Theater aus der Pampa: Spielerische Stadtflucht
Seit sieben Jahren bespielt im Landkreis Uelzen das „Jahrmarkttheater“ einen Heidehof und eine Scheune. Nun gastiert es mit „Stadt, Land, Wurst“ in Hamburg.
HAMBURG taz | Viel ist auf den ersten Blick nicht los im fiktiven Dörfchen Torfbostel. Ein paar Schweinebauern und eine Landschlachterei gibt es dort, irgendwo im Moor zwischen Gollernbach und Taterbusch in der Lüneburger Heide, jede Menge Trecker, aber kein Ortsschild. Immerhin: Wer Glück hat, bekommt ab und an Empfang mit dem Mobiltelefon.
Mitten in der „Schwundregion“ liegt das Dorf, den Nachwuchs zieht es in die Großstadt – so wie den Schlachterladenspross Bernie. Aber auch an Torfborstel geht die Zeit nicht spurlos vorbei: Ein geleckter Jungunternehmer will heimlich Genmais anbauen, eine BWL-Studentin aus Hamburg erbt einen Resthof und bald überschlagen sich die Ereignisse.
„Stadt, Land, Wurst“ heißt das turbulente Stück des „Jahrmarkttheaters“ aus dem kleinen Heidedorf Bostelwiebeck, das aber genauso gut Torfbostel heißen könnte. Vor sieben Jahren hat das Ehepaar Anja Imig und Thomas Matschoß die freie Bühne auf dem Land gegründet und macht seitdem „modernes Volkstheater“, wie Matschoß sagt.
Modern insofern, als „es immer Brüche gibt, eine dritte Ebene und wir uns als Theatermacher mit einem Augenzwinkern selbst thematisieren“, so Matschoß. Im Sommer bespielt das Jahrmarkttheater den Hof von Maria Krewet in Wettenbostel, 100 Einwohner, 25 Kilometer westlich von Bostelwiebeck.
Theater bringen Imig und Matschoß dabei nicht auf die Bühne, sie stellen es auf die Beine: Der Ort wird zum Theater, man orientiert sich an den Begebenheiten, die Zuschauer nehmen den Klappstuhl unter den Arm und folgen den Schauspielern. Mit seinen eigenwilligen Eigenproduktionen ist das freie Theater überaus erfolgreich in einer Region, in der das größte kulturelle Ereignis „Heideblütenfest“ heißt:
Mehr als 30.000 Zuschauer haben „Dracula. Das Fremde und das Böse“ gesehen, „The History of Lagerfeuer von Woodstock nach Wettenbostel“ oder den „Heimat Abend“; die Vorstellungen sind seit Jahren Monate im Voraus ausgebucht. Intimere Stücke, dazu Gastspiele, gibt es seit knapp vier Jahren auch das ganze Jahr hindurch in einer ausgebauten Scheune in Bostelwiebeck zu sehen.
„Landeier“ sind Imig und Matschoß erst seit ein paar Jahren. Das Projekt ist so etwas wie eine theatrale Stadtflucht: Matschoß kennt das großstädtische Staatstheater ebenso wie die freie Szene oder die Welt der Kiez-Comedys. In Hamburg hat er sich als Schauspieler, Regisseur und Autor vor allem mit Unterhaltungstheater, aber auch Experimentellerem einen Namen gemacht:
Der 59-Jährige war beteiligt an Publikumsschlagern wie „Swinging St. Pauli“, „Heiße Ecke“ und „Villa Sonnenschein“, er war der erste Regisseur des „Hamburger Jedermann“ in der Speicherstadt. Matschoß hat für das Thalia-Theater und das Ernst-Deutsch-Theater inszeniert und Ende der 90er-Jahre einen Abend mit Musik von Leonard Cohen für das Deutsche Schauspielhaus geschrieben.
Auch Anja Imig hat als Ausstatterin und Kostümbildnerin lange erfolgreich an Theatern in Göttingen, Neuss, Konstanz undOberhausen gearbeitet.
Ob der Weg auch rückwärts und das experimentierfreudige Landtheater auch in der Großstadt noch funktioniert, das kann man nun in Hamburg erleben. Am kommenden Freitag und Samstag ist das Jahrmarkttheater mit „Stadt, Land, Wurst“ im Lichthof-Theater zu Gast, einem der zentralen freien Spielorte. Wie die Begegnung ausfällt, darauf sind alle Beteiligten gespannt.
Kann man auch in Hamburg-Bahrenfeld über den Humor aus Bostelwiebeck lachen? „Ich glaube, dass die Unterschiede nicht so groß sind, wie man denkt. Die Komödienmechanismen werden genauso funktionieren“, ist Matschoß überzeugt. „Spannend wird es für uns aber, auf die Details zu gucken.“
■ Fr, 15. 5. und Sa, 16. 5., je 20.15 Uhr, Lichthof-Theater, Mendelssohnstraße 15, Hamburg;
■ Open-Air-Theater in Wettenbostel vom 6. Juni bis zum 30. August, Hof Krewet, Wettenbostel 3. Infos:
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