Transparenz beim Laden von E-Autos: Strom nicht billiger als Sprit
Wer sein E-Auto an öffentlichen Stationen lädt, sieht nicht auf Anhieb, was das kosten wird. Günstig ist es meist nicht. Da gibt es nur eine Lösung.
„Hohe Preise“ und einen „unwegsamen Tarifdschungel“ an öffentlichen Ladesäulen hat der Ökostromanbieter Lichtblick in seinem „Ladesäulencheck 2019“ beklagt. Spitzenreiter unter den 12 Anbietern, die dort analysiert werden, ist Eon mit 53 Cent pro Kilowattstunde, gefolgt von den Stadtwerken München mit 47 Cent. Nutzten die Kunden das Roaming, tanken sie also an Ladesäulen von Unternehmen, mit denen sie keinen Vertrag haben, wird es noch teurer.
Über die Lichtblick-Untersuchungen hinaus gibt es übrigens kaum systematische Markterhebungen. Daher stützen sich bislang von der Monopolkommission der Bundesregierung bis zur Verbraucherzentrale alle Akteure auf die Zahlen des Ökostromanbieters. Auch der Branchenverband BDEW hat keine eigene Statistik, und selbst der Bundesverband eMobilität teilt auf Anfrage nur mit, dass „keine Statistiken zum Thema Ladetarife vorliegen“.
Die mangelnde Preistransparenz könnte manchem Akteur in der Elektroautodebatte durchaus entgegenkommen: Autobahntankstellen, an denen mitunter sogar 65 Cent je Kilowattstunde fällig werden, sind nicht unbedingt geeignet, das elektrische Fahren als günstige Alternative erscheinen zu lassen.
Für die Kunden sind die Tarife zudem schwer vergleichbar, weil an den Säulen oft nicht nur die Kilowattstunden abgerechnet werden. Zwar sind Tarife, die sich allein an der Ladezeit bemessen, seit April 2019 nicht mehr zulässig. Aber eine zeitbezogene Komponente als ein Bestandteil des Preises ist weiterhin möglich. Denn das könnte schließlich dort sinnvoll ein, wo Autobesitzer den Platz vor der Ladesäule ansonsten als billigen Parkplatz missbrauchen. Auch andere Kombinationen, bei denen Kilowattstunden mit weiteren Entgeltkomponenten gekoppelt werden, sind erlaubt. Nicht unüblich ist es zum Beispiel, für jeden Tankvorgang einen Grundpreis zu berechnen.
Empfohlener externer Inhalt
Im Schnitt werden an den öffentlichen Ladestationen inzwischen rund 40 Cent je Kilowattstunde fällig. Da der Durchschnittsverbrauch der heutigen Batteriefahrzeuge bei 18 bis 20 Kilowattstunden für 100 Fahrkilometer liegt, ergeben sich im Schnitt Energiekosten von 7 bis 8 Euro für diese Strecke. Ein Diesel, der 6 Liter verbraucht, kommt ungefähr auf den gleichen Betrag, ein Benziner, der 7 Liter Super schluckt, auf aktuell rund 10 Euro Energiekosten.
Die Tankstationen rentieren sich noch nicht
Im Mittel ist Fahrstrom von der Ladesäule etwa 10 Cent teurer als Haushaltsstrom. Die Firma Lichtblick, die keine eigenen Ladesäulen betreibt, führt das auch darauf zurück, dass einzelne Anbieter eine marktbeherrschende Stellung hätten. Die Monopolkommission sieht aber bisher keinen Grund einzugreifen. Für sie ist der höhere Strompreis im Vergleich zum Haushaltsstrom „als Indikator für Marktmacht eher unzuverlässig“. Der Aufschlag sei vielmehr naheliegend, schließlich müssen die teuren Ladesäulen finanziert werden. In der Branche gilt es zudem als offenes Geheimnis, dass die Tankstationen allzu oft noch ein Zuschussgeschäft sind.
Zu Hause muss der Elektroautofahrer selbst in die Ladeinfrastruktur investieren. Montiert er sich eine Wallbox – eine spezielle Ladesteckdose für Elektroautos – in die Garage, sind die Vollkosten beim Laden zu Hause vergleichbar mit den Strompreisen an öffentlichen Stationen. Überschlägig kann man so rechnen: Eine Wallbox inklusive Montage kostet rund 1.500 Euro. Schreibt man diese Investition über zehn Jahre ab, ergibt sich bei einem jährlichen Verbrauch von 1.500 Kilowattstunden Fahrstrom ein rechnerischer Aufschlag von 10 Cent je Kilowattstunde für die Ladebox. So ergibt sich – kaufmännisch kalkuliert – bei einem Haushaltsstrompreis von 30 Cent auch zu Hause ein Gesamtpreis von 40 Cent je Kilowattstunde.
Fazit also: Wirklich spürbare Preisvorteile mit dem Elektroauto lassen sich nur dann erzielen, wenn man Strom tankt, den man selbst billig erzeugt hat. Das kann beispielsweise Solarstrom sein, der heute für 10 Cent pro Kilowattstunde vom Dach kommt. Oder wenn man – beispielsweise beim Arbeitgeber – kostenlos oder subventioniert tanken kann. Dann also, wenn jemand anders den Fahrstrom teilweise oder sogar vollständig bezahlt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen