Tigermücken in Berlin: Gekommen, um zu stechen
Tigermücken sind aus Berlin nicht mehr wegzudenken. Übertragen können sie gefährliche Viruskrankheiten wie das Denguefieber.
In nicht allzu ferner Zukunft könnte dieses Vorgehen vielleicht schon zu riskant sein. Denn mit den höheren Temperaturen, die der Klimawandel mit sich bringt, breiten sich tropische Mückenarten in Mitteleuropa aus, die gefährliche Krankheiten übertragen können – namentlich Aedes albopictus, die Asiatische Tigermücke.
In Berlin gibt es laut ExpertInnen schon einige fest etablierte Populationen, in einer Kleingartenanlage in Treptow-Köpenick wurde das Auftreten der Art nach ersten Funden 2021 über mehrere Jahre in Folge belegt. Ende vergangener Woche bestätigte die Senatsgesundheitsverwaltung nun einen ersten Nachweis in Pankow.
Dort wurden auf einem Friedhof sowohl ausgewachsene Mücken als auch deren Larven entdeckt. Dass es sich um Tigermücken handelt, hat das Projekt „Mückenatlas“ bestätigt, eine Initiative des Friedrich-Loeffler-Instituts und des Leibniz-Zentrums für Agrarlandschaftsforschung (Zalf) e. V. Die ruft die Bevölkerung auf, Mücken im Verdachtsfall – auffällige Musterung, aggressives Stechverhalten vor allem morgens und nachmittags – zu fangen und möglichst intakt einzusenden, etwa in einer Streichholzschachtel.
Monitoring läuft
Mittlerweile hat der „Mückenatlas“ als Adressat solcher Päckchen Konkurrenz bekommen: Das Land Berlin hat im Juli das Gesundheitsamt Mitte mit dem Tigermücken-Monitoring in der Hauptstadt betraut. Dabei untersucht die Behörde unter der Leitung von Amtsarzt Lukas Murajda nicht nur Hinweise aus der Bevölkerung, sondern hat selbst schon Dutzende Spezialfallen aufgestellt, die Mücken mit stinkender Pflanzenbrühe oder Kohlendioxid anlocken und in Netzen fangen.
Allerdings war unter den mehr als 2.000 in diesem Sommer untersuchten Mücken kein einziges Exemplar von Aedes albopictus. Auch wenn die Art schon ihre Fühler nach Berlin ausstreckt, kann von flächendeckendem Auftreten noch keine Rede sein. Aber Mücken, die sich in tropischen und subtropischen Zonen wohlfühlen, profitieren von zunehmend wärmeren Wetterlagen. Lässt sich der Vormarsch der Tigermücke überhaupt noch stoppen?
„Die lokale Ausbreitung können wir verhindern“, sagt Amtsarzt Murajda der taz. „Die Ausbreitung in Berlin nicht prinzipiell.“ Es geht also nur noch um die Verlangsamung und Eindämmung einer ökologischen Entwicklung, die nicht mehr aufzuhalten ist. Dabei sind die Risiken, die Tigermücken mit sich bringen, ausgesprochen hoch: „Ich kann Ihnen versichern, dass keiner von uns die Asiatische Tigermücke haben möchte“, hatte Mückenexpertin Doreen Werner vom Zalf vor zwei Jahren im taz-Interview gesagt. Sie sei kein Freund von Panikmache, aber wolle „nicht diejenige sein, die Dengue oder Chikungunya bekommt oder einen Todesfall in der Familie zu beklagen hat“.
Gefahr Dengue
Die Verbreitung des Denguevirus ist tatsächlich die größte Gefahr, die die Tigermücke mit sich bringt. Der Erreger, der das wegen der großen Schmerzen auch „Knochenbrecherfieber“ genannte Denguefieber auslösen kann, ist weltweit auf dem Vormarsch. Nach Schätzungen der WHO erkranken jährlich 50 bis 100 Millionen Personen daran, eine halbe Million erleidet einen schweren Krankheitsverlauf, 22.000 Personen, besonders Kinder, sterben. Vor allem in Indien sind die Zahlen in den vergangenen Jahren explodiert.
In Deutschland ist dagegen bisher kein einziger Fall einer lokalen Dengue-Übertragung bekannt. Voraussetzung dafür ist das gleichzeitige Vorhandensein von infizierten Personen und Mücken, die den Erreger in sich aufnehmen und beim erneuten Stechen abgeben können. Dass eine infizierte Mücke nach Deutschland eingeschleppt wird, ist nicht besonders wahrscheinlich, aber wenn asymptomatisch an Dengue erkrankte Menschen einreisen und hier von Tigermücken gestochen werden, wäre eine Epidemie nicht ausgeschlossen.
Die Forschungsinstitute und die Senatsgesundheitsverwaltung setzen deshalb auf Aufklärung der Bevölkerung – und auf deren Mitwirkung bei der Eindämmung. Dabei steht der Entzug von Biotopen, in denen die Tigermücke ihre Eier ablegt, an erster Stelle. Das tut sie am liebsten in kleinen stehenden Wasseransammlungen in der Nähe von Menschen, von denen es freilich unzählige gibt: von der verstopften Regenrinne der Kleingartendatsche bis zur verwaisten Gießkanne auf dem Friedhof.
Aber auch wenn alle Brutstätten minimiert werden, bleibt es kompliziert: Eine Untersuchung in Schanghai im Jahr 2018 ergab, dass Tigermücken ihre Eiablage gerne in Gullys tätigen, wo sie stehendes Restwasser finden und gleichzeitig vor vielen Fressfeinden geschützt sind. Die AutorInnen schreiben, dass der Aufwand, diese Infrastruktur in einer Großstadt mückensicher zu machen, praktisch nicht zu leisten ist. Auch für Berlin dürfte das gelten – allen Bemühungen, lokale Regenversickerung zu fördern, zum Trotz.
Und selbst wenn alle menschengemachten Wasseransammlungen verschwänden: Die Tigermücke findet auch noch im Astloch eines Straßenbaums einen geeigneten Ort für ihren Nachwuchs. Zumal die Eier in der Lage sind, Trockenzeiten zu überstehen, um nach dem nächsten Regen aktiviert zu werden. Auch die Ränder langsam fließender Gewässer sind eine potenzielle Ablagestelle.
Dass das Denguefieber oder andere gefährliche Viruskrankheiten in Berlin endemisch werden, ist dennoch unwahrscheinlich. Zwar ist mittlerweile klar, dass Tigermückengelege hiesige Winter überstehen können. Das ändert aber nichts daran, dass ausgewachsene Mücken bei Kälte ihre Aktivitäten einstellen und schon bei leichtem Frost sterben. Eine ganzjährige Übertragungskette wie in den Tropen und Subtropen, wo die Populationen nie komplett einbrechen, ist somit nicht gegeben.
Es sei denn, die Viren könnten in den Gelegen überwintern. Diese Vermutung gibt es, wobei der Forschungsstand dazu noch sehr dünn ist. So oder so, als Art ist die Tigermücke nach Berlin gekommen, um zu bleiben.
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