Tourauftakt von Dua Lipa in Hamburg: Den Balkanspieß mal kurz umdrehen
So gewissenhaft wie Barbie: Dua Lipa eröffnet ihre Deutschland-Tour in der ausverkauften Hamburger Barclays Arena. Es wurde ein fulminanter Auftritt.

Insgesamt vier Konzerte wird Dua Lipa während ihrer „Radical Optimism“-Tour in Deutschland geben – zwei finden in Hamburg statt, zweimal gastiert sie in München, alle vier Vorstellungen waren vorab ziemlich schnell ausverkauft. Denn die britisch-albanische Sängerin ist längst in die Weltriege der Superstars aufgestiegen, neben Beyoncé und Adele thront auch Dua Lipa, die im August ihren 30. Geburtstag feiern wird, hoch oben auf dem Popolymp. Weil Adel nun mal verpflichtet, fährt sie bei ihrem ersten Auftritt am Montagabend in der Hamburger Barclays Arena eine übergroße Show auf.
Ob Tänzer:innen, Laufsteg, Showtreppe, Kostümwechsel, Lichteffekte, Konfettiregen oder Videoeinspielungen: Die 29-Jährige, deren Eltern vor dem Bosnien-Krieg nach England geflohen waren, bietet erwartungsgemäß das volle Programm. Unterteilt hat sie den Abend in vier Akte, jeder vereinigt die Songs ihres dritten Albums „Radical Optimism“ mit Stücken älterer Bauart. Bevor Dua Lipa aus dem Boden auf die Bühne hinauffährt, rollen rie
sige Wellen über eine LED-Wand. Die Band, die auf der oberen Etage steht, droht von ihnen verschluckt zu werden. Allein diesen Wow-Moment halten viele Zuschauer:innen schon auf Videos mit ihren Smartphones fest, während „Training Season“ den Dancefloor-Reigen eröffnet.
Sexappeal zur Schau stellen
Passend dazu präsentiert sich Dua Lipa in Glitzerstiefeln und einem Body in Silber als Discoqueen. Sie flaniert über ihren Catwalk wie ein Model, mühelos reiht sie sich in die Choreografien ihres Ensembles ein. Als sie sich vor dem zweiten Teil umzieht, unterhalten derweil ihre Tänzer das Publikum. Die Männer stellen mit freien Oberkörpern ihren Sexappeal ganz offen zur Schau.
Vielleicht wollte Dua Lipa zumindest für einen kurzen Moment den Spieß einmal umdrehen. Normalerweise sind es in der Musikwelt gerade die Frauen, die als Sexobjekte solche Popklischees erfüllen – Dua Lipa eingeschlossen. Auch sie spielt dieses Spiel offenbar gern mit. Von einem Fan lässt sich Dua Lipa eine Kunstfellstola reichen, die zumindest aus der Ferne wie echter Pelz aussieht. Zunächst baumelt die Stola aber bloß über Dua Lipas Schulter, während sie auf jenen Augenblick zusteuert, der in jedem Land individuell ist.
Die Popdiva interpretiert den Song einer einheimischen Künstlerin oder eines einheimischen Künstlers. In Australien etwa hat sie sich für Interpretationen von AC/DC- und Kylie-Minogue-Material entschieden, in Hamburg fällt Dua Lipas Wahl auf Nenas Klassiker „99 Luftballons“ aus dem Jahre 1983. Ihre neugewellte Coverversion moderiert sie auch auf Deutsch an. Es ist sofort zu merken, wie gewissenhaft sie sich darauf vorbereitet hat. Ihre Aussprache kommt fast akzentfrei rüber, der Jubel fällt groß aus.
Happy for You
Mit „Maria“ wiederum hat Dua Lipa etwas anderes im Sinn: einen stimmungsvollen Moment heraufzubeschwören. Im Intro erklingen mexikanisch anmutende Mariachi-Bläsersätze, wie eine Flamencotänzerin bewegt sie sich als Akteurin vor einem Sonnenaufgang. Den dritten Akt eröffnet dann der Song „Physical“, dazu wird eine Anleitung für eine kleine Choreografie eingeblendet – sozusagen eine sportliche Karaoke-Variante.
Gewiss ist das spaßig, dennoch ist eigentlich der vierte Part dieses Abends am beeindruckendsten. Hier zeigt sich nämlich das, was vielleicht einigen Zuschauer:Innen immer noch nicht bewusst ist: Dua Lipa braucht sich als Sängerin wahrhaftig nicht zu verstecken. Bei „Be the One“ und „Happy for You“ holt sie alles aus ihrer Altstimme heraus, um in die Gesangsliga von Mariah Carey abzuheben.
Die Zugabe wird dann zum Dancefloor-Spektakel mit Lasershow. Dua Lipas schwarzer Body ist mit schweren Ketten behangen, offenbar hat sie sich dazu von der US-HipHopszene inspirieren lassen. Eine Kurzversion von „Dance the Night“ aus dem „Barbie“-Film, entstanden in Zusammenarbeit mit dem Produzenten Mark Ronson, geht ansatzlos über in den Nu-Disco-Stampfer „Don’t Start Now“. Ganz am Schluss stehen der Ohrwurm „Houdini“, Jubel und Applaus. Kein Wunder, Dua Lipa hat die Leute bestens unterhalten.
Auch wenn ihr Mainstream-Pop nicht allzu viel Tiefgang hat: Sie ist eine exzellente Performerin, die die Messlatte für andere Stars und Sternchen hoch legt.
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