Tod der US-Richterin Ruth Bader Ginsburg: RBG hinterlässt eine Lücke
Die US-Verfassungsrichterin Ruth Bader Ginsberg hatte schon vor ihrem Tod den Status eines Popstars. Zu Recht: Sie war eine feministische Ikone.

Dieser Tage sind soziale Medien voll von Gifs, Memes und Zitaten von der kürzlich verstorbenen Ruth Bader Ginsburg. Ein häufig geteiltes lautet: „My mother told me to be a lady. And for her, that meant be your own person, be independent.“ Es trifft das Leben der Verfassungsrichterin auf den Punkt. Sie war nicht nur selbst eine unabhängige Frau, sie kämpfte auch für die Unabhängigkeit anderer.
Das Ausmaß der Trauerbekundungen war nicht nur im Netz enorm. In der Nacht auf Samstag strömten Hunderte vor das Supreme-Court-Gebäude in Washington DC, legten Blumen nieder, zündeten Kerzen an und sangen „Amazing Grace“ oder „Imagine“ von John Lennon. Bilder, die entstehen, wenn Popstars sterben – nicht eine Richterin.
Doch RBG war mehr als nur die dienstälteste Richterin am Obersten Gerichtshof. Sie ist eine feministische Ikone. Ihr Leben lang gab sie Marginalisierten eine Stimme und verhalf ihnen zu ihrem Recht. In einer Zeit mit Donald Trump als Präsident und einem gesellschaftlichen Rechtsruck war sie ein Hoffnungsschimmer. Vor allem junge Frauen gehören zu den Fans: Sie tätowieren sich ihr Antlitz auf den Körper, kaufen Tassen und T-Shirts mit dem Gesicht der kleinen Frau mit der kantigen Brille. Die Doku „RBG“ und der Spielfilm „On the Basis of Sex“, die beide 2018 erschienen, verhalfen der Richterin endgültig zum Popstar-Status.
Dabei ist RBG nicht erst seit Kurzem Feministin. Ihr ganzes Leben war ein Kampf für Gleichberechtigung. RBG wuchs als Kind jüdischer Einwanderer:innen in Brooklyn auf. Beim Jura-Studium in Harvard war sie eine von neun Frauen unter mehr als 500 Männern. Sie schloss das Studium an der Columbia University mit Bravour ab. Und das, obwohl sie sich nebenher um ihr Baby und ihren kranken Ehemann, Martin Ginsburg, kümmern musste – und auch noch seine Arbeiten schrieb.
Sie kämpfte für Gleichberechtigung
Es war nicht nur die hohe Arbeitsbelastung, die RBG das Leben erschwerte, sondern auch sexistischer Widerstand. Doch sie gab nicht auf, auch nicht als sie trotz Bestnoten keinen Job bekam oder schlechter bezahlt wurde als Männer. So unterrichtete sie 1963 als erste Frau an der Rutgers Law School und war in den 70ern die erste Frau, die einen Lehrstuhl an der Columbia Law School erhielt. Zeitgleich war sie führende Anwältin der Bürgerrechtsbewegung ACLU.
Dort vertrat sie 1973 Sharron Frontiero, die bei der Luftwaffe arbeitete und auf das Recht auf Krankenversicherung und Wohngeld für ihren Ehemann klagte; Leistungen, die einer Frau eines männlichen Soldaten immer zugesprochen wurden. Was sie damals vor Gericht sagte, galt für sie immer: „Ich verlange keine Bevorzugung für mein Geschlecht; alles, was ich verlange, ist, dass unsere Brüder ihre Füße aus unseren Nacken nehmen.“
Denn RBG war keine „Männerhasserin“, wie Kritiker:innen ihr gerne vorwerfen. Die Verfassungsrichterin kämpfte für Gleichberechtigung: für Einwander:innen, für Frauen, LGBTIQ Menschen. Seitdem sie 1993 von Bill Clinton als Verfassungsrichterin eingesetzt wurde, setzte sie sich als zweite Frau im Obersten Gericht für das Recht auf Abtreibung, die Ehe für alle oder gegen die Diskriminierung am Arbeitsplatz von Frauen ein. Sie wollte sowohl Männer als auch Frauen aus den Rollen befreien, die die Gesellschaft ihnen zu schreibt.
Ein weiterer Spruch, der viel geteilt wurde, stammt nicht von RBG selbst, sondern von ihren Fans: You Can’t Spell the Truth without Ruth. Doch jetzt kann Ruth nicht mehr die Wahrheit sprechen. Wenn eine Ikone stirbt, hinterlässt sie eine Lücke. Diese hier wird schwer zu füllen sein.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Friedensforscherin
„Wir können nicht so tun, als lebten wir in Frieden“
Klimaneutral bis 2045?
Grünes Wachstum ist wie Abnehmenwollen durch mehr Essen
Leak zu Zwei-Klassen-Struktur beim BSW
Sahras Knechte
CDU-Chef Friedrich Merz
Friedrich der Mittelgroße
Nach Hitlergruß von Trump-Berater Bannon
Rechtspopulist Bardella sagt Rede ab
Prozess gegen Maja T.
Ausgeliefert in Ungarn