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Theresa May im britischen UnterhausNoch eine Atempause vor dem Brexit

Die Gespräche mit der EU befinden sich in der „entscheidenden Phase“, sagt die Premierministerin – und fordert Durchhaltevermögen.

Spielt auf Zeit: Premierministerin Theresa May Foto: ap

Die britische Premierministerin Theresa May hat am Dienstag vor dem Parlament in London um mehr Zeit für Nachverhandlungen des Brexit-Deals mit der EU gebeten. Die Gespräche über eine Veränderung des „Backstops“ zu Nordirland befänden sich in einer „Schlüsselphase“ und es müssten jetzt alle die Nerven bewahren, sagte sie in einer Erklärung vor dem Unterhaus. Sie stellte eine weitere Erklärung für den 26. Februar in Aussicht.

Das britische Unterhaus hatte am 15. Januar mit Zweidrittelmehrheit den Brexit-Deal abgelehnt, den die EU und die britische Regierung nach langen Verhandlungen im November 2018 vereinbart hatten. Am 29. Januar hatten die Abgeordneten dafür gestimmt, das Abkommen unter der Bedingung anzunehmen, dass der „Backstop“ für Nordirland durch „alternative Arrangements“ ersetzt wird.

Der Backstop sieht vor, dass in Abwesenheit einer anderen Handelsvereinbarung zwischen Großbritannien und der EU Großbritannien bis auf Weiteres in der EU-Zollunion bleibt und Nordirland im europäischen Binnenmarkt, und dass das nur im beiderseitigen Einvernehmen beendet werden kann. Das soll vermeiden, dass nach dem Brexit die Republik Irland Grenzkontrollen an der zukünftigen EU-Außengrenze zu Nordirland einführen muss. Die britischen Abgeordneten lehnen das mehrheitlich als zu weitgehende Anbindung an die EU ab und sagen, man brauche das nicht, um die Grenze offen zu halten.

Theresa May hat der EU drei Änderungsmöglichkeiten vorgelegt: „alternative Arrangements“ zur Güterabfertigung an der Grenze, wie sie derzeit von einer Arbeitsgruppe in London ausgearbeitet werden; eine zeitliche Befristung des Backstop; oder die Möglichkeit eines unilateralen Ausstiegs. Die EU lehnt es bisher ab, den Text des Austritts­abkommens zu verändern.

Nächste Erklärung in zwei Wochen

Labour-Oppositionsführer Jeremy Corbyn warf Theresa May vor, verantwortungslos auf Zeit zu spielen, „um die Abgeordneten zu erpressen“. Die schottischen Nationalisten forderten eine Verschiebung des Brexit-Termins, der gesetzlich für den 29. März festgeschrieben ist. Die Liberaldemokraten forderten eine zweite Volksabstimmung.

Am Donnerstag stimmen die Abgeordneten über eine Billigung von Mays Erklärung ab. Da bereits die nächste Erklärung in zwei Wochen ansteht, wird allgemein nicht damit gerechnet, dass das Parlament stattdessen May zu Alternativen zwingt, wie bereits mehrfach im Raum stand. Es könnte dann aber am 27. Februar das Ansinnen zur Abstimmung gestellt werden, der Regierung eine Frist bis 13. März zu geben, sich entweder mit Brüssel zu einigen oder eine Verschiebung des Brexit beantragen zu müssen.

Je länger alles dauert, desto wahrscheinlicher wird allerdings ein „No-Deal“-Brexit am 29. März. Als entscheidendes letztes Datum für eine Einigung gilt in London bereits der nächste reguläre EU-Gipfel am 21. März.

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3 Kommentare

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  • Earl Mountbatten of Burma, letzter Vizekönig brit. Empire Indiens, * 1900, 1979 durch IRA Anschlag in irischer See auf seine Yacht zu Tode gekommen, war es, der Indien durch Teilung in 2 Dominiens Indien, Pakistan 1947 in die Unabhängigkeit mit dem Gestus entließ, gleichzeitig generös special Partnership mit diesen auszuhandeln. Dieser Gestus scheint Theresa Mays Blaupause 2016 bei Brexit Verhandlungsbeginn in Brüssel gewesen zu sein, EU gnädig aus Abhängigkeit vom United Kingdom (UK) zu entlassen, gleichzeitig generös special Partnership zu verhandeln. Was, angesichts Austrittsregeln Lissabon Vertrag 2006, ein Missverständnis ist, denn da geht es um Austritt, dann um Neuvwerhandlung, aber nicht beides zugleich. Richtigstellung: Nicht EU wurde vom UK in Unabhängigkeit entlassen, sondern UK entlässt sich selber, geregelt, ungeregelt aus EU. Solcher Mangel an Aufarbeitung britischer Kolonialgeschichte kann so ein Missverständnis nur nähren- 2014 hat Innenminister May 135 EU Richtlinien gekanzelt, um dann 35 fortbestehen zu lassen, darunter Internatioanlen Haftbefehl. Das nahm sich aus wie die Echternachsche Spring Prozession, 3 Schritt vor, zwei zurück. Im Brexit Fall scheint May, zunächst Remainer, nach Brexit einheitliches Zollgebiet” mit EU zu streben, Labour, Tory Remainer ins Boot zu holen. Nun stellt sich heraus, als ob May Brexiteer Hardliner Geisel wäre, dass sie 2 Schritt vor drei zurückgeht, gegenüber Labour Chef Jeremy Corbyn Verbleib in Zollunion kategorisch ausschließt.



    Was ist passiert? Passiert ist nach Brexit 2016 Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten, der Protektionismus "America First" auf Fahne geschrieben hat, selbst nach Brexit traditionell special Partnership mit UK ausschließt, um bei Welthandel Rosieninpickerei freie Hand zu haben. Geht es May jetzt nur noch um Tory Zusammenhalt, denn Brexiteers drohen mit Spaltung, sollte No Deal Brexit ausbleiben während Tory Remainer dies umgekehrt nicht signalisieren?

  • Es muss zwei Theresa May's geben. Ein holt sich in Brüssel immer wieder Absagen für eine Änderung und die Andere erzählt im Parlament, dass Verhandlungen darüber laufen.

    Sollte es doch nur eine geben, lügt sie frech im Parlament...

    • @warum_denkt_keiner_nach?:

      So kurz und knackig hab ich es noch nie gehört.



      Danke dafür