Technoparade durch Berlin: Liebe, Freude, Feierkuchen

Bei der Technoparade „Zug der Liebe“ zogen am Samstag Tausende Menschen durch Berlin und machten tanzend auf soziale Probleme aufmerksam.

Menschen folgen der Technoparade «Zug der Liebe».

Vom Mauerpark im Prenzlauer Berg zum Moritzplatz in Kreuzberg wurde am Sonntag die Liebe gefeiert Foto: Annette Riedl/dpa

BERLIN taz | Einen Tag bevor die Technoparade „Zug der Liebe“ am Samstag durch die halbe Stadt zieht, vom Mauerpark im Prenzlauer Berg zum Moritzplatz in Kreuzberg, fragt noch jemand auf der Facebook-Seite der Veranstaltung: „Ich check irgendwie nicht, wofür man demonstriert? Kann mir da einer weiterhelfen?“ Man kann. Für die Liebe werde demonstriert, weiß jemand. Irgendwie ja auch logisch bei einem Zug der Liebe.

Aber es wird noch für viel mehr auf der Straße getanzt bei diesem Raver-Umzug. Die Liebe scheint eher der Oberbegriff für alles mögliche zu sein, was sich darunter subsumieren lässt. Und man muss sagen: Das Themenspektrum bei dieser Demonstration ist sowohl in der Breite als auch in die Tiefe enorm. „Obdach ist ein Menschenrecht“ steht auf einem hochgehaltenen Schild, woanders fordert jemand eine „Kulturvielfalt im Mauerpark“. Auf einem der Wagen, auf denen die DJs auflegen, steht: „Demokratie, Frieden, Gemeinschaft, Inklusion.“ Und danach geht die Aufzählung ähnlich positiv besetzter Schlagwörter noch ewig weiter.

Aber eine Sache wurde sogar hier vergessen, nämlich das Thema Multiple Sklerose. Dankenswerterweise fordert dafür ein Raver auf seinem Banner: „Für mehr Aufklärung über Multiple Sklerose“. Es ist schon einigermaßen erstaunlich, dass sich auf einer Technoparade, wo doch eigentlich alle bloß Spaß haben wollen, ganz unironisch mit einer seltenen Nervenkrankheit auseinandergesetzt wird. Wenn man bedenkt, dass der Zug der Liebe, den es seit 2015 gibt, in der Tradition der Loveparade steht, ist es ein ganz schön langer Weg von „Friede, Freude, Eierkuchen“ hin zu solch ernsten Themen.

Die Polizei spricht von 9.000 Besuchern

Dr. Motte will den Ferrari unter den Technoparaden, der „Zug der Liebe“ scheint eher sagen zu wollen: Fahrt lieber Fahrrad.

Nachdem Anfang Juli schon die Technoparade „Rave the Planet“ stattfand, direkter Loveparade-Nachfolger und organisiert von Loveparade-Erfinder Dr. Motte, dachte man schon: Vielleicht wird der Zug der Liebe jetzt gigantisch groß. Denn bei Dr. Motte war der Andrang riesig, mehr als 200.000 Raver zählte die Polizei. Aber vielleicht brauchen viele dann doch nicht jeden Monat eine Technoparade: Am Samstagnachmittag zählt die Polizei beim Zug der Liebe gerade mal 9.000 Besucher.

Und auch wenn man bei den ganzen Musikparaden in Berlin langsam den Überblick verlieren kann, wird doch deutlich, wie sehr sich die beiden Veranstaltungen voneinander unterscheiden. Bei Motte zog man symbolträchtig in Richtung Siegessäule, auf den riesigen Trucks tanzten die VIPs und es legten Star-DJs auf. Der Zug der Liebe dagegen bleibt kurz vor dem vergleichsweise unglamourösen Moritzplatz stehen und die DJs hier kennt kein Mensch. Motte will den Ferrari unter den Technoparaden, der „Zug der Liebe“ scheint eher sagen zu wollen: Fahrt lieber Fahrrad.

Aber kleine Partys sind bekanntlich oft besser als Megaraves. Die Stimmung bei der Mini-Parade ist jedenfalls gut. Halbbesoffene tanzen neben jungen Menschen, die sich in die Trendklamotten der Saison unter Clubbern gezwängt haben: Lack-und-Lederfummel aus der Fetischabteilung. Gemeinsam trotten alle einem Musikwagen des Berliner Tierschutzvereins oder von Seawatch hinterher. Auch die Polizei scheint ein wenig ergriffen zu sein vom positiven Vibe der Veranstaltung. Als es über die Schillingbrücke geht, sagt sie an, dass nun für einen Moment lang die Musik stoppen müsse. Die Bässe könnten Schwingungen im Gebälk erzeugen. „Danke für euer Verständnis“, säuselt die Polizeisprecherin, „und habt noch viel Spaß“. Man spürt sie wirklich, die Liebe beim „Zug der Liebe“.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.