Tod von Oury Jalloh: Vorauseilender Gehorsam
Die SPD in Sachsen-Anhalt lehnt einen U-Ausschuss zum Tod von Oury Jalloh ab. Sie will die neue Regierung nicht gefährden – ein mieser Auftakt.
D ie neue Koalition aus CDU, SPD und FDP ist in Magdeburg noch nicht im Amt. Doch die SPD führt sich vorauseilend genau so auf wie in der vergangenen Regierung mit CDU und den Grünen. Sie wiegelt ab und gibt bei Konflikten klein bei. Das war so, als die SPD erst gegen das Nein von CDU-Ministerpräsident Reiner Haseloff zur Erhöhung der Rundfunkgebühren rebellierte, um dann staatstragend beizudrehen.
Dieses Muster wiederholt sich jetzt beim Untersuchungsausschuss zu Oury Jalloh, der 2005 in einer Polizeizelle verbrannte. 2020 wollte die SPD diesen Ausschuss noch, jetzt ist der Mut verpufft. Es wird keinen U-Ausschuss geben. Dafür reichen die Stimmen von Linkspartei und Grünen nicht.
Die SPD rechtfertigt ihr Nein mit dem 300 Seiten starken unabhängigen Bericht, der vorigen Sommer veröffentlicht wurde. Nun sei ja klar, dass Jallohs Tod kein Polizeimord war. Glaubwürdig ist das nicht. Denn der Bericht war zwiespältig. Jalloh wäre demnach ohne den drastischen Rassismus der Polizei noch am Leben. Vor allem aber konnten die Verfasser des Berichts zentrale Figuren der Affäre in der Justiz nicht befragen. Genau das könnte ein Untersuchungsausschuss.
Es mag sein, dass ein solcher Ausschuss Oury Jallohs Tod nicht mehr aufklären würde. Aber das kann und darf nicht das alleinige Kriterium sein – besonders nicht in diesem Fall. Ein Unschuldiger ist in staatlichem Gewahrsam gestorben – und wir wissen bis heute nicht, wie. Denn es wurde lange vertuscht, gelogen und verzögert.
Gegen die eigene Haltung
Deshalb geht es jetzt umso mehr darum, alles Erdenkliche zu tun, um zu klären, was noch aufzuklären ist. Eigentlich weiß das auch die SPD in Magdeburg. Dass sie offenbar gegen ihre eigentliche Haltung in der Frage anders handelt, ist ein mieser Auftakt für die nächste Regierung.
Linkspartei und Grüne protestieren zu Recht gegen den Opportunismus der Regierungspartei SPD. Bei den Grünen klingt die Aufregung allerdings schal. Im Nachbarland Hessen haben sie mal einem Untersuchungsausschuss in Sachen NSU-Terror das Ja verweigert. Das Muster war das Gleiche: vorauseilender Gehorsam Richtung CDU.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt
Comeback der Linkspartei
„Bist du Jan van Aken?“
Nach Taten in München und Aschaffenburg
Sicherheit, aber menschlich
Nach Absage für Albanese
Die Falsche im Visier
Soziologische Wahlforschung
Wie schwarz werden die grünen Milieus?
Klimaneutral bis 2045?
Grünes Wachstum ist wie Abnehmenwollen durch mehr Essen