Tödliche Polizeischüsse auf Jugendlichen:
Neue Schüsse, neue Gewalt
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Tödliche Polizeischüsse auf Jugendlichen: Neue Schüsse, neue Gewalt
Wieder wurde ein schwarzer Jugendlicher von Polizeikugeln getroffen. Er soll eine Waffe auf Beamte gerichtet haben. Zwei Reporter wurden festgenommen.
Die Kleinstadt Ferguson erinnert seit Tagen an einen Kriegsschauplatz. (Bilderstrecke öffnet sich beim Klick auf das Foto)
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FERGUSON afp | Nach tödlichen Polizeischüssen auf einen jungen unbewaffneten Schwarzen ist in der US-Kleinstadt Ferguson Medienberichten zufolge erneut ein Teenager von Polizeikugeln getroffen worden. Der 19-Jährige richtete demnach eine Waffe auf die Einsatzkräfte, als diese am Mittwoch Demonstranten mit Tränengas und Rauchbomben auseinandertrieben. Daraufhin hätten die Polizisten das Feuer auf den jungen Mann eröffnet und ihn schwer verletzt, berichtete die Zeitung St. Louis Post-Dispatch in ihrer Onlineausgabe.
Laut dem Sender CNN und anderen Medien rückten Polizisten in schwerer Schutzmontur gegen eine Gruppe von rund 30 Demonstranten vor, die sich nahe einer ausgebrannten Tankstelle versammelt hatten. Zwei Reporter der Washington Post und Huffington Post schrieben im Kurznachrichtendienst Twitter, mehrere Demonstranten seien von den Gummigeschossen der Sicherheitskräfte verletzt worden. Beide Journalisten wurden demnach festgenommen, als die Beamten ein Schnellrestaurant stürmten und die Besucher zum Verlassen des Lokals aufriefen. Einer der Reporter erklärte, er sei dabei auch tätlich angegriffen worden.
Hintergrund der Ausschreitungen ist ein blutiger Zwischenfall, der sich am Samstag in der Kleinstadt im US-Bundesstaat Missouri ereignet hatte: Dort wurde der 18-jährige Michael Brown unter ungeklärten Umständen von einem Polizisten erschossen. Nach Polizeiangaben handelte der Beamte aus Notwehr, da ihn der Jugendliche attackiert und nach seiner Waffe gegriffen hatte. Ein Zeuge berichtete hingegen, der Polizist habe ihn und Brown angesprochen und sich ihnen dann mit vorgehaltener Waffe genähert. Brown habe sich mit erhobenen Händen umgedreht und sei dann mit mehreren Schüssen niedergestreckt worden.
Eskalation in Ferguson
Bild 1 von 19: Samstag, 9. August: In Ferguson, einem mehrheitlich schwarzen Vorort von St. Louis, wird der 18-jährige Michael Brown von Polizisten erschossen. Die Beamten fordern ihn auf, den Gehweg zu benutzen, es kommt zum Streit. Obwohl der Jugendliche unbewaffnet ist und die Arme in die Höhe streckt, schießt mindestens ein Beamter mehrfach. Browns Mutter und ihr Mann trauern.
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Bild 2 von 19: Nach der Tat strömen die Bürger von Ferguson auf die Straßen. „Erschießt uns nicht“, rufen sie.
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Bild 3 von 19: Die Polizei der Kleinstadt fordert Verstärkung an. Sie erhält Unterstützung von 60 Wagen mit schwer bewaffneten Beamten.
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Bild 4 von 19: Sonntag, 10 August: Nachdem Tausende Menschen Nachtwache gehalten haben, zieht am nächsten Tag eine erste Demo friedlich durch den Ort. Die Demonstranten fordern Aufklärung – und eine Bestrafung der beteiligten Polizisten.
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Bild 5 von 19: Am Abend eskalieren die Proteste: Es werden Autofenster eingeschmissen und ein Dutzend Geschäfte geplündert.
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Bild 6 von 19: Montag, 11. August: Am Morgen nach einer heißen Nacht stehen Polizisten vor einem ausgebrannten Supermarkt.
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Bild 7 von 19: Ferguson wird zur militarisierten Zone. Hochgerüstete Cybercops patrouillieren mit Gewehren im Anschlag durch das Städtchen. Mit den Anschlägen vom 11. September 2001 und der Aufrüstung der US-Streitkräfte begann auch die Hochrüstung lokaler Polizeien mit Militärausrüstung.
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Bild 8 von 19: Am Abend kommt es zu neuen Protesten, die die Polizei mit massivem Tränengasbeschuss beantwortet. Die Demonstranten im Bild signalisieren, dass sie unbewaffnet und friedlich sind. An anderer Stelle sollen Demonstranten die Polizei zunächst mit Steinen beworfen, später sogar beschossen haben.
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Bild 9 von 19: Dienstag, 12 August: Nach der zweiten unruhigen Nacht infolge sichert die Polizei mit schwerem Gerät und grimmiger Entschlossenheit die Gegend.
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Bild 10 von 19: Pfarrer Al Sharpton spricht auf den Stufen des alten Gerichtsgebäudes zu den Medienvertretern. Er fordert den Namen des Todesschützen zu veröffentlichen und ruft die Bevölkerung zur Ruhe auf.
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Bild 11 von 19: Sein Appell verhallt im Rumor abendlicher Straßenschlachten. Tränengas, Rauchbomben und Gummigeschosse der militärisch hochgerüsteten Polizei werden von einigen Demonstranten mit Molotowcocktails beantwortet. Die Polizei nimmt derweil bei der Räumung eines Schnellrestaurants zwei Journalisten fest, die in den Tagen zuvor über die Vorfälle berichteten.
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Bild 12 von 19: Mittwoch, 13 August: Als Polizisten in der Nacht eine Gruppe von 30 Demonstranten auseinandertreiben wollen, zielt ein 19-Jähriger mit einer Waffe auf sie. Die Polizisten eröffnen das Feuer und verletzten ihn schwer.
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Bild 13 von 19: Gedenken am Ort, an dem Michael Brown vor fünf Tagen erschossen wurde. Inzwischen hat die Bundespolizei FBI die Ermittlungen aufgenommen.
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Bild 14 von 19: Donnerstag, 14. August: Die örtliche Polizei wird abgezogen, die Missouri Highway Patrol hat den Polizeieinsatz in Ferguson übernommen. Ihr Chef, Ronald Johnson, stammt aus der Stadt und setzt auf Dialog – und nicht auf Waffen.
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Bild 15 von 19: Mitterweile finden auch in anderen US-Städten Solidaritätsdemonstrationen statt, so wie hier auf dem New Yorker Union Square. Nach großem öffentlichen Druck wird am Freitag der Name des Polizisten veröffentlicht, der auf Brown geschossen hat: Darren Wilson.
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Bild 16 von 19: Samstag, 16. August: Missouri-Gouverneur Jay Nixon erklärt den Notstand und erlässt eine tägliche Ausgangssperre von 0 bis 5 Uhr. Während hunderte Menschen die Straßen vor Mitternacht verlassen, trotzen andere dem Verbot. Wieder versucht die Polizei, die Menge der Protestler durch Nebelgranaten zu zerstreuen.
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Bild 17 von 19: Sonntag, 17. August: Bei einer Gedenkzeremonie versucht der Einsatzleiter der Sicherheitskräfte, Ron Johnson, die Gemüter mit einer Entschuldigung zu beruhigen. An die Angehörigen des Opfers gewandt sagt er: „Ich bin mit dem Herzen bei Euch und sage Euch, dass es mir leid tut.“
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Bild 18 von 19: Die Ausgangssperre wird auch in der zweiten Nacht infolge gebrochen, wieder kommmt es zu Straßenschlachten. Derweil kommt ein erster Autopsiebericht zu dem Ergebnis, dass Brown von mindestens sechs Kugeln getroffen wurde, davon zwei in den Kopf. Da kein Schießpulver in seinem Leichnam entdeckt wurde, sei davon auszugehen, dass er nicht aus nächster Nähe erschossen worden sei.
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Bild 19 von 19: Montag, 18. August: Sechs Kugeln und kein Ende? Der Gouverneur von Missouri, Jay Nixon, ruft die Nationalgarde zur Hilfe. Sie soll „Ruhe und Ordnung“ wiederherzustellen.
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Der Tod des 18-Jährigen löste wütende Proteste in Ferguson aus, die von der Polizei gewaltsam niedergeschlagen wurden. Bei nächtlichen Krawallen wurden mehr als ein Dutzend Geschäfte geplündert und in Brand gesetzt. Die örtlichen Behörden und auch US-Präsident Barack Obama mahnten anschließend zur Ruhe. Neben der Polizei im Bezirk St. Louis ermittelt in dem Fall auch die US-Bundespolizei FBI.
Das Schicksal von Michael Brown weckt Erinnerungen an den 17-jährigen Schwarzen Trayvon Martin, der im Februar 2012 in der Stadt Sanford in Florida erschossen worden war. Der Schütze George Zimmerman gab damals an, in Notwehr gehandelt zu haben, nachdem der unbewaffnete Teenager ihn geschlagen habe. Der Fall löste eine landesweite Kontroverse um Rassismus aus, zumal der Prozess mit einem Freispruch endete.
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Die Proteste nach dem Tod eines schwarzen Jugendlichen dauern an. Jetzt wurde eine Ausgangssperre verhängt. Viele gingen in der Nacht dennoch auf die Straße.
Er soll vor seinem Tod gestohlen haben, sagt die Polizei über Michael Brown und hat damit die Lage in der Stadt wieder eskalieren lassen. Der Todesschütze ist geflüchtet.
Im Internet sind ja Photos von den martialisch aufmarschierenden Polizisten zu sehen. Besonders erschreckt hat mich das eine, wo ein Polizist hinter einem Maschinengewehr mit aufgepflanztem Zielfernrohr sitzt. Du meine Güte.... :-o
Als die Regierungssprecherin der USA Frau Missouri, die Türkei wegen Polizeigewalt warnte ( Gezi-Demos), stimmte die ganze westliche Welt ihr zu.
und was machen wir jetzt?
1G
1714 (Profil gelöscht)
Wo ist das passiert? Im Iran? Am Gezi Park? In einem afrikanischen Dschungel? Pjöngjang? Nein? Ach so, es war der Rechtsstaat und Vorreiter der Zivilisation, die USA! Na dann...
Deshalb gibt es doch den 2.Zusatzartikel in deren Verfassung, damit man sich auch gegen Cops verteidigen kann! Man versammelt sich vor einer Tankstelle und wird von den Cops beschossen, natürlich wird da zurückgeschossen!!!
Unabhängig von dem Fall, dem generellen Problem der Polizeigewalt und Rassismus innerhalb der Polizei interessiert mich, warum in dem Fall, dass ein weißer Polizist einen schwarzen Jugendlichen erschießt direkt von Rassismus die Rede ist. Passiert es nie, dass ein schwarzer Polizist einen Unbewaffneten erschießt, oder ein weißer Polizist einen weißen Jugendlichen? Wenn dies doch passiert, warum hört man dann a) in den Medien nichts und b) gibt es keine Demonstrationen gegen Polizeigewalt?
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