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Tödliche Schüsse in USAGazakrieg erreicht Washington

In der USA erschießt ein Mann zwei Menschen vor einem jüdischen Museum. Die Tat war wohl politisch motiviert, Trump spricht von Antisemitismus.

Gemeinsam entsetzt: Israels US-Bot­schafter Yechiel Leiter und US-Justizministerin Pam Bondi am Tatort Foto: Andrea Leyden/ZUMA Press/dpa

Washington, D. C. taz | Zwei Mitarbeiter der israelischen Botschaft in der US-Hauptstadt Washington sind tot, nachdem sie am Mittwochabend beim Verlassen einer Veranstaltung erschossen wurden. Laut Polizei rief der vermeintliche Attentäter „Free Palestine“, also „Befreit Palästina“, als er danach von Sicherheitskräften verhaftet wurde. Die beiden Opfer wurde vom israelischen Außenministerium später als Yaron Lischinsky und Sarah Lynn Milgrim identifiziert. Laut offiziellen Aussagen waren die beiden ein Paar und hatten geplant, sich bald zu verloben. Lischinsky soll mehreren Medienberichten zufolge Deutschisraeli gewesen und in Bayern aufgewachsen sein.

Der Angriff ereignete sich im politischen Herzen der Stadt, nur wenige Straßen vom US-Kapitol entfernt. Die beiden Opfer besuchten eine Veranstaltung des American Jewish Committee, einer gemeinnützigen Organisation, die sich für die Rechte von jüdischen Menschen einsetzt. Als sie die Veranstaltung, die in einem jüdischen Museum abgehalten wurde, gegen 21 Uhr Ortszeit verließen, gab der Attentäter die tödlichen Schüsse ab.

Der Attentäter soll sich laut Augenzeugenberichten zuvor auffällig nervös verhalten haben. Kurz bevor er die tödlichen Schüsse abgab, soll er ein Palästinensertuch aus seiner Tasche gezogen und verkündet haben, dass er dies für die Menschen in Gaza tue.

Als die Polizei eintraf, ließ sich der Todesschütze ohne Widerstand festnehmen. Ein Video in den sozialen Medien soll diesen Moment zeigen. Zu sehen ist ein Mann, der von Sicherheitsbehörden abgeführt wird und dabei „Free, free Palestine“ ruft. Ob es sich bei der Person in dem Video um den Attentäter handelt, konnte die taz nicht zweifelsfrei verifizieren.

Manifest gefunden

Die Polizeibehörde in der US-Hauptstadt erklärte auf einer Pressekonferenz am Abend, dass es sich bei dem vermeintlichen Attentäter um den 30-jährigen Elias Rodriguez aus Chicago handele. Ein Manifest, das von Rodriguez verfasst worden sein soll, nennt die israelischen Angriffe auf Gaza und die Unterstützung des Westens, vor allem der US-Regierung als Grund für sein Handeln.

„Was kann man an dieser Stelle noch über den Anteil der verstümmelten, verbrannten und explodierten Kinder sagen? Wir, die wir dies zugelassen haben, werden niemals die Vergebung der Palästinenser verdienen“, heißt es in dem angeblichen Manifest.

Der Angriff in der US-Hauptstadt hat die israelische Gemeinschaft in den USA weiter verunsichert. Der internationale Druck auf Israel, die Angriffe auf die Menschen im Gazastreifen zu beenden und dringend benötigte Hilfslieferungen über die Grenze zu lassen, wird immer lauter. Die jüngsten Verhandlungen über einen Waffenstillstand zwischen Israel und Hamas blieben erfolglos und nun verkündete Israels Premierminister Benjamin Netanjahu, dass das israelische Militär die Kontrolle über den gesamten Gazastreifen übernehmen wolle.

Wie schon im vergangenen Jahr gibt es an vielen US-Universitäten auch immer wieder Zusammenstöße zwischen jüdischen Studenten und Pro-Palästina-Demonstranten. Hunderte Pro-Palästina-Demonstranten wurden in den vergangenen Wochen festgenommen.

Die USA möchten hart gegen Antisemitismus vorgehen

„Wir werden alles in unserer Macht Stehende tun, um die Sicherheit aller Bürger zu gewährleisten, heute Abend insbesondere unserer jüdischen Gemeinde“, sagte US-Justizministerin Pam Bondi, die zusammen mit dem israelischen US-Botschafter Yechiel ­Leiter den Attentatsort am späten Mittwochabend besuchte.

Zu Redaktionsschluss war nicht klar, ob der Täter wusste, dass seine Opfer bei der israelischen Botschaft arbeiteten, oder er sie nur zufällig ausgewählt hatte, da sie die Veranstaltung im jüdischen Museum besucht hatten.

Dennoch stellte US-Präsident Donald Trump in einem Post auf Truth Social die Todesschüsse als klar antisemitisch dar: „Diese schrecklichen Morde in Washington, D. C., die offensichtlich auf Antisemitismus beruhen, müssen JETZT ein Ende haben! Hass und Radikalismus haben in den USA keinen Platz“, sagte Trump.

Der US-amerikanische Außenminister Marco Rubio verurteilte das Attentat und erklärte, dass die USA hart gegen Antisemitismus vorgehen würden. „Dies war ein dreister Akt feiger, antisemitischer Gewalt. Keine Sorge: Wir werden die Verantwortlichen finden und sie zur Verantwortung ziehen“, sagte Rubio in einem Post auf X.

Israel möchte Sicherheitsmaßnahmen erhöhen

Doch nicht nur in den USA hat das Attentat hohe Wellen geschlagen, auch international haben viele Politiker und Diplomaten mit Schock und Mitgefühl auf die Ereignisse aus Washington reagiert.

Bundesaußenminister Johann Wadephul (CDU) sagte, dass Antisemitische Gewalt durch nichts zu rechtfertigen sei. „Ich bin schockiert über den heimtückischen Mord an zwei Mitarbeitern der israelischen Botschaft in Washington“, erklärte Wadephul in seinem Post auf X.

Der britische Premierminister Keir Starmer machte klar: „Antisemitismus ist ein Übel, das wir ausmerzen müssen, wo immer es auftritt.“ Auch Frankreichs Außenminister Jean-Noël Barrot erklärte in den sozialen Medien, dass es sich bei dem Mord an zwei Mitgliedern der israelischen Botschaft um einen „abscheulichen Akt antisemitischer Barbarei“ handele.

Die israelische Regierung kündigte an, die Sicherheitsmaßnahmen an allen Botschaften und Auslandsmissionen zu erhöhen.

„Wir lassen uns vom Terror nicht abschrecken. Wir werden unsere Mission weltweit fortsetzen und Israel mit unerschütterlicher Entschlossenheit und Stolz vertreten“, schrieb das israelische Außenministerium in einem Post auf X.

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18 Kommentare

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  • Ergänzung: Rodriguez ist ein Linker, der früher u. a. im Umfeld der kommunistischen "Party for Socialism and Liberation" aktiv gewesen war.

  • Wer Hass sät, der erntet Hass. Mord bleibt Mord und ist eigentlich ein sehr feiges Vorgehen. Dass Trump dazu noch etwas blubbert, ist widerlich.

  • Die Waffen MÜSSEN schweigen, das Reden, die Gespräche, das Respektieren, MUSS beginnen. Auf BEIDEN Seiten.

  • Die Überschrift müsste eigentlich lauten:

    Antisemitismus erreicht Washington. Nicht der Gaza Krieg.

  • "Hass und Radikalismus haben in den USA keinen Platz“, sagte Trump." LOL ...sagt der Richtige.



    Vielleicht liessen sich solche Attentate vermeiden, wenn man endlich mal den freien Zugang zu Schusswaffen einschränken würde.

    • @torrez:

      Könnte helfen.

  • Wer "aus Empörung" willkürlich Menschen (in diesem Fall Israels/Juden) umbringt, ist kein Stück besser, als diejenigen, die er anklagt. Mein herzliches Beileid den Familien des jungen Paares, dessen gemeinsame Zukunft durch ein Hassverbrechen vernichtet wurde!

  • Erschreckend wie gewalttätig die Sprache sich weltweit wie die Pest ausgebreitet hat.



    So werden die Opfer garnicht sichtbar. 😢



    Es geht scheinbar nur noch den eigenen Standpunkt mit immer weiter anwachsender Gewalt zu vertreten. Die Gewaltspirale hat neue Höhen erklettert. So wird das erlebte Unrecht und die erlebte Gewalt mit dem zu Recht gewordenen eigenen Unrecht als Grundlage für die eigen ausgeübte Gewalt. 😢

  • Mit Entsetzen habe ich eben die Kommentare unter dem Artikel "Mitglied von israelisch-deutschem Jugendforum getötet" gelesen. Einige Foristen geben tatsächlich Netanjahu eine Mitschuld für den Mord, einige sehen ihn gewissermaßen als eine nachvollziehbare Reaktion auf das Handeln Israels.



    "Nie wieder!" heißt offenbar alles Mögliche, aber nicht "Nie wieder Antisemitismus!" Wir sind schon lange mitten drin, jüdisches Leben ist auch im Westen hochgradig gefährdet.



    Ihr erkennt das nicht (oder wollt es einfach nicht erkennen), aber wer durch absurde Konstrukte der Schuldzuschreibung wieder Juden oder den jüdischen Staat für den Mord an Juden verantwortlich macht, der reproduziert ein über 2.000 Jahre altes Ressentiment in seiner gegenwärtig populären Form. Und zugleich, da ist nk_pockets zuzustimmen, wird eine "Infantilisierung" der Pro-Palästinenser betrieben, die ja angeblich gar nicht anders können.

    • @Taugenichts:

      Netanjahu eine Mitschuld zu geben ist genauso sinnfrei, wie bei Tötungen israelischer Soldaten der Hamas die Schuld zu geben. Zu wünschen wäre, dass alle Menschen gleichwertig behandelt werden, aber von den Gründungsträumen der UNO und den allgemeinen Menschenrechten haben wir uns wohl immer mehr entfernt und sind wieder bei archaischen Religionskriegen gelandet.

    • @Taugenichts:

      Netanjahus Politik hat demnach überhaupt nichts mit den steigenden Spannungen zwischen Israelis und Palästinensern zu tun? Seine Politik erzeugt keinen Hass?



      Und eine Tat zu verstehen, also nachvollziehen zu können, heisst nicht sie auch zu rechtfertigen. Ist aber wichtig um die Ursachen eines solchen Handelns zu verstehen und damit den gesamten Konflikt irgendwann einmal zu beenden.

      • @torrez:

        " Seine Politik erzeugt keinen Hass?"

        Ich gehe davon aus, wer hassen will, findet einen Grund. Und ganz besonders leicht, wenn jüdische/israelische Menschen das Hassobjekt sein dürfen.

        "Ist aber wichtig um die Ursachen eines solchen Handelns zu verstehen und damit den gesamten Konflikt irgendwann einmal zu beenden."

        Weshalb hasst der pro-palästinensische mutmaßliche Täter nicht die gazanische Regierung und ihre Kämpfer und stattdessen zwei junge, unschuldige Menschen, die sich für den diplomatischen Dienst und nicht für eine Karriere in der Armee entschieden haben? Feige (mMn), wie seine Gesinnungsgenossen des 07.10.23 und deren Unterstützer in- und außerhalb Gazas.

      • @torrez:

        Richtig, verstehen heißt nicht zustimmen und rechtfertigen. Aber wichtig sind die unterschiedlichen Schlüsse, die man ziehen kann. Sie sehen Netanjahu bzw. Israelische Politik als unmittelbaren Verusacher eines Mordes an zwei Menschen in einem völlig anderen Land, zwei Menschen, deren einzige Gemeinsamkeit mit besagtem Natanjahu ihre jüdische Identität ist. Und statt daraus zu folgern, dass die Tat durch aufgestachelte Gruppenfeindlichkeit aka. Antisemitismus/Rassismus verursacht wurde, gestehen Sie dem Täter eine indirekte Logik im Handeln zu, da ja die jüdische Gemeinsamkeit zwischen Israels Regierung und den beiden Opfern ein Motiv nachvollziehbar macht. Und hier hat Taugenichts recht: Das ist die tausende Jahre alte Schuldumkehr in Bezug auf Juden, irgendwie sind sie dann doch wieder selbst schuld an ihrem Schicksal. Warum aber wird diese Logik nie auf andere Volksgruppen angewendet? Hätten Sie auch den Juden in den USA oder in Europa zugestanden, nach dem 7. Oktober wahllos Palästinenser in New York, Washington oder Berlin zu attackieren? Oder ist das dann doch was anderes? Das nenne ich dann aber Messen mit zweierlei Maß.

        • @nk_pockets:

          Der Forist hat niemand das Recht zugestanden, einen Mord zu begehen, sondern lediglich einen Zusammenhang nachvollzogen: einen Gedanken zu verstehen, heißt nicht, ihn sich zu eigen machen. Gerade in ohnehin aufgeheizten Debatten wäre es sinnvoll, auf solche Nuancen zu achten.

      • @torrez:

        Wo man man dann den Anfang und das Ende für die Nachvollziehbarkeit?

        Wie haben ein junges jüdisches Pärchen welches kaltblütig erschossen wurde.



        Wir haben einen Attentäter/Terroristen, der aufgrund Israels Politik zum Killer wurde.



        Wir haben Israels Politik die einen Krieg gegen die Hamas führt weil diese knapp 2000 Zivilisten auf einem Musikfestival abschlachteten, vergewaltigten und entführten.



        Wir haben die Palästinenser die ein Masker auf ein Musikfestival verübten, weil sie meinen damit könne man die Gründung eines eigenen Staates vorantreiben.



        Wir haben die Israelis, die einer Gründung Palästinas zögernd gegenübersteht weil sie nach der Gründung Israels direkt von umliegenden Ländern in Kriegshandlungen gezogen wurden.



        ...



        Das kann man ewig so weiter spinnen und zwischendurch auch Hitler die Schuld zuweisen.



        Je nachdem welche Richtung ich einnehmen möchte muss ich nur an der richtigen Stelle halt machen.

        Unmittelbar bleibt aber ein Antisemit der zwei Menschen aufgrund ihrer jüdischen Wurzeln erschoss.

      • @torrez:

        Tut mir leid, ich kann in diesen konkreten Fall gar nichts "nachvollziehen". Der Mörder ist kein Palästinenser, sondern wohl ein Hispanic.

        Deswegen "darf" er sich selbstverständlich über die Politik Israels in Gaza empören und diese Empörung auch laut heraus schreien. Aber Gewalt oder gar Mord rechtfertigt das nicht und ist auch nicht "nachzuvollziehen".

        In keiner Weise.



        Niemals!

        Gerade die deutschen Linken, wo solches "Verständnis" oder "Nachvollziehen" für die Verbrechen der RAF lange verbreitet war - und noch sind, wie einige Kommentare hier zum Fall Klette gezeigt haben, sollten sich bitte nicht auf solche argumentativen Abwege begeben.

        • @ PeWi:

          "Der Mörder ist kein Palästinenser, ..."

          Es gibt viele Israelkritiker und Pro-Palästinenser, die keine Palästinenser sind. Wobei ich die Abstimmung beim ESC mit Israel auf dem ersten Publikumsplatz sehr schön und ein wenig beruhigend fand. Den ESC schauen ja "ganz normale" Menschen und vielleicht ist die schweigende Mehrheit doch auf der Seite jüdischer Menschen und Israels.

          Der mutmaßliche Täter ist Pro-Palästinenser.

    • @Taugenichts:

      "Einige Foristen geben tatsächlich Netanjahu eine Mitschuld für den Mord, einige sehen ihn gewissermaßen als eine nachvollziehbare Reaktion auf das Handeln Israels."

      Mich wundert es auch immer wieder, dass die Minderheit jüdisch/israelischer Menschen weniger Beschützerinstinkte hervorruft als andere Minderheiten, obwohl wir sechs Millionen unschuldiger jüdischer Menschen getötet haben.

      Ebenso finde ich es seltsam, dass "man" jüdischen/israelischen Menschen Verantwortung zutraut und ihnen sie auch für Sachverhalte zuschiebt, für die sie nicht verantwortlich sind (den Krieg in Gaza haben sie nicht begonnen), aber Gazaner/Palästinenser eher infantilisiert werden, was auch eine Form von Kolonialismus oder Rassismus sein kann.