Theresa May nach dem Vertrauensvotum: Erst Brexit, dann Mexit
Die britische Premierministerin hat ein Vertrauensvotum überstanden – um den Preis eines Rücktrittsversprechens.
May siegte mit 200 zu 117 Stimmen. Die konservative Parlamentsfraktion, die am Mittwochmorgen noch 315 stimmberechtigte Abgeordnete zählte, hatte rechtzeitig zur Abstimmung zwei wegen Sexskandalen suspendierte Mitglieder wieder aufgenommen und zählte damit wieder 317.
Ein klarer Sieg ist Mays Ergebnis nur, wenn man davon absieht, dass 142 der 317 Abgeordneten auf der Gehaltsliste der Regierung oder der Partei stehen – als Minister, Staatssekretäre, Ministerialberater und Parteifunktionäre. Die 117 Nein-Stimmen dürften überwiegend aus den Reihen der 175 Hinterbänkler stammen, die in keinem Abhängigkeitsverhältnis zum Machtapparat stehen. Also haben möglicherweise um die zwei Drittel von diesen die Premierministerin abgelehnt.
Das erklärt, warum der Wortführer der Brexit-Hardliner unter den Hinterbänklern, Jacob Rees-Mogg, die Premierministerin nach ihrem Sieg umgehend zum Rücktritt aufforderte. May ist ab jetzt offiziell Premierministerin auf Abruf. „Zu Weihnachten gibt’s lahme Ente“, titelte das Boulevardblatt Daily Mirror.
Zu wichtig zum Taktieren
Dass Theresa May die Tories nicht in die nächste Wahl führen will, hat sie schon öfter gesagt, aber erst jetzt scheint es einer breiteren Öffentlichkeit aufzufallen. Schon am Mittwochmorgen betonte die Parteichefin: Es geht nicht um den nächsten Spitzenkandidaten, sondern darum, wer den Brexit umsetzt. Heißt: Winkt endlich meinen Brexit durch, dann seid ihr mich los.
Allerdings ist der Brexit vielen Konservativen viel zu wichtig für solches Taktieren. Der Brexit-Deal, den May mit der EU ausgehandelt hat, ist derzeit klinisch tot, aus inhaltlichen Gründen. Mangels Mehrheitsaussichten legte May am Montag das parlamentarische Ratifizierungsverfahren auf Eis, nach jetzigem Stand bis ungefähr Mitte Januar.
Wenn der Deal bis zum 21. Januar nicht ratifiziert ist, geht die Initiative für weitere Schritte an das Parlament über. Sollte weder ein neues Verhandlungsmandat für die Regierung, ein zweites Referendum oder ein Antrag auf Verlängerung der Austrittsfrist oder gar auf Absage des Brexit eine Mehrheit im Parlament finden – und nichts spricht momentan für eine Einigung auf irgendeine dieser Optionen –, verlässt Großbritannien die EU gut zwei Monate später ohne Abkommen.
EU will Backstop „entmystifizieren“
Eine Mehrheit für einen Brexit-Vertrag kann bis 21. Januar nur entstehen, wenn dem Parlament dann ein anderer Vertrag vorliegt als bisher. Die EU aber schließt jede Neuverhandlung des im November vereinbarten Deals kategorisch aus. Rechtsverbindliche Zusätze zur Befristung oder Abmilderung des umstrittenen Backstop für Nordirland, wie May sie zur Vermeidung einer dauerhaften unfreiwilligen britischen Mitgliedschaft in der EU-Zollunion fordert, will die EU keineswegs gewähren.
Die EU sei bereit, „zusätzliche Versicherungen“ zum Backstop zu geben, sagte am Donnerstag zum Auftakt eines EU-Gipfels in Brüssel Angela Merkel. Allerdings könne man das Abkommen nicht ändern. Der niederländische Regierungschef Marc Rutte sagte, die EU wolle dazu beitragen, den Backstop zu „entmystifizieren“, allerdings könne man keine rechtlichen Garantien geben, da dies den Austrittsvertrag „aufbrechen“ würde. Die bereits ausgearbeitete Abschlusserklärung des Gipfels enthält keine belastbaren Garantien für die britische Seite.
So herrscht weiter Stillstand – sowohl beim Brexit als auch bei den Konservativen. Und May darf sich weiter fragen, warum sie sich zwar durchsetzt – aber nichts umsetzt.
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