Telefonterror in Belarus: „Wasja, bist du das?“
Was tun, wenn die Miliz auf dem Handy anruft? Das gibt es einige Regeln. Janka Belarus erzählt von stürmischen Zeiten in Belarus. Folge 7.
I n der letzten Zeit werden viele Belarussen telefonisch zu Gesprächen in die „Bezirksabteilungen für innere Angelegenheiten“ eingeladen. („Es besteht der Verdacht, dass Sie an nicht genehmigten Veranstaltungen teilgenommen haben.“) Die gewöhnliche, weltweite Praxis in solch einem Fall – eine Vorladung zu verlangen und über seine Rechte zu sprechen – funktioniert in unserem Land so nicht. Es gab schon Vorfälle, dass solche „Einladungen“ mehrere Tage Haft zur Folge hatten.
Eine Freundin von mir erzählt, dass man sie wegen des Verdachts auf Teilnahme an einer nicht genehmigten Veranstaltung am 5. September zu Gespräch gebeten habe. Auf die logische Frage: „Worauf basiert dieser Verdacht?“, erhielt sie die merkwürdige Antwort: „Benutzen Sie ständig Ihr Handy?“ Das bedeutet, wir haben es hier mit einer Handyortung zu tun – also ob das Telefon an Orten von Massenversammlungen getrackt wurde. Tja, damit bist du verdächtig. Und dabei ist es nicht wichtig, ob die Funkzellen Reichweiten von ungefähr zwei Kilometer haben.
Eine andere Freundin, die schon an den Protesten 2010 teilgenommen hatte und Juristin ist, teilt einen erprobten Lifehack: „Wenn dich irgendein unbekannter Onkel anruft und dir solchen Blödsinn erzählt (unabhängig davon, ob du bei der Demo warst oder nicht), sagst du erst mal gar nichts (um dich ein bisschen zu sammeln und dich sozusagen in die Rolle einzufinden). Und dann sagst du:„Wasja, bist du das? Wie mich deine dummen Späße nerven. Denk dir mal was Originelleres aus.“
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Und dann legst du den Hörer auf. Wenn sie wieder anrufen, machst du etwas Ähnliches. Deine Aufgabe ist, dich ein bisschen blöd zu stellen, nicht über die Angelegenheit zu sprechen, derentwegen sie anrufen, und das Gespräch abzubrechen, sobald du durch den Anruf die wichtigste Information erhalten hast. Das kann man auch vorm Spiegel üben, damit man im entscheidenden Moment nichts verpatzt.“
ist 45 Jahre alt und lebt und arbeitet in Minsk. Das Lebensmotto: Ich mag es zu beobachten, zuzuhören, zu fühlen, zu berühren und zu riechen. Über Themen schreiben, die provozieren. Wegen der aktuellen Situation erscheinen Belarus' Beiträge unter Pseudonym.
Was bringt einem das? In vielen Fällen lassen sie vorübergehend oder sogar ganz von dir ab, weil sie noch viele andere auf ihrer Telefonliste haben. Zumindest aber schicken sie dir eine Vorladung, in der der Gesetzesparagraf steht, auf den sie sich mit ihren Vorwürfen beziehen.
Damit hast du Zeit, dich um einen Rechtsbeistand zu kümmern. Und vor dem Verlassen deiner Wohnung ein paar Dinge einzupacken wie Wäsche zum Wechseln, Schuhe ohne Schnürsenkel, einen bequemen Hoodie und ein paar Hygieneartikel. Und dich daran zu erinnern, dass es verfassungsrechtlich nicht erlaubt ist, gegen sich selbst auszusagen.
Man muss allerdings auch sagen, dass die Absurdität dieser Situation traurig ist: dass du dich gegen die Miliz wehren musst, statt sie zu Hilfe zu rufen. Aber man muss die Tatsachen anerkennen, dass Belarus heute eine Attraktion ist, die einer Geisterbahn gleicht.
Aus dem Russischen Gaby Coldewey
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