Terror in Burkina Faso: Anschlag auf die junge Demokratie
In der Nacht zum Samstag haben Terroristen im Zentrum der Hauptstadt Ouagadougou ein Blutbad angerichtet. Die Spuren weisen nach Mali.
Drei oder vier maskierte Täter stürmten am Freitag gegen 19.30 Uhr am Prachtboulevard „Kwame Nkrumah“ das mondäne Café-Restaurant „Cappucino“ und eröffneten das Feuer aus Sturmgewehren. Die über 30 Gäste versuchten, sich hinter Möbeln und in den Toiletten zu verstecken. Die Terroristen warfen schließlich Tränengasgranaten hinein und legten Feuer, bevor sie ins Luxushotel „Splendid“ weiterzogen, ein Betonklotz an der Kreuzung schräg gegenüber.
Dort war gerade ein Empfang der afrikanischen Luftraumbehörde Asecna im Gange. Die Angreifer begannen, Gäste zu verschleppen und zu erschießen. Spezialkräfte umstellten das Hotel und stürmten gegen 2 Uhr. 33 Geiseln konnten fliehen, die anderen knapp 100 mussten bis zum nächsten Angriff am Morgen warten. Eine berichtete: „Die Leute lagen auf dem Boden, alles war voller Blut. Man hörte, wie sie redeten und auf Menschen schossen, wenn sie noch nicht tot waren.“ Einige Bewaffnete zogen sich ins kleinere Hotel Yibi nebenan zurück, was die ganze Operation verlängerte.
Am Ende waren alle Angreifer tot. „Das waren Kinder, ich hatte den Eindruck dass die Gewehre zu schwer für sie waren, der Rückstoß warf sie immer nach hinten,“ erzählte ein Überlebender gegenüber Reportern. Erste Berichte, es seien Frauen darunter gewesen, bestätigten sich nicht.
AQMI übernahm Verantwortung
„Al-Qaida im Islamischen Maghreb“ (AQMI) übernahm die Verantwortung im Namen der Gruppe „Al-Mourabitoun“, der sowohl AQMI als auch dem „Islamischen Staat“ (IS) Treue geschworen hat. Zum ersten Mal bei einem Angriff dieser Art interviewte der AQMI-Medienkanal „Al-Andalus“ einen der Täter live. Nach Angaben des französischen Terrorspezialisten Romain Caillet sprach der Interviewte perfektes Arabisch und sagte, er handele aus Solidarität mit Syrien und Jemen.
Möglicherweise kamen die Täter direkt aus Mali, wo Al-Mourabitoun aktiv ist. Am Freitag gegen 14 Uhr hatten Bewaffnete bei Tin Abao im Nordosten Burkinas im Dreiländereck zu Mali und Niger zwei Gendarmen getötet. Ouagadougou liegt 300 Kilometer weiter, die Terroristen waren in Geländewagen unterwegs. Nicht weit entfernt nahmen Unbekannte am Freitag zwei Australier als Geiseln – ein über 80-jähriges Ehepaar, das seit 1972 in Burkina lebt. In Malis Grenzregion zu Burkina Faso ist eine islamistische Gruppe namens „Macina-Befreiungsfront“ (FLM) aktiv.
Burkina Faso spielt im Krieg gegen Dshihadisten in der Sahelzone eine wichtige Rolle. Es beherbergt 220 Spezialkräfte aus Frankreich und 75 aus den USA für verdeckte Operationen. Sie halfen jetzt auch beim Niederschlagen des Angriffs.
Schlag in einer kritischen Zeit
Das Blutbad von Ouagadougou trifft Burkina Faso in einer kritischen Zeit. Erst vergangene Woche hatte Präsident Roch Kaboré, Sieger der ersten freien Wahlen vom November nach dem Volksaufstand gegen Langzeitdiktator Blaise Compaoré 2014, sein Kabinett präsentiert. Es traf sich am Samstag zu seiner ersten Sitzung und verfügte eine dreitägige Staatstrauer. Premierminister Paul Kaba Thiéba sagte, die Terroristen versuchten, „die Grundlagen unser Freiheit zu untergraben, die unser Volk zu einem so hohen Preis erkämpft hat“.
Beobachter verweisen auf Verbindungen zwischen Islamisten und dem gestürzten Compaoré, der islamistische Führer diskret aufgenommen habe, damit sie ihr Geld in Ouagadougous Immobilienboom investieren. Schlüsselfigur dabei sei Präsidialgardechef Gilbert Diendéré gewesen, der erst im September 2015 versuchte, Burkinas Demokratisierung per Putsch rückgängig zu machen und jetzt in Haft sitzt.
In einem Interview sagte Al-Qaida-Spezialist Lemine Ould Mohamed Salem: „Die Verhaftung von Compaorés Freunden an der Spitze der Geheimdienste und der Polizei im Zuge des gescheiterten Diendéré-Putsches hat das Land verwundbar gemacht.“
Die Bürgerbewegung „Balai Citoyen“ (Bürgerbesen), die 2014 Compaoré stürzte, ruft nun zum Widerstand gegen den Terror und zum Schulterschluss um die junge Regierung auf. „Das burkinische Volk erleidet eine neue Prüfung und wird erneut siegen“, erklärte der Rapmusiker Smockey, ihr bekanntestes Mitglied. „Burkinas Armee hat jetzt 18 Millionen Reservisten.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!