Toter Demonstrant in Frankreich: Opfer einer offensiven Granate

Infolge eines Polizeieinsatzes gegen Gegner eines Staudammprojektes stirbt ein Demonstrant. Nun wird die Tragödie zur Staatsaffäre.

Französischer Polizist mit potenziell tödlicher Waffe. Bild: dpa

PARIS taz | Wer ist schuld am Tod des Studenten Rémi Fraisse? Diese Frage bewegte Frankreich seit drei Tagen. Der 21-Jährige kam unter bisher nicht abgeklärten Umständen am Sonntag früh bei einer Demonstration gegen ein umstrittenes Staudammprojekt im Tescou-Tal im Südwesten Frankreichs ums Leben. Die Autopsie ergab zuerst lediglich, dass er bei einer schweren Explosion zu Boden geworfen wurde und wahrscheinlich sofort tot war.

Bei genauerer Analyse wurden am Dienstag auf dem Opfer jedoch Spuren einer „offensiven Granate“ gefunden, wie sie von der Gendarmerie während den Konfrontationen gegen aggressive Demonstranten eingesetzt wurden. Damit wird der Todesfall zur Staatsaffäre.

Die Staudammgegner und ihre Sympathisanten in ganz Frankreich waren ohnehin von Beginn weg überzeugt, dass Rémi Fraisse ein Opfer der unverhältnismäßig rücksichtslos vorgehenden Ordnungskräfte geworden war. Seit Sonntag finden in Dutzenden von Orten Gedenk- und Protestaktionen statt, bei denen es häufig erneut zu schweren Ausschreitungen mit Sachbeschädigungen und Zusammenstößen mit der Polizei gekommen ist.

Das eigentliche Anliegen, der Kampf gegen die öffentliche Finanzierung eines Bewässerungsprojekts, das nur etwas dreißig Großbauern dient, dafür aber ein Feuchtgebiet zerstört, ist in den Hintergrund geraten.

Regierung in der Kritik

Aber auch die Politiker mischen sich in die Debatte. Von mehreren Mitgliedern der konservativen UMP wurden die Grünen (EELV) angegriffen, weil sie die militante Ablehnung des Stausees bei Sivens und auch die Kritik an den Beamten unterstützen, die am Rande der Demonstration von gewalttätigen Anarchisten angegriffen worden seien. Diese Solidarität der Umweltpartei EELV halten auch gewisse Mitglieder der sozialistischen Regierungspartei, wie der Fraktionssprecher Bruno Le Roux, für „unverantwortlich“.

Umgekehrt spricht die frühere Ministerin und EELV-Parteichefin, Cécile Duflot, wegen des Vorgehens der Ordnungskräfte von einer Mitschuld der Regierung. Der Tod von Rémi Fraisse sei „ein bleibender Fleck“ auf der Weste der Regierung, sagte Duflot. Innenminister Bernard Cazeneuve, der sich zunächst gegen eine solche „Instrumentalisierung“ dieser Tragödie verwehrt hatte, ordnete an, dass die fraglichen Granaten, die bisher naben Tränengas gegen Demonstranten eingesetzt wurden, aus den Verkehr gezogen werden.

Der Vater des toten Demonstranten, der inzwischen eine Strafklage wegen vorsätzlicher Tötung eingereicht hat, ersuchte am Fernsehen alle Streitenden um etwas mehr Zurückhaltung und Respekt. Er appellierte auch an die sehr aufgebrachten Freunde seines Sohns, aus diesem Grund auf alle Gewalt bei ihren Protesten zu verzichten.

Beruhigen möchte auch Staatspräsident François Hollande. Er wolle es nicht akzeptieren, dass diese „menschliche Tragödie“ für eine politische Polemik missbraucht werde, sagte er. Für ihn stehe das Mitgefühl für die Angehörigen des verstorbenen Studenten und die Wahrheit bei der Suche der Todesursachen im Vordergrund. Dennoch droht der gewaltsame Tod des jungen Demonstranten auch auf ihn als Chef der Staatsführung zurückzufallen. Hollande hat am Dienstag den Vater des Toten angerufen und ihm im Namen der Republik sein Beileid ausgedrückt.

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