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Transaktionen in die alte HeimatTeure Rücküberweisungen

Überweisungen von Auswanderern sind die Haupt-Geldquelle für viele ärmere Länder. Aber die Transaktionskosten sind hoch. Die UN fordern eine Senkung.

Markt in Lagos, Rücküberweisungen von Migranten in ihre Herkunftsländer werden oft für Lebensmittel verwendet Foto: Emmanuel Osodi/imago

Berlin taz | Es dauert nur wenige Minuten: Beryl betritt eine „Reisebank“-Filiale in Berlin, zückt seine Geldbörse und kommt wieder raus. Etwa einmal im Monat komme der in Barbados geborene Berliner in die Filiale und überweise Geld ins Ausland, sagt er – obwohl, meistens würde seine Frau gehen. Seinen vollständigen Namen will er nicht in der Zeitung lesen. „Das Geld geht an verschiedene Leute, die es brauchen, meistens in Afrika“, sagt er. Gerade habe er Geld für eine Augenoperation geschickt.

Diese Rücküberweisungen von Migranten in ihre Herkunftsländer – auf Englisch remittances - sind die wichtigste Geldquelle für Länder mit geringem Einkommen. 857 Milliarden US-Dollar überwiesen Menschen an ihre Familien oder Bekannte im Ausland im Jahr 2023 nach Daten der Weltbank. Der Großteil, 656 Milliarden Dollar, ging in Länder mit mittlerem oder geringem Einkommen. Die Summe ist größer als alle ausländischen Investitionen und Entwicklungsgelder zusammen, die im selben Jahr in diese Länder gingen.

Tatsächlich dürften die Zahlen für Remittances noch um einiges höher sein, da die Datenlage häufig schlecht ist, schreibt auch die Weltbank. Vor allem Geldscheine, die bei Reisen direkt überbracht werden, laufen unter dem Radar.

„Die Rücküberweisungen leisten einen wichtigen Beitrag zur Aufrechterhaltung des Lebensunterhalts vieler Menschen und der Unterstützung der makroökonomischen Stabilität der Empfängerländer“, sagt Danish der taz. Der Mann, der nach eigenen Angaben nur einen Namen hat, forscht zu nachhaltiger Entwicklung an der Denkfabrik South Centre in der Schweiz.

Höchstens 3 Prozent Kosten

Wie wichtig Rücküberweisungen sind, wurde bereits in der ersten Konferenz für Entwicklungsfinanzierung 2002 thematisiert – mit dem Ziel, die Kosten zu reduzieren. In den 17 nachhaltigen Entwicklungszielen (SDG), zu der sich die Staaten der Vereinten Nationen 2015 entschlossen, wurde das Vorhaben dann konkret: Die Kosten von Überweisungen sollen nicht mehr als 3 Prozent betragen.

Im vierten Quartal 2023 waren sie jedoch mehr als doppelt so hoch, durchschnittlich 6,4 Prozent des gesendeten Betrags kostete laut Weltbank die Überweisung von 200 US-Dollar. US-Präsident Donald Trump setzt noch eins obendrauf: In seinem umstrittenen Haushaltsgesetz, der „Big Beautiful Bill“, plant er eine zusätzliche Steuer von 3,5 Prozent auf alle Geldüberweisungen ins Ausland.

Diese Woche treffen sich Staaten zur vierten UN-Konferenz für Entwicklungsfinanzierung in Sevilla. Danish hofft, dass das Thema hier wieder stärker in den Fokus rückt. „Die Staaten müssen ihre Anstrengungen verdoppeln, um die Kosten für Rücküberweisungen zu senken“. Immerhin wird das Ziel im finalen Entwurf des Abschlussdokuments bekräftigt. Danish hätte sich gewünscht, dass Staaten konkrete Verpflichtungen eingehen, etwa auf zusätzliche Steuern zu verzichten und Weichenstellungen für lokale Transferanbieter erleichtern.

Denn hohe Kosten seien weiterhin ein wesentliches Hindernis für Rücküberweisungen, sagt Danish. In den vergangenen zehn Jahren hat es geringfügige Verbesserungen gegeben. 2015 lagen die Kosten bei durchschnittlich 7,7 Prozent, also 1,3 Prozentpunkte höher als heute. Die Ursache des leichten Kostenrückgangs liegt im größeren Angebot von Online-Überweisungsdiensten, die im Schnitt deutlich günstiger sind als die konventionellen Banken.

Für kostengünstigere Rücküberweisungen gibt es laut Danish gute Argumente: „Die Gelder gehen direkt an die Menschen, die sie am meisten brauchen“. Damit gehe weniger davon „verloren“ als bei anderen Methoden der Entwicklungsfinanzierung. Ein Großteil der Rücküberweisung werde wieder in lokale Märkte investiert. In ärmeren Ländern würden vor allem Lebensmittel gekauft, in Ländern mit mittleren Einkünften gehen die Gelder auch in den Hausbau, erklärt Danish. Viel Geld fließt ebenso in Gesundheit und Bildung.

Die Überweisungen sind außerdem Einnahmequellen der Empfängerländer für ausländische Währungen. Danish kritisiert, dass Kreditratingagenturen sie nicht in ihre Bewertung der Länderratings einbeziehen. Auch das wäre ein Thema für Sevilla.

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10 Kommentare

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  • Wenn meine Frau Geld in ihre Heimat überweist, macht sie das natürlich nicht per Überweisung. Da gibt es mittlerweile Dienstleister, die kaum bis gar keine Gebühren verlangen. Im letzteren Fall wird nur an der Differenz zwischen Kauf und Verkaufkurs verdient. Es gibt dafür auch Seiten, welche die Transferdienstleister miteinander vergleicht (Gebühr, Kurs etc.)

  • "Weichenstellungen für lokale Transferanbieter erleichtern."

    Was soll das sein?

    Der Artikel erwähnt nicht, ob Deutschland oder die Schweiz überhaupt Steuern auf derartige Überweisungen erheben.

    Das heißt, sie tun es nicht?

  • "Der Mann, der nach eigenen Angaben nur einen Namen hat" und "Baryl" aus Barbados "fordern" niedrigere Bankgebühren für "Rücküberweisungen"..



    Mal abgesehen davon, dass "zurück" offensichtlich falsch ist, -denn das Geld kam ja nicht aus Afrika-, hätte ich zum Thema gerne auch richtige Experten gehört, mit Vor- und Nachnahmen und ausgewiesener Sachkenntnis..!

  • Das ist der Grund, warum wir unsere Projektgelder immer in bar ins Land bringen. 50k€, brav aufgeteilt unter 10 Leuten. Würden wir es auf das Projektkonto überweisen, wären schon mal ein paar Tausender futsch. Für nix. Ist zwar komisch, mit so viel Bargeld rumzulaufen, aber so bleibt mehr für die Menschen vor Ort.

  • Quasi eine Art Zwangsabgabe für die privaten Unternehmen, die diese Dienstleistungen anbieten, die direkt in Entwicklungshilfe fließt. Interessante Idee.



    Wurde dabei auch berücksichtigt, was eine derartige Kostensteigerung für diese Dienstleister bedeuten könnte? Wenn nämlich deshalb diese Dienstleistungen eingeschränkt oder eingestellt werden, wäre das ein arger Schuss ins Knie.

  • Man könnte daraus zwei Dinge lernen:



    1. Wenn man denschleusern langfristig das Handwerk zerstören will, wäre eine Transaktionsteuer genau auf diese Rueckueberweisungen sinnvoll.

    2. Mehr Sachleistungen für alle die illegal eingewandert sind,

    • @Thomas Zwarkat:

      Flüchtlinge ohne Job überweisen kaum was. Das sind Migranten die hier arbeiten und ein Einkommen haben. Die Sachleistungen sind rassistische Schikane.

      • @Andreas J:

        Warum sind Sachleistungen rassistisch? Steht irgendwo in den Menschenrechten, dass der Schutz gewährende Staat Geld überweisen muss?

  • Vielen Dank für diesen so wichtigen und informativen Artikel!



    Er ist ein klares Argument gegen viel Kolonisationsblabla.



    Der Arbeit nachgehen ( hinterherziehen), ist so alt wie die Menschheit.



    Hierdurch Kooperation mit anderen Ländern Zuzug zu fördern ist richtig.



    Viele Länder haben eine umgekehrte Situation zu Deutschland: viele junge Menschen aber keine Arbeit.



    Der Aufbau legaler Zuwanderung durch die Ampelregierung trägt diesem Mißverhältnis Rechnung.



    Oft wurde, in diesem Zusammenhang gegenargumentiert, "wir nähmen den Ländern ihre Arbeitskräfte weg" und würden ihnen so wirtschaftlich schaden.



    Dieser Bericht über die Rücküberweisungen entkräftet dieses falsche Argument.



    Es bleibt zu hoffen, dass die Steine, die den Fleißigen in den Weg gelegt werden, abgetragen werden.

  • "Für kostengünstigere Rücküberweisungen gibt es laut Danish gute Argumente: „Die Gelder gehen direkt an die Menschen, die sie am meisten brauchen“. Damit gehe weniger davon „verloren“ als bei anderen Methoden der Entwicklungsfinanzierung".



    Das ist kein gutes Argument, dass ist gar kein Argument. Es geht hier um Kosten und Gewinne, die bei den Überweisungen anfallen. Je mehr Finanzfirmen (Banken, Kredit/Debutkartenherausgeber, FinTechs etc...) sich in dem Gebiet tummeln, desto kleiner die Gewinnmarge. An den Kosten dagegen lässt sich kaum herumschrauben, die fallen eben an.