piwik no script img

Todestag von Hatun SürücüEine offene Wunde in der Stadt

Vor zehn Jahren wurde die junge Frau in Berlin von ihrem jüngsten Bruder erschossen - weil ihr Lebensstil ihrer Familie nicht passte. Nun wird an den Mord erinnert.

Gedenken an Hatun Sürücü im Jahr 2013. Bild: dpa

BERLIN (dpa) | Der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) hat für ein friedliches Miteinander in der Stadt plädiert. "Wir lassen uns unser offenes und tolerantes Zusammenleben in unserer Gesellschaft nicht kaputtmachen - nicht von Terroristen und nicht von Mördern", sagte Müller am Freitag anlässlich des 10. Todestages der Deutsch-Türkin Hatun Sürücü. In der Demokratie habe jeder die Freiheit, seinen eigenen Weg zu gehen. Das Vermächtnis von Hatun Sürücü sei am besten zu wahren, wenn diese Freiheit verteidigt werde.

Die 23-Jährige war am 7. Februar 2005 von ihrem jüngsten Bruder erschossen worden. Die Familie war mit dem westlichen Lebensstil der jungen Frau nicht einverstanden. Der Mörder wurde nach verbüßter Haft im Sommer 2014 in die Türkei abgeschoben.

Der Tod von Hatun Sürücü sei nach wie vor eine offene Wunde in der Stadt, erklärte CDU-Fraktionschef Florian Graf. Es gebe viele Projekte und Initiativen zur Verständigung der Kulturen. Doch wenn Imame zu Hass, Gewalt und Unterdrückung aufrufen und Frauen hier zwangsverheiratet werden, dürfe nicht mit Toleranz gerechnet werden. Vielfalt sei nur dann eine Stärke, wenn sich die Teile einander zugehörig fühlten. Für dieses Zugehörigkeitsgefühl habe auch Sürücü gestanden.

Das Gedenken

Am 7. Februar, dem 10. Todestag von Sürücü, werden an ihrem Gedenkstein in der Nähe des Tatortes wieder Blumen und Kränze niedergelegt. Auch Berlins Integrations-Senatorin Dilek Kolat (SPD) will kommen (12.00 Uhr). Im Rathaus Schöneberg wird am Tag zuvor (6. Februar/15.00 Uhr) unter dem Motto "Nein zu Gewalt im Namen der Ehre" diskutiert. (dpa)

Nach Recherchen des Berliner Arbeitskreises gegen Zwangsverheiratung wurden 2013 in Berlin 460 Paare gegen ihren Willen verheiratet. Rund 700 Institutionen, Behörden, Schulen, soziale Dienste und Beratungsstellen seien befragt worden.

Die Initiative gegen Gewalt an Frauen erklärte, auf die Situation von gewaltbetroffenen und -bedrohten Frauen müsse immer wieder aufmerksam gemacht werden. Die Polizei helfe bei akuter Bedrohung, sie könne den Täter für zwei Wochen der Wohnung verweisen. Bundesweit würden jährlich etwa 35 000 Frauen und Kinder in ein Frauenhaus fliehen.

Der Schwulen- und Lesbenverband Berlin-Brandenburg verwies darauf, dass auch Männer wegen ihrer Homosexualität zwangsverheiratet würden. Es fehle an Krisenwohnungen für Betroffene. Der Verband forderte zudem, das Grab von Sürücü dürfe nicht weiter verwahrlosen.

Die Grünen-Fraktion will am 13. Februar wieder den Hatun-Sürücü-Preis verleihen. Damit sollen Menschen geehrt werden, die sich für Mädchen und junge Frauen einsetzen. Die Grünen behielten Sürücü als mutige Frau in Erinnerung, hieß es.

Nach Angaben des Türkischen Bundes ist am Samstag der Hatun Sürücü Cup in Kreuzberg geplant. An dem Hallen-Fußballturnier zur gemeinsamen Erinnerung und Mahnung nehmen Frauenteams aus mehreren Stadtbezirken teil.

Wie eine junge Frau dem Druck ihrer Familie entflieht: Eine Reportage und ein Essay anläßlich des zehnten Jahrestages des Mordes an Hatun Sürücü in der Wochenendausgabe der taz.berlin. In Ihrem Briefkasten oder am Kiosk

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • Diese grausame Tat und die andere gegen Maria erinnern an eine frühere Austellung (etwa vor einem Jahr) an einem Bahnhof in Berlin.

     

    Da gab es ein Bild von einer Frau aus Afganistan, mit einem entstellten Gesicht.

     

    Sie ging Ihre Mutter besuchen, obwohl Ihr Mann ist das verboten hatte.

     

    Ihr Mann hat Sie anschließend bestraft. Man denkt, ein Mensch kann doch so etwas nicht tun.

     

    Ihr Mann und noch mehrere von seienen Freunden haben die Frau auf dem Boden gehalten und...

     

    Es gibt leider Versager, die gegen Frauen und Kinder unmenschliche Gewalt anwenden. Gegenüber Männern haben die dagegen Angst.

  • ...Frauen hier zwangsverheiratet werden...

     

    Wer gibt das Recht dazu? Es steht wohl in keiner Heiligen Schrift einer jeden friedlichen Religion, dass das gemacht werden darf.

     

    Die Gewalt gegenüber Kindern, Frauen, Alten und Kranken erinnert stark an Evolution, jedoch nicht bei Menschen und schon gar nicht bei Menschen unserer Epoche.