Transitstopp für Gas: Keine Lieferung mehr gen Westen
Die Ukraine will ab 2025 kein russisches Erdgas mehr weiterleiten. Das wird eine Herausforderung. Indes schaut man optimistisch auf den Winter.
In diesem Winter werde man die Erfahrungen nutzen, die man beim russischen Beschuss des ukrainischen Energiesektors im vergangenen Jahr gemacht habe, heißt es im Energieministerium. Dort gibt es inzwischen einen eigenen Krisenstab, der konkrete technische Pläne ausgearbeitet hat, wie nach einem Beschuss die Stromversorgung kurzfristig wieder hergestellt, Ausrüstung repariert und der technische Schutz dieser Ausrüstung verbessert werden kann. Verschiedene Szenarien habe man durchgespielt, man sei also auf diese Angriffe vorbereitet, heißt es dort. Besser als derartige Reparaturmaßnahmen, so der Chef des staatlichen ukrainischen Energiekonzerns Naftohas, Olexi Tschernyschow, sei es jedoch, wenn man den Beschuss der Energieinfrastuktur überhaupt verhindern könne. Folglich müsse die Luftabwehr noch verbessert werden.
Außerdem werde die Ukraine ab 2025 kein russisches Erdgas mehr Richtung Westen durchleiten. Ende 2024 laufe der Transitvertrag mit dem russischen Konzern Gazprom aus. Die Ukraine würde auch schon früher aussteigen, zumal Gazprom für den Transit nicht wie vereinbart zahle, sagte Tschernyschow. 1,25 Milliarden Dollar müsste Russland für diesen Transit jährlich bezahlen. Wie viel Russland tatsächlich bezahlt, ist indes nicht bekannt. Überhaupt führe man den Transit nur fort, so Tschernyschow, weil man mit europäischen Partnern vertraglich gebunden sei.
Der Transit von russischem Erdgas durch die Ukraine läuft trotz des Moskauer Angriffskriegs gegen das Nachbarland weiter. Empfänger sind vor allem Länder ohne Zugang zum Meer, die nicht auf Flüssigerdgas (LNG) umstellen können. Noch 2018 war fast die Hälfte des russischen Gasexportes über die Ukraine Richtung Westen gelaufen.
Die Beendigung dieses Gastransfers aus Russland ist für die Ukraine nicht nur eine politische und wirtschaftliche Frage. Auch technisch dürfte die Abkopplung vom russischen Pipelinesystem nicht einfach sein. Mit einem einfachen Abschalten und Zustöpseln der Rohre wird es wohl nicht getan sein. Immer wieder hatte sich die Ukraine in der Vergangenheit beschwert, dass Russland das Gas mit einem Druck anliefere, der niedriger als der vertraglich vereinbarte sei. Im September 2018 beispielsweise hatte der Speichersystembetreiber Ukrtransgas geklagt, Gazprom würde seit Jahresbeginn das Gas nicht mit dem vertraglich vereinbarten Druck anliefern.
Keine Gasimporte geplant
In der Folge hatte der damalige Ministerpräsident Wolodimir Hrojsman Engpässe bei der Versorgung der Bevölkerung mit Gas befürchtet. Und im Mai 2022 hatte der Betreiber des ukrainischen Pipelinenetzes GTS geklagt, dass die russischen Besatzungstruppen in technische Abläufe des Pipelinesystems eingreifen, Gas unerlaubt entnehmen und so die Stabilität des gesamten ukrainischen Gastransportsystems gefährden würden. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, welche technischen Folgen eine komplette Abkoppelung vom russischen Pipelinesystem haben wird, wenn bereits jetzt gewisse Unregelmäßigkeiten in diesem System die Stabilität des gesamten ukrainischen Pipelinesystems gefährden können.
Und es stellt sich auch die Frage, wie Russland auf einen Ausstieg aus dem gemeinsamen Pipelinegeschäft reagieren wird. In der Gaswirtschaft selbst macht man sich indes keine Sorgen, wie man heil über den Winter kommt.
Im Juli noch hatte Premier Denis Schmyhal als Ziel einen Vorrat von 14,6 Milliarden Kubikmeter Gas in den unterirdischen Gasspeichern zum Winterbeginn angegeben. Aktuell hat die Ukraine 16 Milliarden Kubikmeter Gas gespeichert, so Tschernyschow gegenüber dem US-Auslandssender Radio Liberty. Diesen Winter werde man nur selbst gefördertes Gas verbrauchen und plane keine Gasimporte.
Insgesamt müsse man jedoch auch über diesen Winter hinaus denken und das ukrainische Energiesystem langfristig modernisieren. Und da müsse man bei der Energieeffizienz ansetzen. Es sei einfach nicht tragbar, dass in den meisten Wohnungen die Zimmertemperaturen immer noch durch ein Öffnen der Fenster reguliert würden.
Mitarbeit: Stanislaw Kibalnyk, Charkiw
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen