Terror in der Türkei: Angriff aus dem Nichts

Eine katholische Kirche in Istanbul wird zum Ziel eines Anschlags. Dabei wird ein Mann getötet. Der „Islamische Staat“ reklamiert die Tat für sich.

Uniformierte Sicherheitskräfte mit Schutzschilden, im Hintergrund eine Kirche

Verschärfte Sicherheitsvorkehrungen vor der katholischen Santa-Maria-Kirche am Sonntag in Istanbul Foto: REUTERS/Dilara Senkaya

ISTANBUL taz | In Istanbul ist bei einem bewaffneten Angriff auf eine katholische Kirche ein Mann getötet worden. Wie auf einem Video, das in den sozialen Netzwerken kursiert, zu sehen ist, stürmen während der Sonntagsmesse zwei vermummte Personen in die Kirche und beginnen zu schießen. Ein Mann bricht zusammen, alle anderen Kirchenbesucher liegen bereits auf dem Boden. Die Angreifer schießen noch in die Luft und verlassen dann die Kirche.

Am Abend bekannte sich der sogenannte „Islamische Staat“ (IS) zu dem Angriff. Unmittelbar nach dem Angriff begannen Sicherheitsbehörden mit Razzien in bekannten islamistischen Milieus, die in den vergangenen Wochen bereits mehrfach Ziel von Durchsuchungen waren. Insgesamt wurden 47 Personen festgenommen. In der Nacht verkündete Innenminister Ali Yerlikaya, es seien zwei dringend tatverdächtige Personen darunter. Die Männer stammen aus Tadschikistan und Russland.

Der Angriff auf die von italienischen Franziskanern betriebene Kirche in Sariyer, einem nördlichen Vorort von Istanbul, hat für großes Aufsehen gesorgt. Es ist lange her, dass es in der Stadt Angriffe auf Christen gegeben hat. Oberbürgermeister Ekrem İmamoğlu eilte an den Tatort und versicherte der Gemeinde seine Solidarität. Er wollte auch nicht von „christlicher Minderheit“ sprechen, sondern sagte: „Wir sind alle gleichberechtigte, echte Bürger dieser Stadt“.

Auch Innenminister Ali Yerlikaya, der die Ermittlungen nach dem Attentat leitete, sagte, man werde niemals „diejenigen tolerieren, die den Frieden in unserem Land stören wollen“. Nach den Aussagen Yerlikayas verhängten die Behörden allerdings für Radio und Fernsehen ein Berichterstattungsverbot.

Gezielte Angriffe

Unterdessen gedachte Papst Franziskus in Rom bei einem Auftritt vor dem Petersdom der Gemeinde in Istanbul und des getöteten Gemeindemitglieds, dessen Familie er besonders erwähnte. Aufsehen erregte, dass der polnische Konsul bei dem Gottesdienst anwesend war. Das sorgte dafür, dass sich neben italienischen auch polnische Behörden in die Ermittlungen einschalteten. Bislang wird allerdings davon ausgegangen, dass weder der polnische Konsul Ziel das Attentats war noch der tatsächlich ermordete 54-jährige Kirchenbesucher.

Cagin Cihan, ein Neffe des Opfers, sagte gegenüber Nachrichtenagenturen, er gehe davon aus, dass sein Onkel ein „Opfer des Schicksals“ geworden sei. Gezielte Angriffe auf Christen hatte es in der Türkei zuletzt in einer sehr aufgeheizten Atmosphäre in den Jahren 2006/2007 gegeben. Der Angriff am Sonntag kam politisch praktisch aus dem Nichts.

Falls sich bestätigen sollte, dass tatsächlich eine Zelle des IS hinter dem Attentat steht, liegt der Verdacht nahe, dass die Tat mit dem Krieg in Gaza zu tun hat und die Attentäter eine Kirche angriffen, weil die Synagogen in Istanbul seit dem 7. Oktober massiv bewacht werden.

Denn obwohl der Diskurs in der Türkei seit den Vergeltungsangriffen Israels im Gazastreifen sehr antiisraelisch ist, wird für die Sicherheit der jüdischen Gemeinden in der Stadt viel getan. Alle Synagogen werden von einem Großaufgebot der Polizei bewacht, Wasserwerfer stehen vor den Toren. Tag und Nacht ist Polizei vor Ort. Vielleicht deshalb wurde statt einer Synagoge ein anderes Gotteshaus der „Ungläubigen“ angegriffen.

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