denkt, wenn der Junge sich daneben benimmt und an dem sich niemand rechtfertigen muss, sollten die Kinder im Ramadan halt ein bisschen müde und quengelig sein, weil sie bis zum Fastenbrechen nach Sonnenuntergang wach geblieben sind.
Und trotzdem bleibt ein schaler Beigeschmack. Ist noch mehr Religion in Kitas wirklich gut? Sollte man sie im Sinne einer offenen, pluralistischen Gesellschaft nicht eigentlich aus allen Bildungseinrichtungen zurückdrängen und die Trennung von Staat und Kirche endlich einmal vollziehen?
Bei allem Respekt für gläubige Menschen und allem Verständnis dafür, dass sie ihren Glauben weitergeben möchten: Bitte machen Sie das gern zu Hause. Im Elternhaus, in den Gemeinden. Nicht in einer Bildungseinrichtung, die vom Staat finanziert wird.
Die sollte Rücksicht nehmen auf religiöse Gefühle und Gepflogenheiten, aber weltanschaulich neutral bleiben. Und ja, das gilt erst recht für evangelische und katholische und sonstige Kitas.
Wer soll entscheiden, welche Religion ok ist?
Wer soll denn da sonst noch um die Ecke kommen? Die Zeugen Jehovas, weil es viel leichter ist, den Kindern Harry Potter und Geburtstagsfeiern zu verbieten, wenn alle das machen? Irgendwelche Freikirchen, die den Kindern verbieten, mit Dinosaurierfiguren zu spielen, weil das gegen die biblische Schöpfungslehre verstößt und ihnen erzählen, dass Schwule in die Hölle kommen? Wer soll denn entscheiden, welche und wie viel Religion gerade noch okay ist und welche nicht? Die zulassenden Jugendämter?
Das Argument, „du musst dein Kind da ja nicht hinschicken“ ist an dieser Stelle schon deshalb schwierig, weil die Auswahl an den meisten Orten ja nicht so groß ist. Es gibt eben oft nur eine begrenzte Anzahl an Kitas, die in einer halbwegs sinnvollen, zeitlich machbaren Entfernung von Zuhause und Arbeitsplatz liegen und passende Betreuungszeiten anbieten.
Was ist denn, wenn man am Ende nur noch die Wahl hat zwischen „Jesus liebt dich“ und Job aufgeben? Gilt das Recht auf einen Kita-Platz eigentlich auch dann als erfüllt, wenn damit eine unerwünschte religiöse Indoktrinierung verbunden ist?
Staatliche Bildungseinrichtungen sollten religionsfrei sein – und Anhänger aller Religionen willkommen heißen. Weil auch das in einem demokratischen Staat nicht früh genug eingeübt werden kann: Mit Leuten klarzukommen, die ganz anders ticken als man selbst.
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