Thriller-Serie auf Joyn Plus+: Wenn plötzlich das Licht ausgeht

Die Thriller-Serie „Blackout“ imaginiert einen langen Stromausfall in ganz Europa. Die TV-Adaption des Bestsellers ist fesselnd.

Moritz Bleibtreu

Moritz Bleibtreu spielt einen ehemaligen Hacker Foto: Joyn PLUS+

Was würden die Menschen tun, wenn von jetzt auf gleich der Strom ausfallen würde? Angenommen, er bliebe nicht nur für ein, zwei Stunden weg, wie diesen Sommer in großen Teilen Spaniens geschehen, sondern über mehrere Tage oder sogar Wochen? Angenommen, es wären nicht nur vereinzelte Regionen oder ein Land, sondern der ganze europäische Kontinent betroffen?

Der Thriller „Blackout – Morgen ist es zu spät“ des österreichischen Autors Marc Elsberg führte 2012 vor Augen, dass in dieser Vorstellung nicht viel romantisches Potenzial steckt, nicht mal zu Beginn. Zugegeben: Dass die Vorstellung eines selbst kurzzeitigen Stromausfalls eher mit dem Stichwort „Panik“ als „Entschleunigung“ assoziiert wird, überrascht besonders in derart aufgeregten Zeiten wie den unseren nur wenig. Befeuerte doch bereits die kurzzeitige Störung bei Facebook, Whatsapp und Instagram in der letzten Woche umgehend den Mythos vom „Great Reset“.

Sinnigerweise ist das Szenario, das Elsberg in seinem über zwei Millionen Mal in 23 Ländern verkauften Bestseller entwarf, ein düsteres Gedanken­experiment, das erschreckend verdeutlicht, wie abhängig nahezu jeder Aspekt unseres modernen Lebens von der Elektrizität ist. Und wie schnell ohne sie wirklich gar nichts mehr geht.

Vertrauter Krisenmodus

Ein besseres Timing als das Jahr 2021, in dem die Zuschauenden längst krisenerprobt sind, hätte sich der Streaming-Anbieter Joyn PLUS+ für seine Serienadaption also wohl kaum aussuchen können. Vor allem die Reaktionen der breiten Bevölkerung, für deren Beleuchtung sich die sechs jeweils rund 45-minütigen Episoden ausreichend Zeit nehmen, wirken so deutlich weniger abwegig, als sie sich zum Zeitpunkt der Buchveröffentlichung teilweise noch angefühlt haben mögen. Menschen, die sich um Vorräte prügeln, sind uns – Stichwort „Klopapier“ – mittlerweile ebenso vertraut wie solche, die ihre eigenen Bedürfnisse hinter denen ihrer Mitmenschen zurückstellen und bereit sind, sich selbst für Fremde – Stichwort „Pflegekräfte“ – aufzuopfern. Von solchen, die versuchen, sich die Lage mit abstrusen Verschwörungstheorien zu erklären, ganz zu schweigen.

Ein besseres Timing als das Jahr 2021 hätte sich Joyn PLUS+ kaum aussuchen können

Mehr noch als von den hochrangig besetzten Nebenfiguren – zum erweiterten Cast gehören unter anderem Pia-Micaela Barucki, Lena Klenke und Jule Böwe – wird die Handlung von drei Akteuren im Zentrum des Geschehens getragen. Allen voran Moritz Bleibtreu überzeugt als ehemaliger Hacker und globalisierungskritischer Umweltaktivist, der sich schnell sicher ist, dass hinter dem Blackout ein terroristischer Akt steckt, bei dem digitale Stromzähler manipuliert wurden. Bei seinem Versuch, den politischen Entscheidungsträgern bei der Aufklärung der Krise zu helfen, wird er jedoch selbst zum ersten Verdächtigen von Europol und Bundeskriminalamt.

„Blackout“, sechs Folgen, ab 14. Oktober auf Joyn PLUS+

Während sich Heiner Lauterbach als Kriminalhauptkommissar vollkommen der erbitterten Suche nach besagtem Hacker verschreibt, bemüht sich Marie Leuenberger als Leiterin des nationalen Krisenstabs darum, die öffentliche Ordnung halbwegs aufrechtzuerhalten. Denn bereits nach wenigen Tagen droht nicht nur die allgemeine Lebensmittel- und Wasserversorgung zusammenzubrechen, was jäh Plünderungen nach sich ziehen würde – selbst die Notstromversorgung der Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen gerät mit ausgehendem Treibstoff an ihre Grenzen. Spätestens dann wären Todesfälle nicht mehr zu vermeiden.

Einzelheiten im Fokus

Den Drehbuchautoren Lancelot von Naso und Kai-Uwe Hasenheit ist es dabei gelungen, die gründlich recherchierte Vorlage ins Filmische zu übersetzen. Es werden ausreichend viele Informationen über die technischen und infrastrukturellen Gegebenheiten eingeflochten, um das Geschehen glaubhaft, das Faktengerüst dabei aber niemals zu sperrig wirken zu lassen.

In „Blackout“ finden selbst eher abseitige Randphänomene eines solchen Zusammenbruchs des Stromnetzes Platz, wie das Problem, vor das Land­wir­t*in­nen gestellt werden, die ohne entsprechende Maschine ihre Kühe nicht mehr melken können, woraufhin in deren Eutern die Milch zu gären beginnt – und die Tiere vor Schmerz schreien. Ebendieser Anspruch, das Szenario en détail durchzuexerzieren, und ein klug gesponnenes Netz aus Zusammenhängen machen „Blackout“ zu einer ebenso intelligenten wie fesselnden ­Serie.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.