Thomas Müller und Menschenrechte: Erwünschte Phrasen
Thomas Müller hat sich differenziert zu Katar geäußert und kassiert einen Shitstorm. Das sagt mehr über Deutschland als über ihn.
A m Samstagabend gegen Israel hatten sich die Gemüter schon wieder abgekühlt. Denn Robert Habeck ist ja nicht der einzige Deutsche, der aktuell ein Katar-Problem hat. Über Thomas Müller ergoss sich in den letzten Tagen ein Twitter-Shitstorm, angezettelt etwa von 11 Freunde-Zampano Philipp Köster. Der DFB wollte diese Woche dabei alles richtiger machen. Er ließ seine Spieler von Amnesty International und Human Rights Watch zu Katar briefen – über Sklaven sprechen statt Sklaven verleugnen ist die neue Devise.
Müller sprach dann am Donnerstag von „Menschenrechtsverletzungen, die in jedem Land auftreten. Auch in Deutschland gibt es Menschenrechtsverletzungen.“ In Katar seien sie aber eklatanter, weil viele Dinge, „die wir mittlerweile als normal ansehen“, wie Frauenrechte oder Arbeitsrecht, „anders umgesetzt“ würden. Es sei nicht so einfach zu sagen: „Jetzt macht das mal so, wie wir das gerne wollen.“ Er wünsche sich trotzdem, dass der DFB und die Fifa die Menschenrechtslage in Katar verbessern, das Team werde aber „das Sportliche an erste Stelle“ setzen.
Ein durchaus differenziertes und gar nicht mal schlechtes Statement. Doch ergoss sich der Hohn über Müller. Er solle doch mal benennen, wo die deutsche Regierung Menschenrechtsverletzungen anordne. Wer eigentlich auf die blöde Idee gekommen sei, Fußballer zu Politik zu befragen. Er relativiere Frauenrechte. Der ganze Kübel bürgerlich-moralischer Empörung. Da hatte jemand gewagt, von der Leitlinie der Verurteilung abzuweichen. Und offen eingeräumt, dass er lieber Fußball spielt.
Deutschland verletzt Menschenrechte
Nun lässt sich nicht mit Sicherheit sagen, wie viel Müller von linker Kritik versteht (vermutlich wenig), und ob er bloß relativierte. Aber natürlich liegt er richtig, Deutschland verletzt Menschenrechte. Täglich. Massive Emissionen, die maßgeblich zu Vertreibung, Flucht und Tod beitragen, eine rassistische und tödliche Abschottungspolitik und Lager in Libyen, ein extremer Reichtum, der das Recht auf ein würdiges Leben der anderen verletzt.
Auch liegt Müller richtig damit, es sei schwer, einen Staat von außen umzukrempeln. Aber die deutsche Öffentlichkeit verträgt Differenziertheit nicht gut. Und nun springt eine Klientel für Frauenrechte in die Bresche, deren Kernmagazin 11 Freunde seit Jahrzehnten den Männerfußball abfeiert. Wessen blöde Idee es übrigens gewesen ist, Fußballer zu Politik zu befragen? Nun, die Spieler sollten sich doch endlich mal politisch, ehrlich und ohne Phrasen äußern. Letztlich will man von Fußballern nur Phrasen hören. Andere, erwünschte Phrasen.
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