Technoparade Zug der Liebe in Berlin: Keine Melonen erwünscht
Auch dieses Jahr zieht die Technoparade Zug der Liebe durch Berlin. Der Nahostkonflikt ist auch hier ein wesentlicher Bestandteil.
taz: Herr Schwan, „Bässe verbinden“ lautet das diesjährige Motto Ihrer Technoparade Zug der Liebe. Glauben Sie selbst noch an die verbindende Kraft der Bässe, seit sich die Berliner Clubkultur nach dem 7. Oktober so dermaßen gespalten hat?
Jens Schwan: Der Graben, der die Berliner Clubkultur spaltet, ist so tief, dass eine Verbindung nur noch schwer möglich ist. Die meisten Akteure der Berliner Clubszene haben sich wie die letzten Lappen benommen, als es darum ging, Solidarität mit dem von der Hamas am 7. Oktober angegriffenen Supernova Festival in Israel zu zeigen. Gleichzeitig gibt es eine sehr kleine, aber lautstarke Mischpoke, die zum Boykott des About Blank und des Berghain aufruft, weil diese als zu israelfreundlich wahrgenommen werden. Demgegenüber registriere ich aber keine Berliner Clubkulturszene – und damit meine ich vornehmlich die Betreiber dieser Läden – die sich gegen dieses Treiben in irgendeiner Weise positioniert. Das About Blank ächzt unter den Boykottbemühungen der BDS-Bewegung und veranstaltet trotzdem Solipartys für das Supernova Festival. Ich sehe sonst niemanden, der das ähnlich machen würde.
taz: In einer Presseerklärung zu Ihrer Parade steht, dass Nationalflaggen auf der Demo verboten sein werden und Banner, auf denen einseitige antiisraelische Positionen vertreten werden. Wollen Sie so verhindern, dass der eben beschriebene Konflikt auch auf Ihrer Parade ausgefochten wird?
Schwan: Wir sehen ja, was gerade passiert auf so vielen Propalästinademonstrationen. Deshalb wird es bei uns diese Verbote geben. Ich habe auch der Polizei gesagt, dass ich keinen einzigen propalästinensischen Schreihals auf der Demo sehen will. Alles, was nicht unserem Leitbild entspricht, will ich da nicht haben. Wenn du mit der Regenbogenfahne mit einem Davidstern kommst, ist das in Ordnung, aber eine Melonenfahne möchte ich auf der Demo nicht sehen.
Jens Schwan
ist Gründer und Organisator der Technoparade Zug der Liebe, die es seit 2015 gibt.Er betreibt das Clubportal Clubmap.
Zug der Liebe – 31. August, Start am Mauerpark um 13 Uhr
taz: Auf der Homepage des Zugs der Liebe prangt ziemlich zentral ein Banner der Organisation „Artists against Antisemitism“. Sodass man den Eindruck bekommen kann, hier das eigentliche Motto Ihrer Parade zu erkennen.
Schwan: Der Verein Freunde des Mauerparks, der sonst immer mit beim Zug der Liebe dabei war, meinte jedenfalls, wegen dieses Banners und weil das so einseitig wirkt, würden sie in diesem Jahr lieber nicht teilnehmen. Ich habe den Claim „Artists against Antisemitism“ natürlich bewusst als Gegenreaktion zu diesen Israel-Boykottbewegungen wie „DJs against Apartheid“ ganz oben auf die Homepage gepackt.
taz: Können Sie Bedenken verstehen, wenn Sie zwar klar Stellung gegen Antisemitismus beziehen, aber mit keinem Wort Verständnis äußern, wenn Leute gegen die brutale Kriegsführung Israels in Gaza demonstrieren?
Schwan: Nicht wirklich. Natürlich finde auch ich Israels Präsidenten Netanjahu scheiße. Aber dass das so eskalieren würde in Gaza, konnte ja allen klar sein. Man bringt nicht 1.200 Leute um und denkt dann, danach wird nicht viel passieren. Der Krieg in Gaza geht auf die Kappe der Hamas.
taz: Wollen Sie überhaupt, dass sich die Berliner Clubszene wieder beruhigt?
Schwan: Das wird sich wie immer irgendwann wieder beruhigen, was ich aber eher traurig fände. Ich wünsche mir tatsächlich nicht, dass es sich wieder beruhigt. Ich hoffe, dass bei denjenigen, die sich nach dem 7. Oktober wie Arschlöcher benommen haben, das Karma zuschlägt und deren Veranstaltungen keine Zukunft haben. Wer sich volksverhetzend geäußert hat, sollte auch nicht mehr an die Fördertöpfe rankommen. Ob ich kompromissbereit bin gegenüber Leuten, die sich als totale Israelhasser geoutet haben? Nö.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Verkauf von E-Autos
Die Antriebswende braucht mehr Schwung
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP
Warnstreiks bei VW
Der Vorstand ist schuld
Zuschuss zum Führerschein?
Wenn Freiheit vier Räder braucht
Die HTS in Syrien
Vom Islamismus zur führenden Rebellengruppe