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Start-ups in der ElektromobilitätHarter Weg für Neue

Der Wechsel vom Verbrennungsmotor zum Elektroauto öffnet Marktnischen. Doch tun sich Start-ups in Deutschland schwer, diese Lücke zu füllen.

Soll im nächsten Jahr auf der Straße rollen – das Solar-Elektroauto Sion von Sonomotors Foto: Sono Motors GmbH/AP Images

Berlin taz | Stolze 50 Millionen Euro hat das Münchner Start-up Sonomotors in den vergangenen Wochen mit seiner Crowdfunding-Kampagne eingesammelt. „Jetzt können wir die nächsten Meilensteine angehen. Also die Produktionsanlage aufbauen und den Prototyp für die Serie entwickeln“, freut sich Jona Christians, einer der drei Gründer*in­nen von Sonomotors. Im nächsten Jahr will das Münchner Start-up ein Elektroauto mit integrierten Solarmodulen auf den Markt bringen. 34 Kilometer soll das Fahrzeug dann zusätzlich aus Sonnenenergie fahren.

Sonomotors gehört neben e.Go und Streetscooter zu den einzigen neuen Firmen in Deutschland, die ein komplettes Elektroauto entwickeln. Der Wandel der Automobilbranche vom Verbrennungsmotor zum Elektromotor sollte neue Nischen öffnen. Doch weltweit hat nur Tesla zu den Etablierten aufschließen können; in Deutschland stecken die Initiativen in den Kinderschuhen.

Den Grund dafür sieht Günther Schuh, Professor für Produktionssystematik an der RWTH Aachen und Geschäftsführer des Elektroautobauers e.Go, vor allem in der deutschen Finanzierungskultur: „Um ein Auto auf die Straße zu bringen, brauchen wir Eigenkapital, und zwar nicht in homöopathischen Dosen.“ Seit Ende 2019 liefert e.Go seinen Kleinwagen aus; mindestens 250 Millionen Euro habe die Entwicklung gekostet. „Deutschland ist nicht das Silicon Valley oder Schanghai. Wenn Geldgeber 50 oder 100 Millionen in ein Unternehmen investieren sollen, kommen sofort die Fragen nach Erlös und Profit“ so Schuh. Das sei Sparkassen-Mentalität.

Auch die Gründer von Sonomotors sind gegen die Finanzierungsmauer gestoßen. „Wir haben im letzten Jahr mit Investoren verhandelt. Heraus kam, dass sie unser Patent eines Elektro-Solar-Fahrzeugs hochinteressant finden, aber kein Interesse an einem preisgünstigen Fahrzeug haben“, sagt Christians. Das widersprach dem Konzept der Unternehmer*innen, die den Kombi für 25.500 Euro verkaufen möchten. Stattdessen wählten sie eine alternative Strategie der Gewinnbeteiligung und starteten eine Crowdfunding-Kampagne.

Aufwändige Straßenzulassung für Pkws

Doch was noch fehlt, ist die Straßenzulassung für den Pkw. Hierzu gehören Tests in über 70 Kategorien sowie Herkunftsnachweise der über 6.000 verbauten Einzelteile. „Einen netten Prototyp zu entwickeln und damit auf dem Testgelände herumzufahren, ist ungefähr 5 Prozent der Arbeit“, sagt Günther Schuh. Sein Start-up ist das einzige in Deutschland, das die Pkw-Zulassung bisher erhielt. Wegen dieses Aufwands könnten Jungunternehmer nicht mal eben an den etablierten Autobauern vorbeilaufen.

Mehr Möglichkeiten hätten Start-ups daher bei der Entwicklung von Software oder Komponenten für Nischensegmente, sagt Martin Doppelbauer, Professor für hybridelektrische Fahrzeuge am KIT Karlsruhe. „Die etablierten Autofirmen kaufen für ihre Serienproduktion nicht bei Start-ups.“ Zu groß sei die Sorge vor schwankender Fertigungsqualität oder der Pleite des Unternehmens. Aber für Sonderentwicklungen und die Rennbranche seien sie interessant.

Trotz der Hürden halten Christians und Schuh neue Autobauer für unverzichtbar. „Ohne uns gäbe es jetzt noch keine Elektroautos um die 20.000 Euro“, sagt Schuh. Christians sieht neben den Investoren auch die Politik in der Verantwortung: „Die Unterstützung der Elektromobilität ist nicht für kleine Firmen ausgelegt.“ Die Hersteller müssen die Hälfte der Förderung übernehmen, die Käufer*innen für ein neues Elektroauto erhalten. „Große Autobauer können das finanzieren. Wir können das nicht.“

Wo sie in fünf Jahren stehen, weiß keines der Start-ups. „Wenn wir nicht durchkommen, wird es keiner in diesem Bereich der Elektromobilität schaffen“, vermutet Schuh. In diesem Jahr möchte er 5.100 Autos ausliefern. Sonomotors hat 10.000 Vorbestellungen.

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